Vom Rolltor in der Garage bis zum höhenverstellbaren Krankenhausbett, vom Generator einer Windkraftanlage bis zum Getriebe im Fahrzeugmotor: Überall dort kommen Wellen zum Einsatz. Die Bauteile übertragen die Kraft des Motors in eine Drehbewegung oder umgekehrt die Drehung der Windrad-Flügel an einen Generator, der daraus Strom erzeugt.
Wie effizient Motoren und Generatoren arbeiten, lässt sich überprüfen, indem man das Drehmoment und die Position der Welle misst. Beispiel Rennwagen: Tritt der Fahrer zu stark aufs Gas, drehen die Räder durch – dann wird die Kraft des Motors nicht mehr auf die Straße übertragen, das Drehmoment ist nahe null. Wird das Drehmoment permanent gemessen und an die Motorsteuerung übertragen, kann diese gegensteuern, die Kraft etwas drosseln und so vermeiden, dass die Räder durchdrehen.
Bei Windkraftanlagen ist das Drehmoment gleich Null, wenn die Rotorblätter stillstehen und kein Strom erzeugt wird. Frischt dann der Wind auf und eine Böe versetzt die Rotorblätter plötzlich in Bewegung, steigt das Drehmoment stark – und die ruppige Bewegung kann den Motor schädigen. Am effizientesten ist die Anlage mit einem gleichmäßigen Drehmoment. Erreichen lässt sich dies durch permanentes Messen und Regeln: Die Rotorblätter werden dann so ausgerichtet, dass der Wind optimal genutzt wird.
Systeme zur Drehmomentmessung wie Codierscheiben oder Dehnmesssensoren gibt es längst, allerdings müssen diese bisher direkt an die Welle angebaut werden und nehmen daher viel Platz im Getriebe weg. Bisherige berührungslose Messverfahren, die auf magnetischen Messprinzipien beruhen, sind dagegen sehr teuer. Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Produktion Hannover
(IPH) und des Laser Zentrums Hannover (LZH) wollen jetzt ein neues, optisches Messsystem entwickeln, das berührungslos funktioniert und nicht an die Welle angeflanscht werden muss. Dadurch soll es sich einfach nachrüsten lassen, so die Hoffnung der Forscher. Das neue Messsystem soll eine deutlich bessere Auflösung erreichen als bisherige Systeme und zudem kleiner und leichter sein – ein Vorteil beispielsweise im Motorsport, wo jedes Gramm zählt. Und während die Kosten für
bisherige berührungslose Messsysteme im vierstelligen Bereich liegen, soll das neue System wesentlich günstiger werden. Einen genauen Preis können die Wissenschaftler aber noch nicht nennen – das Forschungsprojekt „IntegrAD – Integrierter optischer Absolutgeber und Drehmomentmesser“ ist gerade erst gestartet.
Das Prinzip ist simpel: Auf die Welle werden sogenannte Absolutmessskalen aufgebracht, indem die Stahloberfläche mit dem Laser lokal hochaufgelöst geschwärzt wird. Dadurch entstehen sehr feine Strichcodes. Im Getriebe werden Leuchtdioden und Fotodioden angebracht, die diese Strichcodes berührungslos scannen. Wirkt ein Drehmoment auf die Welle, führt das zur Torsion – die Welle wird also in sich verdreht. Wie stark die Torsion ist, lässt sich an der Absolutmessskala ablesen. Weil die
Laser-Markierung sehr hoch aufgelöst ist, lassen sich bereits kleinste Veränderungen erkennen. So kann das System Position und Drehmoment der Welle in Echtzeit erfassen und an die Motorsteuerung übertragen.
Damit das System nicht nur in der Theorie funktioniert, sondern auch praxistauglich ist, suchen die Wissenschaftler noch Industriepartner. Sie sollen Parameter und Erfahrungen aus praktischen Anwendungsfällen beisteuern, etwa Material oder Durchmesser der verwendeten Wellen. Nicht nur Motorenhersteller oder Windrad-Betreiber kommen als Industriepartner in Frage, sondern beispielsweise auch Medizintechnik-Unternehmen – denn das Messsystem könnte auch dazu
beitragen, höhenverstellbare Krankenhausbetten oder Chirurgie-Roboter sicherer zu machen. Sie könnten sich automatisch abschalten, wenn sie einen Patienten einzuklemmen drohen – denn schon beim kleinsten Widerstand erhöht sich das Drehmoment.