Die klassische Verkabelungstopologie der meisten bestehenden automatisierten Anlagen weist im Regelfall getrennte Verkabelungen für Leistung und Signal- beziehungsweise Datenübertragung auf. Das hat den Grund, dass die Anforderungen an die Peripherie (Kabel, Steckverbinder, Verteiler) für die verschiedenen Einsatzzwecke unterschiedlich sind. Während Leitungen für die Energieversorgung große Querschnitte für hohe Ströme erfordern, liegt bei der Datenübertragung der Fokus auf Signalintegrität und geschirmter Verkabelung. Die zwei Kabelstränge werden dann typischerweise im Hauptschaltschrank zusammengeführt.
„Diese Verkabelungsphilosophie ist recht anspruchsvoll, da so immer mindestens zwei Kabel pro Gerät im Feld verlegt werden müssen. Mit der zunehmenden Integration von IIoT-fähigen Geräten – die immer eine Datenschnittstelle benötigen – erweist sich dieser Ansatz zunehmend als unpraktisch. Daher steigt der Bedarf nach effizienteren Lösungen wie One Cable Technology. Diese vereinen die Funktionen der Datenübertragung und Energieversorgung und vereinfachen die Verkabelung signifikant“, erklärt Philipp Zuber, Produktmanager bei binder.
Gesamtlösung senkt Komplexität und Kosten
Die One Cable Solutions (OCS) ermöglichen es, sowohl die Energieversorgung als auch die Datenkommunikation über ein einziges Kabel zu transportieren. Das hat diverse Vorteile. Einer davon ist die Reduzierung des Aufwands bei Anschluss und Verlegung von Kabeln und Steckverbindern. Gleichzeitig können die Materialkosten erheblich gesenkt werden, da weniger Kabel, Kabelführungssysteme und Installationsmaterial benötigt werden. Auch besteht somit weniger Wartungsbedarf. Zudem wird durch die reduzierte Anzahl an Kabeln Platz gespart, was sich besonders in beengten Umgebungen auszahlt. Und die Flexibilität der Systeme erhöht sich, da sowohl Leistung als auch Daten über dasselbe Kabel transportiert werden können.
Potenzial für viele Märkte
„Theoretisch überall, wo ein hoher Verkabelungsaufwand problematisch ist oder werden kann, empfehlen sich OCS. Im Bereich der Antriebstechnik für den Automatisierungsbereich hat sich dieser Ansatz bereits etabliert. Zu Servomotoren wurden in der Vergangenheit immer zwei Kabel geführt: ein Kabel für die Energie- und Leistungsversorgung und das zweite Kabel für die Ansteuerung sowie Feedback des Drehgebers. Neuere Versionen von Servomotoren besitzen nur noch einen Ein-Kabel-Anschluss. Hierüber wird dann sowohl die Leistungsversorgung als auch die Kommunikation übertragen“, sagt Zuber.
Die OCS-Technologie eignet sich also besonders für Anwendungen, in denen der Verkabelungsaufwand, die Länge der Verkabelung oder die Flexibilität des Gesamtsystems eine große Rolle spielen. Die Lösungen bewähren sich daher zum Beispiel auch in der Robotik, insbesondere aufgrund des reduzierten Platzbedarfs. In der Automatisierungstechnik ermöglichen sie effiziente Verbindungen von Aktoren und Sensoren in der Feldebene, wodurch der Verkabelungsaufwand erheblich reduziert wird. Auch in der Intralogistik und Fördertechnik liegt großes Potenzial, vor allem aufgrund der langen Strecken, die mit den Anschlusskabeln zurückgelegt werden müssen.
Verschiedene technologische Ausprägungen
OCS basieren auf verschiedenen technologischen Ansätzen. Diese umfassen spezielle Kabel und Steckverbindungen sowie fortschrittliche Protokolle zur Datenübertragung. Hybridkabel kombinieren Leitungen für Energie und Daten in einem physischen Kabelmantel und sind speziell konstruiert, um elektromagnetische Störungen zu minimieren und eine zuverlässige Datenübertragung zu gewährleisten. Im IT-Bereich ist Power over Ethernet (PoE) ein bekanntes Beispiel, bei dem Ethernet-Kabel sowohl Daten als auch Strom zu Geräten wie IP-Kameras und WLAN-Access-Points übertragen. Dieses Prinzip findet auch in der Industrie Anwendung, jedoch meist nur, wenn die Geräte geringere Strommengen benötigen. Darüber hinaus entwickeln viele Unternehmen proprietäre Lösungen und Protokolle, um spezifische Anforderungen ihrer Automatisierungssysteme abzubilden.
Herausforderungen für Steckverbinder
Die Entwicklung von Komponenten für OCS ist jedoch auch mit stärkerer Komplexität bei der Konstruktion und Gestaltung verbunden – so auch für Steckverbinder, wie Zuber weiß: „Als Hersteller von hybriden Steckverbindern für die OCS ist es unsere Aufgabe, die Komplexität bei Anschluss und Konfektionierung möglichst gering zu halten. Dabei stoßen wir teils auf Herausforderungen. Schon allein aufgrund des konstruktiven Aufbaus eines solchen Steckverbinders besteht dieser aus deutlich mehr Einzelteilen. Je mehr Komponenten, desto aufwändiger werden auch dessen Montage und Konfektionierung. Die Aufgabe ist hier, trotz der Komplexität eine benutzerfreundliche Lösung zu finden, damit unsere Kunden die Steckverbinder schnell und einfach anschließen können.“
Auch die elektromagnetische Verträglichkeit spielt dabei eine Rolle. Die Übertragung von Energie und Daten über dasselbe Kabel kann zu elektromagnetischen Störungen führen, welche die Datenintegrität beeinträchtigen können. Hier ist bei den Steckverbindern darauf zu achten, dass hochwertige Abschirmungen konstruktiv realisiert werden. Diese Abschirmungen müssen in der Lage sein, elektromagnetische Interferenzen zu minimieren, um eine zuverlässige Datenübertragung zu gewährleisten.
Die Kompaktheit stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Ein-Kabel-Lösungen müssen mehr Kontakte für die Leistungs- und Signalübertragung, oft noch mit Schirmungskomponenten, unterbringen. Gleichzeitig darf der Platzbedarf nicht signifikant zunehmen. Die Entwicklung solcher Produkte erfordert eine präzise und effiziente Konstruktion, um die maximale Performance bei minimalem Platzbedarf zu erreichen.
Wichtige Komponente
Phlipp Zuber schreibt den OCS großes Potenzial zu – vor allem im Hinblick auf die digitalisierte und vernetzte Fabrik der Zukunft: „Ein-Kabel-Lösungen werden sich im Zuge des IIoT immer mehr durchsetzen. Denn die smarte Fabrik erfordert eine hohe Datenübertragungsgeschwindigkeit und -zuverlässigkeit, um die nahtlose Kommunikation zwischen verschiedenen Geräten und Systemen zu gewährleisten. Ein-Kabel-Lösungen vereinfachen die Infrastruktur erheblich. Das minimiert auch das Risiko von Fehlern und Ausfällen, die durch zahlreiche separate Verbindungen entstehen können. Zudem unterstützen Ein-Kabel-Lösungen die Modularität und Flexibilität der Systeme, die für das IIoT charakteristisch sind, da sie eine einfachere und schnellere Skalierung und Anpassung ermöglichen.“