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Praxistauglichkeit bald gegeben? Experiment öffnet Tür für Millionen von Qubits auf einem Chip

Zwei wechselwirkende Loch-Spin-Qubits: Wenn ein Loch (magenta/gelb) von einem Ort zum anderen tunnelt, dreht sich sein Spin aufgrund der Spin-Bahn-Kopplung, was zu anisotropen Wechselwirkungen führt, die durch die umgebenden Blasen dargestellt werden.

Bild: NCCR SPIN
06.05.2024

Forschenden der Universität Basel und des NCCR SPIN ist es erstmals gelungen, eine kontrollierbare Wechselwirkung zwischen zwei Lochspin-Qubits in einem herkömmlichen Silizium-Transistor zu realisieren. Diese Entwicklung eröffnet die Möglichkeit, Millionen dieser Qubits mit einem seit Jahrzehnten bewährten Herstellungsverfahren auf einem einzigen Chip zu integrieren.

Der Wettlauf um die Entwicklung eines praxistauglichen Quantencomputers ist in vollem Gange. Weltweit arbeiten Forschende an vielen verschiedenen Qubit-Technologien, und noch ist offen, welche Art von Qubit am besten geeignet ist, um das Potenzial der Quanteninformatik voll auszuschöpfen.

Qubits bilden die Grundlage eines Quantencomputers: Sie dienen der Verarbeitung, Übertragung und Speicherung von Daten. Damit sie richtig funktionieren, müssen sie Informationen sowohl zuverlässig speichern, als auch mit hoher Geschwindigkeit verarbeiten können. Grundlage für letzteres sind stabile und schnelle Wechselwirkungen zwischen einer hohen Anzahl an Qubits, deren Zustände sich von außen verlässlich steuern lassen.

Für einen praxistauglichen Quantencomputer müssen Millionen von Qubits auf einem einzigen Chip untergebracht werden. Die derzeit fortschrittlichsten Quantenrechner verfügen jedoch nur über einige hundert Qubits und können daher nur Berechnungen durchführen, die auch – und oft effizienter – auf herkömmlichen Computern möglich sind.

Elektronen und Löcher

Um das Problem der Anordnung und Verbindung von Abertausenden von Qubits zu lösen, setzen Forschende der Universität Basel und des NCCR SPIN auf einen Typ von Qubit, der den Spin (also den Eigendrehimpuls) eines Elektrons oder den eines Lochs nutzen. Ein Loch ist quasi ein fehlendes Elektron in einem Festkörper. Beide besitzen einen Spin, der zwei Zustände annehmen kann: nach oben und nach unten, analog zu den Werten 0 und 1 bei klassischen Bits. Im Vergleich zu den Elektronenspins haben die Lochspins den Vorteil, dass sie vollständig elektrisch kontrolliert werden können, ohne dass zusätzliche Bauteile wie zum Beispiel Mikromagnete auf dem Chip benötigt werden.

Bereits 2022 konnten die Basler Physiker zeigen, dass sich die Lochspins in einem gängigen elektronischen Bauelement einfangen und als Qubits nutzen lassen. Diese sogenannten FinFETs (Fin Field-Effect Transistors) sind beispielsweise in modernen Smartphones verbaut und werden mit industriellen Verfahren hergestellt, die weit verbreitet sind. Nun ist es dem Team unter der Leitung von Dr. Andreas Kuhlmann erstmals gelungen, in diesem Setup eine kontrollierbare Wechselwirkung zwischen zwei Qubits zu erzeugen.

Schneller und präzise kontrollierter Spin-Flip

Damit ein Quantencomputer rechnen kann, benötigt er sogenannte Quantengatter. Sie stehen für Operationen, die die Qubits manipulieren und miteinander koppeln. Wie die Forscher berichten, konnten sie zwei Qubits in einem Gatter verschränken und ein kontrolliertes Umklappen des einen Spins, abhängig vom Zustand des zweiten Spins – einen sogenannten Controlled Spin-Flip – herbeiführen. „Mit Lochspins können wir Zwei-Qubit-Gatter herstellen, die sowohl schnell als auch sehr zuverlässig sind. Nach diesem Prinzip kann nun auch eine größere Anzahl von Qubits paarweise gekoppelt werden“, so Kuhlmann.

Die Verschränkung zweier Spin-Qubits beruht auf ihrer Austauschwechselwirkung, die für zwei ununterscheidbare Teilchen auftritt, die miteinander elektrostatisch wechselwirken. Überraschenderweise ist die Austauschenergie für Löcher nicht nur elektrisch steuerbar, sondern auch stark anisotrop. Dies ist eine Folge der Spin-Bahn-Kopplung, die bewirkt, dass der Spinzustand eines Lochs von seiner räumlichen Bewegung beeinflusst wird.

Um diese Beobachtung in einem Modell zu beschreiben, haben sich Experimentalphysiker und Theoretiker der Universität Basel und des NCCR SPIN zusammengetan. „Die Anisotropie ermöglicht Zwei-Qubit-Gatter ohne den typischen Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit“, fasst Dr. Andreas Kuhlmann zusammen.

„Qubits auf der Basis von Lochspins greifen nicht nur auf die bewährte Herstellung von Siliziumchips zurück, sie sind auch gut skalierbar und haben sich im Experiment als schnell und robust erwiesen.“ Damit unterstreicht diese Arbeit, dass dieser Ansatz im Rennen um die Entwicklung eines Quantencomputers großen Maßstabs gute Karten hat.

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