Stand des autonomen Fahrens Fahrerlos glücklich?

Autos verfügen mit diversen Fahrerassistenzsystemen über die Möglichkeit, zumindest teilweise autonom zu fahren. Wie weit entfernt sind wir jedoch vom vollautonomen Fahrzeug?

Bild: iStock, Vivali
10.05.2019

Zahlreiche Fahrerassistenzsysteme gestatten mittlerweile teilautonomes Fahren. Unfälle selbstfahrender Autos erschüttern aber regelmäßig das Vertrauen in den aktuellen Stand der Technik. Wie weit die Industrie beim autonomen Fahren bereits ist und was die größten technischen Herausforderungen sind, erfahren Sie in unserem Überblick.

Fahrerassistenzsysteme gestatten schon teilautomatisiertes Fahren. Für das Autonome Fahren (AF) ist allerdings mehr notwendig, etwa das fehlerfreie Erkennen der Umgebung. Eine Lösung dafür ist die Sensorfusion. Hohe Ausfallsicherheit der Systeme erfordert neue Konzepte und Tests der Komponenten. Dazu braucht die Nutzung der Künstlichen Intelligenz (KI) neue Rechnerarchitekturen und auch für das Bordnetz wäre ein Lifting gut.

Die Industrie ist bereits fleißig dabei. Das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte 2017 in einer Studie, dass 52 Prozent der weltweit angemeldeten Patente zum autonomen Fahren von deutschen Herstellern stammten. Weltweit vorne sind danach Bosch, Audi und Continental. Eine aktuelle Studie des ZVEI zeigt, dass Europa bei der Automobilelektronik führt. Der europäische Markt umfasste 2018 rund 43 Milliarden US-Dollar, bei einem mittleren jährlichen Wachstum zwischen 2013 und 2018 von 4,3 Prozent.

„Unverändert legen die Europäer ihren Fokus auf die Wachstumsfelder Automobil- und Industrieelektronik und führen weltweit beim Einsatz von Halbleitern für Automobilelektronik“, erklärt Sven Baumann, ZVEI-Experte für Mikroelektronik. Der Wert der Mikroelektronik pro Fahrzeug soll im weltweiten Mittel bis 2023 auf 685 US-Dollar anwachsen, dem fünffachen Wert von 1998.

Datenaufkommen im Auto bewältigen

Bis dahin ist aber noch viel Arbeit nötig, beispielsweise, um die Unsicherheiten der Einzelsensoren auszugleichen. Dafür führt kein Weg an Sensorfusion vorbei. Das Projekt KameRad kombiniert Kamera und Radartechnik. Dieses System soll künftig flexibel in einem dezentralen Netzwerk mit GPS und Car2X-Informationen zu verknüpfen sein. Für kurze Reaktionszeiten müssen die Datenmengen smart vorverarbeitet werden.

An dem Projekt arbeiten unter der Koordination von InnoSenT das Fraunhofer Fokus, Jabil Optics, Silicon Radar, die TU Berlin, das Fraunhofer IZM, AVL Software and Functions und John Deere. Die Sensorfusion ist vor allem eine Rechenaufgabe. Im Projekt PARIS (Parallele Implementierungsstrategien für das Hochautomatisierte Fahren) entwickeln das Ika-Institut der RWTH Aachen, Nisys, Silexica, Baselabs, Videantis, Bosch und Elektrobit eine parallele Prozessorplattform mit dafür optimierten Prozessorkernen.

AF und Kommunikation zwischen Fahrzeugen lässt das Datenaufkommen deutlich ansteigen. „Ziel des Projekts EMPHASE ist ein Rechnersystem für die Sensordatenverarbeitung in automatisierten Fahrzeugen, das aus anpassbaren Sensor- und Kommunikationsmodulen besteht. Diese werden in einer flexiblen Architektur vernetzt und mit einem besonders zuverlässigen Zentralsteuergerät verbunden. Sensordaten können damit dynamisch und über das System verteilt verarbeitet und auch an andere Verkehrsteilnehmer kommuniziert werden“, fasst Professor Milos Krstic, Projektkoordinator am IHP, zusammen.

Das verspricht auch Energieeinsparungen, da sich einzelne Komponenten, die gerade nicht gebraucht werden, deaktivieren lassen. Bei dieser Forschung sind Silicon Radar, Sysgo, Cadence, die Universität Lübeck, Infineon, Denso, Audi und Absint mit von der Partie.

Selbstüberwachende Steuersysteme

Wichtig für das autonome Fahren ist außerdem die Sicherheit des Gesamtsystems. Die Beteiligten des Projekts HiBord arbeiten deshalb an speziellen Bordnetztopologien. Statt vollständig redundanter Systeme soll ein intelligenter Verbund aller elektronischer Komponenten eine sehr hohe Zuverlässigkeit und Fehlertoleranz des Bordnetzes gewährleisten.

Das soll durch das dynamische Umleiten von Energieflüssen durch intelligente Schnittstellen, aktive dezentrale Energiespeicher zur kurzzeitigen Spannungsversorgung sicherheitskritischer Komponenten, Fehlerdetektion und Zustandsüberwachung der Kabel und Steckkontakte und der Entwicklung von Software- und Entwicklungswerkzeugen zum Entwurf intelligenter Bordnetzsysteme erreicht werden. Unter der Koordination des Fraunhofer IISB arbeiten hier BMW, das Fraunhofer IZM, Kromberg & Schubert, Bosch, Siemens und Smartcable.

Damit autonomes Fahren wirklich sicher ist, müssen sich die Steuerungssysteme selbst überwachen und das Bordnetz die Energieverteilung garantieren. Deshalb ist es besonders wichtig, das Fehlerverhalten der Komponenten zu ermitteln. Automobilhersteller verlangen, dass die Sensoren autonomer Fahrzeuge über mehrere Millionen Kilometer höchstens einen Fehler verursachen dürfen. Tritt einer solcher auf, beginnen mit neuem Sensor die Testfahrten wieder von vorn.

Mit sogenannten Radarzielsensoren, die ein künstliches Echobild zurückschicken, können die Tests Tag und Nacht im Labor laufen. Allerdings fehlen bisher passende Geräte. „Die wenigen Systeme auf dem Markt liefern lediglich ein reduziertes Bild auf Basis einer einstelligen Anzahl von Reflexionen, echte Szenarien bestehen aus hunderten. Deshalb entwickeln wir den leistungsfähigeren Radarzielsensor ATRIUM (Automobile Testumgebung für Radar-In-the-loop-Untersuchungen und Messungen). Ziel ist es, 300 Reflexionen erzeugen zu können“, erklärt Thomas Dallmann, Projektleiter für ATRIUM am Fraunhofer FHR.

Dank der zunehmenden Zahl an Sensoren wächst auch die zu bearbeitende Datenmenge – mittlerweile ist man im Petabyte-Bereich. Um die Daten zu validieren und sie zum Training bei Maschine und Deep Learning verwenden zu können, sind unzählige Kilometer zu fahren. Doch egal wie lang diese Testfahrten auch sind, es werden nicht unbedingt alle relevanten Ereignisse auftreten. Deshalb erhöht sich der Stellenwert von Simulationen deutlich.

Notfallsystem für Bremsen und Lenkung

Die Systeme autonomer Fahrzeuge müssen außerdem auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren und bei Fehlern oder Beeinträchtigung der Funktion stabil bleiben; auch wenn eine Komponente ausfällt oder die Stromversorgung unterbrochen ist. Redundanz stellt eine Möglichkeit dar, dieser Herausforderung Herr zu werden. Sie ist aber nicht besonders wirtschaftlich.

Auch technisch bereitet sie Probleme, da Bauraum im Auto nicht grenzenlos vorhanden ist. Im Projekt AutoKonf entwickeln Intedis, BMW, das Fraunhofer IZM, Hella, ITK und Leoni ein redundantes, generisches Steuergerät. Fällt das fürs Lenken oder Bremsen zuständige Steuergerät aus, übernimmt es die jeweilige Aufgabe. „Damit das redundante Steuergerät sowohl die Aufgaben der Lenkung als auch der Bremssteuerung übernehmen kann, entwickeln wir Elektroniksysteme und Schnittstellen, mit denen unter anderem die Signalverteilung und Stromversorgung dynamisch geändert werden können“, fasst Projektkoordinator Matthias Korte von Intedis zusammen.

Zurzeit sind die Sicherheitsanforderungen für Automotive-Komponenten bereits deutlich strenger als im Consumer-Bereich. „Je stärker die Sicherheit im Auto von Elektronik abhängt, desto wichtiger wird es, über die bestehenden Vorschriften hinauszugehen in Richtung null Fehler. Dafür bauen wir etwa gewisse Redundanzen in die Komponenten ein“, erklärt Hans Adlkofer, Vice President Automotive Systems bei Infineon.

Zum richtigen autonomen Fahren ist es somit noch ein weiter Weg. Bei BMW ist das nächste Ziel schon definiert: 2021 wird der Vision iNEXT optional über ein SAE-Level-3-System verfügen, für das Fahren auf Autobahnen bis maximal 130 km/h. Zeitgleich startet eine Testflotte Ende 2021, die in definierten urbanen Umfeldern auf Level 4 – also ohne Fahrerintervention – erprobt wird. Autonome Fahrsysteme auf Level 4 und 5 sind momentan meist noch reine Forschungsprojekte.

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  • Simulationen sind für das autonome Fahren sehr wichtig. Radarzielsensoren erzeugen ein künstliches Echobild und ermöglichen somit kontinuierliche Tests. Dafür reichen die bisherigen Geräte nicht aus. Das Atrium-System soll dem nun Abhilfe schaffen.

    Simulationen sind für das autonome Fahren sehr wichtig. Radarzielsensoren erzeugen ein künstliches Echobild und ermöglichen somit kontinuierliche Tests. Dafür reichen die bisherigen Geräte nicht aus. Das Atrium-System soll dem nun Abhilfe schaffen.

    Bild: Fraunhofer FHR

  • Die Fahrzeugstudien der Hersteller schauen stets futuristisch aus. Bis zum vollautonomen Fahren ist es aber noch ein weiter Weg. BMW möchte bis 2021 ein System für Fahrten auf Autobahnen mit maximal 130 km/h mit SAE-Level 3 anbieten.

    Die Fahrzeugstudien der Hersteller schauen stets futuristisch aus. Bis zum vollautonomen Fahren ist es aber noch ein weiter Weg. BMW möchte bis 2021 ein System für Fahrten auf Autobahnen mit maximal 130 km/h mit SAE-Level 3 anbieten.

    Bild: BMW

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