Infrastruktur für die Digitalisierung „IIoT gelingt nur mit Innovationen“

HARTING Technologiegruppe

Ralf Klein, Geschäftsführer bei Harting Electronics, erklärt, dass es Innovationen braucht um das IIoT weiter voranzubringen.

Bild: Harting
24.08.2021

Innovationen spielen eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur erfolgreichen Digitalisierung. Was es braucht, um von der Idee zur innovativen Lösung zu gelangen, hat uns Ralf Klein, Geschäftsführer von Harting Electronics, im Interview verraten.

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Herr Klein, wie wichtig sind Innovationen für die Entwicklung des IIoT?

Dazu muss man sich als erstes vor Augen führen, was eine Innovation ausmacht. Eine gute Idee oder geniale Erfindung alleine machen noch lange keine Innovation aus. Sie muss erfolgreich sein. Als erfolgreich kann man eine Erfindung bezeichnen, wenn sie sich gut verkauft, ein drängendes Problem löst oder vielen Menschen die tägliche Arbeit erleichtert. Meist hängt hier der Verkauf mit den anderen beiden Punkten zusammen. Wenn Erfindungen in der Vergangenheit zu einem Kassenschlager wurden, haben meist drei Punkte eine wichtige Rolle gespielt: Innovation, Leidenschaft und Zeitgeist. Innovative und vor allem revolutionäre Wege ein Problem auf ganz neue Art und Weise zu lösen, hat die Menschen schon immer fasziniert. Dann ist da noch die Leidenschaft. Eine bloße Idee wird nicht zwangsläufig zum Erfolg. Man muss für sie brennen, an sie glauben und darf sie nicht leichtfertig aufgeben, sobald Hindernisse am Horizont auftauchen. Und dann muss man ein Gespür für den richtigen Moment haben. Denn nichts ist enttäuschender als eine gute Erfindung, die ihrer Zeit hinterherhinkt oder gar Jahrhunderte voraus ist. Sie trifft schlichtweg nicht die Probleme und den Zeitgeist der Menschen im Hier und Jetzt. Man denke an Leonardo da Vincis Zeichnungen von Fluggeräten. Visionär, aber ihrer Zeit einfach zu weit voraus.

Sehen Sie diese Gefahren auch für aktuelle Entwicklungen?

Die gleiche Gefahr besteht auch für Innovationen rund um die Themen IoT und IIoT. Visionäre Ideen gibt es zahlreich, aber die Menschen müssen auch bereit dafür sein und diese annehmen. Sie müssen den Mehrwert der Idee verstehen und nutzen wollen. Ein Großteil der Menschen kann sich heute ein Leben ohne Internet, mobile Devices und intelligente Autos bald kaum noch vorstellen. Das Internet der Dinge umfasst jedoch noch viel mehr. Wann ist es soweit, dass mein Auto seinen Werkstatttermin selbst bucht, weil es notwendig ist? Wann schickt einen die Smartwatch zum Arzt, weil eine Parameterauswertung ergeben hat, dass meinem Körper etwas fehlt? Wann bucht mir das Smartphone einen Urlaub, von dem eine App weiß, dass ich ihn am nächsten Tag ins Auge fasse? Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Und das sind nur einige Dinge des täglichen Lebens. In der Industrie wird das Thema zwar gezielt vorangetrieben, aber auch hier ist IIoT für viele Mitglieder einer konservativen Branche noch unscharfe Zukunftsmusik. Daher ist es genau jetzt besonders wichtig, Lösungen zu schaffen, die die Probleme und Herausforderungen der Branche durch bessere Datenerhebung, Datenauswertung und Vernetzung bewältigen. Lösungen, die einen echten Mehrwert bieten, eine Erleichterung der Arbeit darstellen oder bisher unlösbare Probleme bewältigen. Der Nutzen muss erkennbar sein, dann springen die Menschen von selbst auf die neue Technologie auf.

Sind es eher die lange geplanten Weiterentwicklungen bewährter Systeme die zum Erfolg führen oder eher komplett neue Lösungsansätze?

Die gesunde Mischung macht es. Und die Unternehmensgröße. Ein Start-up kann mit einer einzigen Erfindung erfolgreich sein und dann wachsen. Ein Unternehmen wie Harting lebt sowohl von durchgängigen, etablierten Lösungen, wie auch von der ständigen Weiterentwicklung. Beständigkeit und Innovation sind gleichermaßen wichtig für unsere Kunden. Nur mit neuen Lösungen wie Single Pair Ethernet zum Beispiel, helfen wir unseren Kunden dabei, die Barrieren der Automatisierungspyramide abzubauen und das Potenzial von IIoT zu entfalten.

Welche Innovation der Harting Technologiegruppe hat Ihrer Meinung nach die größte Auswirkung auf die Entwicklung des IIoT?

Das IIoT ist ein Geflecht aus unzähligen Teilnehmern und Geräten die wiederum aus noch mehr gut durchdachten Komponenten bestehen. Insgesamt kann man aber wohl sagen, dass modulare Ansätze eine wichtige Rolle einnehmen werden. Zweiter noch wichtigerer Punkt ist die Kommunikation via Ethernet. Ethernet-Netzwerke haben ihren Anteil an industriellen Kommunikationsnetzwerken etwas mehr als verdoppelt. Trend weiter steigend. Die Entwicklung der passenden Dateninfrastruktur spielt bei der Umsetzung der Digitalisierung eine Schlüsselrolle. Um ein paar dieser Entwicklungen zu nennen, muss man sicherlich Single Pair Ethernet (SPE) erwähnen. Sprich Ethernet über nur noch ein Paar verdrillter Kupferadern, mit dem es endlich kostentechnisch und aus Platzgründen möglich wird, die Feldebene vollständig an Ethernet-Netzwerke anzuschließen und zu digitalisieren. Single Pair Ethernet hat das Potenzial, die Automatisierungspyramide neu zu definieren. Harting hat für diesen Schritt mit der T1 Industrial Schnittstelle das notwendige Steckgesicht definiert und in allen relevanten internationalen Normen als Standard für die Automatisierung gesetzt. Anwender bekommen ein einheitliches Datenprotokoll bis in die Feldebene, der Aufwand für Einrichtung und Parametrierung sinkt dramatisch. Ein weiterer Meilenstein der zu nennen ist, ist unsere har-modular Lösung. Ein modulares Baukastensystem für PCB-Steckverbinder, welches weltweit das erste seiner Art ist. Geräteentwickler können sich mit unserem Onlinekonfigurator ab Stückzahl 1 einen individuellen Steckverbinder für ihr Gerät zusammenstellen. Bei über einer Billionen Kombinationsmöglichkeiten, bleibt kein Wunsch offen. Damit nehmen wir Entwicklern das Kataloge wälzen auf der Suche nach der passenden Schnittstelle ab und beschleunigen den Entwicklungsprozess. Beides echte Innovationen. Dass zeigen auch die Innovationspreise, die unsere Lösungen ausgezeichnet haben. Beide Lösungen haben bereits den German Innovation Award erhalten.

Welche Aspekte zukünftiger Infrastruktur für die Digitalisierung bewegt Sie denn persönlich am meisten?

Charles Darwin hat angeblich mal gesagt: „Nichts ist beständiger als der Wandel.“ Ein sehr passendes Zitat für die Entwicklungen in der Datenverarbeitung. Und genau das finde ich spannend an der Automation und der Digitalisierung. IT und klassische industrielle Produktionswelten wachsen zusammen, bilden Synergien und entwickeln völlig neue Perspektiven und Möglichkeiten. Damit hätte vor nicht allzu langer Zeit niemand gerechnet. Für mich persönlich ist es immer wieder Aufgabe und interessante Herausforderung zugleich, diese Veränderungen frühzeitig zu erkennen, Megatrends zu identifizieren und diese in standardisierte Lösungen umzusetzen. Mein Ziel ist erreicht, wenn ich nach einem Arbeitstag sicher weiß, dass wir heute schon die Antworten und Lösungen auf die Probleme unserer Kunden von morgen haben.

Der Weg von einer Idee bis zur Umsetzung in eine funktionierende IoT-Lösung ist oft mühsam. Wie geht Harting prinzipiell dabei vor?

Aus unserer Sicht ist eine funktionierende IIoT-Lösung ein neues Konzept für die Anbindung der industriellen Lebensadern. Meist denkt man hier direkt an die Anbindung von Ethernet. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen von IIoT sind das steigende Datenraten und mehr Bereiche in denen Ethernet als Medium genutzt wird. Gleichzeitig sind es Ausprägungen wie die Miniaturisierung von Geräten. Eine IIoT-Lösung muss also kleiner sein, trotzdem robust und vor allem muss sie ein Problem lösen beziehungsweise einen Kundenbedarf bedienen. Ein typisches Beispiel ist hier wieder Single Pair Ethernet. Hier haben wir als führender Hersteller im Markt das Potenzial für die Automatisierungsbranche erkannt und sind in die Entwicklung gegangen.

Welche Rolle spielt dabei der Trial-and-Error-Gedanke?

Natürlich zeigt sich erst nach Markteinführung, ob man vorher zielgenau auf die Kundenbedürfnisse entwickelt hat. Da wir aber schon immer sehr eng mit unseren Kunden im Austausch stehen, sind auch die Ansprüche und mögliche zukünftige Bedarfe bekannt. Haben wir proaktiv Ideen aus unserer Entwicklung, gehen wir auch wieder in den Austausch und klären das Potenzial ab. Es beruht also nichts auf dem Prinzip Zufall.

Innovative Ideen brauchen Freiraum und Zeit. Wie fördern Sie das kreative Denken bei Harting?

Für kreative Lösungen und den Freiraum für neue Ansätze, sind die Bereiche bestehender und neuer Produkte getrennt und werden dementsprechend anders behandelt. Teams, die neue Lösungen entwickeln, bekommen einen höheren Anteil an freier Zeit für das Durchspielen von Ideen, deren Prüfung und so weiter. Darüber hinaus gibt es bei Harting auch separate kleine Teams, die sich mit kundenspezifischen Lösungen befassen. Wenn sich eine solche spezifische Lösung bewährt hat und für den breiten Markt nützlich war, ist aus einer solchen Entwicklung auch ein Serienprodukt entstanden.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Kreativitäts- und Innovationskiller in einem Unternehmen?

Sie haben es eben schon mehr oder weniger mit der Frage angedeutet. Kreativität braucht Zeit. Kreativität braucht Ruhe. Kreativität braucht die Möglichkeit, ein Problem oder eine Herausforderung von außen auch mal aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu können. So etwas funktioniert nicht auf Kommando. Vielleicht kommt die zündende Idee beim Frühstück, in der Mittagspause mit Kollegen oder auf dem Heimweg aus dem Büro. Kreativitätskiller sind hier ganz klar hektische Tagesabläufe und permanente Störungen durch alltägliche Aufgaben. Oder durch eine Erwartungshaltung die eine zündende Idee quasi auf Kommando fordert. Hier muss man aus Managementsicht natürlich ergebnisorientiert unterwegs sein, aber seinen Mitarbeitern auch die Freiheit lassen, sich einem Problem nähern zu können.

Wo holen Sie sich persönlich die Inspirationen für neue Ideen?

Im Austausch mit Menschen. Das Gespräch bei einer Tasse dampfendem Kaffee mit kreativen Köpfen im eigenen Unternehmen oder bei einem Besuch bei Partnern und Kunden. Wie gesagt, gute Ideen entstehen oft nicht auf Druck, sondern wenn man sich den Freiraum gibt.

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