„Ich habe in den letzten Jahren einige Leute im Vertrieb und auch in meiner Abteilung reichlich verunsichert. Ganz eindeutig.“ Dennis Kräft ist seit drei Jahren Leiter des Produktmanagements der Business Unit Device Connectors bei Weidmüller. Er und sein Team arbeiten wie die meisten der 4.600 Mitarbeiter des weltweit agierenden Experten für Verbindungstechnik in der Zentrale in Detmold. „Wir Produktmanager gelten als das strategische Herz des mittelständischen Unternehmens“, so der 35-jährige Kräft.
Als „ganz normaler Produktsupporter“ hat Kräft direkt nach dem Maschinenbau-Studium an der Fachhochschule bei dem mittelständischen Unternehmen in Familienbesitz begonnen. Heute leitet er das Produktmanagement einer Business Unit. Seine Aufgabe hier ist es, die Unternehmensstrategie umzusetzen. Das heißt unter anderem, applikationsorientiertes statt produktorientiertes Denken ins Unternehmen zu bringen und dies dem Kunden in Form von Lösungen und Services nahe zu bringen. Hier sieht Kräft auch seine größten Erfolge. Als erstes Unternehmen, so berichtet er, habe die Business Unit auf der Electronica im November 2014 den Onlineauftritt nach völlig verändertem, neuem Muster gelauncht.
Applikationen im Fokus
Das Resultat ist der so genannte AppGuide. Das Motto dabei: „Applikationsorientierte und passgenaue Produktempfehlung statt langwieriger Produktsuche.“ Der Entwickler kann zwischen unterschiedlichen Applikationen wählen und bekommt für jeden Funktionsbereich des Gerätes die am besten geeigneten Anschlusslösungen empfohlen. So soll sichergestellt werden, dass für jeden Funktionsbereich eines Gerätes passgenaue Komponenten zum Einsatz kommen, welche die Anforderungen an Handling, Baugröße, Sicherheit, Verarbeitungskosten und Normkonformität optimal abdecken. Dann kann das empfohlene Produkt kostenlos als Muster bestellt werden.
Die Vorarbeiten, der Entscheidungsbaum, all das wurde von Kräfts Team erarbeitet. „Dazu mussten wir erst einmal lernen, die Applikationen und deren detaillierte Anforderungen aufzuschlüsseln“, so Kräft. Mehrere Jahre dauerte dieser Know-how-Aufbau. Den Kunden verstehen, vom Kunden lernen, seinen Schmerz zu kennen, das sei der Kern guten Produktmanagements, so der junge Business-Unit-Leiter. Dabei gibt sich Kräft mitnichten als Draufgänger. Im Gegenteil, behauptet er: Was er aus heutiger Sicht viel früher hätte machen müssen, ist die klare Fokussierung auf drei der sechs verfügbaren Anschlussarten. Wenn drei Anschlussarten ohnehin nahezu alle Fälle abdecken – wo soll dann der Markt sein für den Rest? Aber irgendwie sei das eben deutsches Ingenieursdenken – am Besten „Gürtel plus Hosenträger“, schmunzelt er, für alles gewappnet sein. Ganz anders – so durfte er inzwischen lernen – als beispielsweise auf dem chinesischen Markt, wo es in erster Linie um pragmatische und schnelle Lösungen geht. Man versucht zu planen, langfristig alle Möglichkeiten abzuschätzen – und immer einen Plan B im Rücken zu haben.
Dabei lief doch schon seine Karriere ganz anders als geplant – auch wenn, so gibt er zu, es auch hier zumindest immer einen Plan B gab. Vom Studium an sei er eigentlich als Entwicklungsingenieur ausgebildet worden, erzählt er. Auf eine andere Idee sei er als FH-Maschinenbau-Student und – nach eigenen Aussagen – zuvor mittelmäßiger Schüler gar nicht gekommen. Schon dass er überhaupt ein Studium begonnen habe, sei dem Nachdruck seiner Eltern und der Bundeswehrzeit zu verdanken: Die Hierarchien dort, und dass sehr junge Leute dort zum Teil durch Fleiß schon hoch aufgestiegen waren, das habe ihn dann doch zum Nachdenken gebracht. Dann also Technik, wie sein Vater, der einer von vielen Werkzeugmachern in der Familie war. Wohingegen sein Zwillingsbruder als Architekt eine andere Abzweigung nahm. Auch seine Diplomarbeit bei dem Unternehmen Weidmüller, das er durch eine Firmenführung kennen lernte, hatte mit dem Thema „Strukturmechanische Analysen auf Basis von FEM (Finite Elemente Methode)“ eine sehr starke technische Ausrichtung.
Sehr kommunikationsstark
Bei Weidmüller tingelte er mit dieser Arbeit den im Unternehmen üblichen Weg durch die Abteilungen. Bis ihn dann eine Personalerin „entdeckte“, die ihn als extrem kommunikationsstark einschätzte. Sie habe ihn ans Produktmanagement empfohlen. Er gesteht, so genau habe er damals zunächst gar nicht gewusst, was ihn dort erwarten könnte. Dann folgten zahlreiche interne Fortbildungen: Thema Management aber auch und vor allem Analysetools als Grundlage für strategische Entscheidungen. Später dann mehr und mehr Personalführung.
Wobei, so betont Dennis Kräft, bei vielem sei der Alltag die beste aller Schulen. Besonders erwähnt er hier seine beiden bisherigen Chefs, die beide sehr analyse- und entscheidungsstark gewesen seien – und dabei, so Kräft, „in ihrer Herangehensweise so verschieden wie zwei erfolgreiche Manager nur sein können.“
Der eine war extrem kreativ, mit vielen oft sehr unkonventionellen Ideen und Herangehensweisen. Der andere agierte meist nach klar definierter Vorgehensweise und hatte immer das Ziel im Blick. „Beides kennen und schätzen gelernt zu haben, zusammen mit guten und gezielten Weiterbildungen, gibt einem selbst eine wunderbare Freiheit und Bandbreite in der Herangehensweise an neue strategische Themen.“
Und der Plan B? Der entstand in der Werkstatt in der heimischen Garage der kleinen Familie Kräft, bestehend aus ihm, seiner Frau und seit Kurzem dem Baby. So hat er hier eine Lösung für folgendes Problem entwickelt: Für seine Oma war es gerade in heißen Sommern ziemlich aufwändig und mühsam die Familiengräber zu gießen. Er tüftelte an einer Lösung hierfür und leitete auch einen generellen Marktbedarf dafür ab. Und so erwarb Dennis Kräft während der Wirtschaftskrise 2009 einen Gebrauchsmusterschutz auf sein Bewässerungssystem für Gräber und Beete. Plan B war, sich damit nebenher selbständig zu machen, hätte die Wirtschaft damals nicht schnell wieder angezogen.
„Gut dass es anders gekommen ist“, so Kräft, „und dass Weidmüller mich danach wieder mehr denn je ausgelastet hat.“ Es sei schön, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem sein Team und er unter anderem für die Komplexitätsreduktion zuständig sind, aber niemals auf Biegen und Brechen. „In einem Umfeld, in dem die mittelfristige Ausrichtung zählt und nicht nur der Quartalsbericht, behalten die Strategie, der Mensch und seine jeweiligen Fähigkeiten ihren ganz besonderen Stellenwert.“
Dies gefällt ihm ganz besonders, da er immer wieder die Herausforderung sucht – beruflich wie privat: Vor fünf Jahren der Jagdschein, nun ist der Segelschein im Visier. Sich weiter zu entwickeln ist für ihn wichtig. „Ich lese auch viele Fachbücher in der Freizeit.“ Weniger technische, eher mehr Businessthemen oder Bücher zu besagten Hobbys – und parallel dazu meist einen historischen Roman. Von Fernsehen und elektronischen Gadgets dagegen hält er wenig – außer sie nutzen wirklich etwas, so wie GPS fürs Navigationssystem und die Staumeldungen. Womit wir wieder beim lösungsorientierten Denken als Persönlichkeitsstruktur wären.