Als Spezialist für Kneten, Brötchen- und Fettbackanlagen konzipierte WP Kemper mit der „Evolution“ eine Anlage, mit der sich die beliebten Frühstücksbrötchen in unterschiedlichen Variationen ohne langwierige Umrüstzeiten herstellen lassen. Den Start der Produktionslinie bildet der Teigteiler, der den Grundteig aus der Knetmaschine zunächst handlich portioniert. Die einzelnen Stücke werden dann von einem Kolben softwaregesteuert in eine Multimesstrommel geschoben. Nach dem Portionieren kommen die Teiglinge in eine Wirktrommel. „Die macht das gleiche wie ein Bäckermeister, wenn er die Teiglinge von Hand rollt“, erklärt Dietmar Berkhan, Konstruktionsleiter bei WP Kemper. Danach landen sie in Trögeln, in denen die Teigrohlinge vor dem Stüpfeln noch gute zehn Minuten Zeit zum Garen bekommen.
Synchroner Formprozess
Nach dem Auskippen aus den Trögeln werden die Teiglinge ausgerichtet, in dem sie gegen eine taktende Sperre laufen. In diesem Bereich wechselt die Anlage dann erneut die Betriebsart von diskontinuierlich auf kontinuierlich. Für die jetzt folgenden Stüpfelwerkzeuge bedeutet dieses Detail, dass sie für den eigentlichen Formprozess synchron der Becherkette folgen müssen. Aufsynchronisieren, synchrones Mitfahren mit anschließender Wendebewegung: Aus dem Blickwinkel der Bewegungssteuerung heraus handelt es sich hier um die klassische Funktion einer fliegenden Säge mit filigran aufeinander abgestimmten Kurvenscheibenfunktionen. Beim Mitfahren kommt jetzt die Stüpfeleinheit zum Einsatz. Weil sie als Zylinder konstruiert ist, kann sie auf ihren Außenseiten bis zu vier verschiedene Werkzeuge aufnehmen. Filialbäckereien können ihren Produkten damit ohne nennenswerte Rüstzeiten unterschiedliche Optiken verleihen. So bekommen Feierabendbrötchen häufig ein kreuzförmiges Muster, Kaiserbrötchen wiederum eine Spirale gestempelt.
Beide Formen haben gemeinsam, dass sich das Stüpfelwerkzeug während der Synchronfahrt sanft in den Teig absenken muss, um die druckempfindliche Ware zu schützen, bei Kaiserbrötchen mit synchroner Drehbewegung. Für die dahinterliegende Bewegungssteuerung kommen in der Anlage von Kemper Servoumrichter aus der Reihe Moviaxis in Kombination mit Synchron-Servogetriebemotoren von SEW-Eurodrive zum Einsatz. Die Bewegungssteuerung läuft in einer Movi-PLC Advanced. Ihre Performance ist auf zentral gerechnete High-End Motion-Control-Anwendungen zugeschnitten. Hierzu zählen vor allem aufwändige Bewegungsfunktionen wie Kurvenscheiben und 3D-Robotikfunktionen mit bis zu acht Freiheitsgraden. Für die notwendige Schnelligkeit sorgt das Echtzeit-Betriebssystem mit hoher Rechenleistung in Verbindung mit Ethercat als Systembus für die angeschlossenen Servoregler. Skalierbar, je nach Performance-Klasse der Movi-PLC-Steuerungen, lassen sich bis zu 32 Achsen mit einer Zykluszeit von 1 ms koordiniert steuern.
Kurven von den Experten
Für die „Evolution“-Reihe von WP Kemper übernahm die Firma Nolte NC-Kurventechnik die Berechnung und Optimierung sämtlicher Kurvenprofile. Die Spezialisten aus Bielefeld lieferten einen Algorithmus zur Berechnung der Kurven mit den kundenspezifischen Formatparametern. Das Ablaufprogramm erkennt automatisch eine Änderung der Formatparameter wie Becherabstand, Synchronweg oder Vertikalhub. Mit diesen neuen Werten werden neue Kurven berechnet und pro Achse in ein zweites Array abgelegt. Zur Laufzeit, also im normalen Produktionsbetrieb, werden daraufhin zu einem günstigen Zeitpunkt die Kurven jeweils zwischen beiden vorhandenen Arrays ruckfrei umgeschaltet. Dies ermöglicht einen unterbrechungsfreien Produktionsprozess.
Schnelle Inbetriebnahme
Während eine gute Engineering-Zusammenarbeit die Zeit für Maschinenentwicklungen senkt, werden parallel dazu auch die Zeiträume immer kürzer, in denen Maschinen umzurüsten oder nach einem Stillstand wieder anzufahren sind. Für den Konstruktionsleiter birgt der Einsatz servomotorischer Einzelachsen dabei gewisse Risiken. Die Frage: Wie lassen sich mehrachskoordinierte Bewegungsabläufe vor allem nach einem unvorhergesehenen Betriebsstillstand wieder im Verbund perfekt und kollisionsfrei hochfahren? Kommt es zum Halt, weil beispielsweise ein Mitarbeiter eine gesicherte Schutztür öffnen muss, bleibt nicht viel Zeit um die Produktion neu zu starten. Der Grund: Die biologischen Prozesse beim Gären lassen sich nicht einfach so stoppen wie eine Maschinenmechanik. „Wenn wir dann erst langwierige Referenzfahrten unternehmen, müssten wir die komplette Anlage anschließend leer fahren. Der Teig wäre dann für eine gleichbleibende Produktqualität nicht mehr zu gebrauchen“, macht Berkhan deutlich. „Weil es keine mechanischen Kopplungen mehr gibt, wird es für uns deshalb immer wichtiger, wie wir betriebssichere Zustände erreichen, bei denen Kollisionen ausgeschlossen sind – vor allem auch bei Überlast.“
Dieser Aspekt macht deutlich, warum das Thema Kollisionsoptimierung auch für die Kurvenspezialisten von Nolte NC-Kurventechnik bei der Auslegung schnell laufender Mechaniken so wichtig ist. Einerseits geht es darum, durch Beschleunigungsoptimierung die Bewegungsabläufe harmonisch und dynamisch zu gestalten und anderseits auch durch Kollisionskontrolle den störungsfreien Betrieb einer Maschine sicherzustellen. Bei der Kollisionsoptimierung wird das Zusammenspiel der einzelnen Bewegungen in der Maschine durch Simulation so optimiert, dass Kollisionen mit einer vorgegebenen Toleranz vermieden werden. Der Motion Controller Movi-PLC Advanced von SEW-Eurodrive ermöglicht, das Bewegungsprogramm ohne Übersetzungsschritte direkt zu verarbeiten.
Einfache Optimierung
Die Baureihe „Evolution“ zeigt die Leistungsstärke offener Automatisierungssysteme in Verbindung mit Software basierter Kurvenscheibentechnik. Weil das Know-how primär in der Bewegungsführung steckt und damit Teil der Programmierung ist, lassen sich die Anlagen im laufenden Betrieb deutlich einfacher optimieren. In der Vergangenheit waren dafür noch Änderungen an den mechanischen Einstellungen notwendig.