Datenerhebung aus dem Weltall Fraunhofer-Technologie verleiht Umweltsatelliten Sehkraft

Doppelspalt-Baugruppe während der Präzisionsmontage in der Koordinatenmessmaschine

Bild: Fraunhofer IMM/Tobias Hang
04.08.2022

Kunststoffteile in Meeren, Chlorophyllgehalt von Gewässern, Dürregrad von Äckern – seit April 2022 umkreist der deutsche Umweltsatellit „EnMAP“ unsere Erde und sammelt zahlreiche Daten während seiner fünfjährigen Mission. Das Fraunhofer IMM sowie das Fraunhofer IOF haben verschiedene Kernkomponenten für das optische System des hyperspektralen Satelliten entwickelt.

Am 1. April 2022 war es soweit: Der deutsche Umweltsatellit „EnMAP“ – kurz für „Environmental Mapping Analysis Program“ – startete vom US-Raumflughafen Cape Canaveral seine Reise ins All. Von dort aus soll er fünf Jahre lang die Erde analysieren und unter anderem Daten zu Klimawandelauswirkungen, der Verfügbarkeit und Qualität von Wasser oder Änderungen der Landnutzung liefern.

Die ersten Daten, die der Satellit zur Erde sandte, stammten vom Bosporus: Analysiert wurde das Frequenzspektrum, das typisch für Algenanreicherungen im Wasser ist. Auf diese Weise wollen Forschende die Algenwanderung und den Algenbesatz untersuchen. Möglich werden solcherlei Analysen unter anderem durch Fraunhofer-Technologie in gleich zweifacher Ausführung.

Herzstück des Satelliten: Ein Doppelspalt aus dem Fraunhofer IMM

Für seine Analysen detektiert der Satellit das Licht der Sonne, das von der Erde reflektiert wird. Allerdings ist der Wellenlängenbereich von 420 bis 2.420 nm, also vom sichtbaren Licht bis ins tiefe Infrarot, zu groß, um ihn mit nur einem Spektrometer aufzunehmen. Hier hilft eine Technologie des Fraunhofer IMM.

„Wir haben einen hochpräzisen Doppelspalt gefertigt, der das einfallende Licht in zwei Detektoren lenkt«, erläutert Stefan Schmitt, Gruppenleiter am Fraunhofer IMM in Mainz. Da die beiden Spalte naturgemäß räumlich ein wenig voneinander entfernt sind, blicken sie nicht auf die gleichen Stellen der Erde. „Es dauert also den Bruchteil einer Sekunde, bis der zweite Spalt dieselbe Stelle der Erde betrachtet wie der erste“, sagt Schmitt. Dieser Versatz muss genauestens bekannt sein, um die Aufnahmen überlagern zu können und die gewünschte Auflösung von 30 m zu erreichen.

Der Schlüssel liegt zum einen in der äußerst präzisen Fertigung des Doppelspalts, was nur mit Siliziumtechnologie möglich ist. „Zwar sind die Techniken, über die wir am Institut verfügen, recht gut geeignet, um diese Anforderungen zu erfüllen, dennoch gab es zahlreiche herausfordernde Details“, erinnert sich Schmitt.

Beispielsweise erwiesen sich die anfangs rechteckigen Spalte mechanisch als nicht stabil genug. Die Forscherinnen und Forscher fertigten daher Spalte mit einem gestuften Querschnitt. „Trotz umfangreicher Simulationen und Analysen unserer Partner mussten wir das Design und weitere Anforderungen während der laufenden Prozessphase ändern. Solche Dinge passieren gelegentlich, wenn man Neuland betritt, aber wir sind darauf vorbereitet“, sagt Schmitt.

Auch weitere Komponenten der Baugruppe – etwa zur Lichtumlenkung oder zur Unterdrückung von Streulicht – mussten die Forschenden mit höchster Präzision aus weltraumgerechten Materialien wie Aluminium, Edelstahl, Nickel und Invar fertigen, deren Eigenschaften präzise vermessen und dokumentiert wurden. Trickreich war zudem der Zusammenbau der Baugruppe mit dem Doppelspalt. „Die Toleranzen waren kleiner als fünf Mikrometer, also kleiner als ein Zehntel eines Haars“, erläutert Schmitt.

Leicht und präzise: Metallspiegel aus dem Fraunhofer IOF

Auch das Fraunhofer IOF brachte seine Expertise in den Satelliten ein: Als einer der besten Metalloptik-Entwickler der Welt wurden alle Metallspiegel der EnMAP-Optik am IOF hergestellt. „Für Weltraumanwendungen müssen die Spiegel nicht nur eine extrem glatte Oberfläche aufweisen und äußerst präzise geformt sein, sondern auch ein möglichst geringes Gewicht aufweisen“, sagt Dr. Stefan Risse, Projektleiter am Fraunhofer IOF in Jena.

„Dabei konnten wir die Anforderungen sogar übertreffen: Statt der geforderten Rauheit von 1 nm RMS (Root Mean Square) weisen unsere Metallspiegel, im Weißlicht gemessen, eine Rauigkeit von weniger als 0,5 nm RMS auf. Auch die zulässige Formabweichung konnten wir nicht nur auf 18 nm RMS, sondern zum Teil sogar auf unter 10 nm RMS genau einhalten.“ Dazu nutzten die Forscherinnen und Forscher Aluminium, auf das sie eine röntgenamorphe Metalllegierung aus Nickel und Phosphor abschieden. Diese Dickschicht hat strukturell ähnliche Eigenschaften wie Glas und lässt sich mit Diamantwerkzeugen sehr gut bearbeiten und brillant polieren. Was die finale Form der Metallspiegel angeht, so stellte das Forscherteam diese durch Korrekturverfahren wie das Ionenstrahlpolieren ein.

Ein weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal der Spiegel neben der geringen Oberflächenrauigkeit ist ihr Leichtgewicht. Auch hier punktete das Verfahren des Fraunhofer IOF. „Wir konnten die Masse über ein von uns patentiertes Verfahren um mehr als 40 Prozent reduzieren – mittlerweile sind durch den Einsatz von additiven Verfahren bereits bis zu 70 Prozent Einsparung möglich“, sagt Risse.

Das gelang dem Team, indem es die Struktur des Spiegels wie ein Kapitell in einer Kirche anlegte: Kreuzungsbohrungen, die orthogonal aufeinandertreffen, verbinden die Vorder- und Rückseite des Spiegels, die entstehende Säulenstruktur stützt die Flächen. Vorder- und Rückseite des Spiegels sind geschlossen, was dem Element eine große mechanische Steifigkeit verleiht. Insgesamt stellte das Team elf ultrapräzise Metallspiegel inklusive hochreflektiver Silber- und Goldschichten für „EnMAP“ her und vergütete zudem die Glasoptiken, wobei auf das Glas eine dünne Schicht mit geringerer Brechkraft aufgebracht wurde.

Verwandte Artikel