Das Thema Standardisierung gilt schon seit einiger Zeit als eine der größten Herausforderung bei der Umsetzung von Industrie-4.0-Maßnahmen. Vor allem hinsichtlich Maschinenkommunikation herrscht hier ein wildes Konglomerat an Kommunikationsprotokollen und Treibern. Anlagenspezifische Individuallösungen stehen an der Tagesordnung. Mit Cronetwork MES will der Softwareanbieter Industrie Informatik diesen Kreis nun durchbrechen und setzt mit einem integrierten OPC-UA-Server auf Standardkommunikation im maschinellen Umfeld.
Kosten für Software-Engineering reduzieren
„OPC UA ist ein Framework für industrielle Interoperabilität. Das bedeutet, dass man damit standardisiert Daten und deren Bedeutung – also Informationen – über Schnittstellen austauschen kann“, erklärt Stefan Hoppe, globaler Vizepräsident der OPC Foundation, die Technologie. Sie erlaubt Maschinen, Geräte, Dienste und deren Interaktion zu beschreiben. Letztlich reduziert OPC UA damit auch die Kosten für Software-Engineering.
„Aktuell drängen Betreiber wie Volkswagen, Miele und andere auf eine verbindliche Einführung“, ergänzt Hoppe. Damit erhöht sich der Druck für eine flächendeckende Adaption des Standards. Ein weiterer großer Vorteil ist auch die deutlich verbesserte Security: OPC UA wurde unter dem Aspekt Security by Design entwickelt. Das ist auch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bestätigt worden. „Maschinenbauer haben eben spezielles Kernwissen in ihrer Domäne – häufig aber nicht in der IT-Sicherheit. Einen transparenten Standard zu nehmen, der validiert wurde und Konsens ist, macht also Sinn.“
Daten umfassend verfügbar machen
Thomas Krainz, Mitglied der Geschäftsleitung beim MES-Anbieter Industrie Informatik und verantwortlich für den Bereich strategisches Produktmanagement, setzt daher auf einen integrierten OPC-UA-Server und erklärt den neuen Ansatz: „Stand bei der Nutzung der OPC-Technologie bisher der einseitige Datentransfer von der Maschine in die IT im Fokus, so gehen wir mit der MES-Lösung Cronetwork einen Schritt weiter. Mittels integriertem OPC-UA-Server wird die Weitergabe der Daten an die verschiedensten Empfänger möglich.“ Daten und Informationen können dadurch in den Shopfloor zurückgeliefert werden. Ziel dabei ist nicht die Übernahme der Maschinensteuerung, sondern vielmehr die umfassende Datenerfassung inklusive der Maschinen- und Betriebsdaten und die anschließende Weitergabe unter Einhaltung des OPC-Kommunikationsstandards – und zwar an die verschiedensten Empfänger entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die möglichen Einsatzgebiete und –szenarien sind dementsprechend vielseitig.
Die einheitliche Nutzung des OPC-UA-Standards bringt Vorteile für alle Beteiligten mit sich, wie Krainz hinzufügt: „Als IT-Unternehmen haben wir eine leichtere Kommunikation in den Projekten, die Effizienz steigt zudem. Automatisierer und Steuerungsspezialisten können sich in Zukunft in den Projekten auch um andere Dinge kümmern und müssen nicht immer an individuellen Schnittstellen arbeiten.“ Insbesondere für Maschinenbauer wird der Datenzugang bei unterschiedlichen Systeme und Dienstleistern leichter. Dadurch können künftig weitere Zusatzservices und Dienstleistungen zu den Maschinen entstehen. „Es entstehen neue Services um die Standards herum – und das nicht nur aus Sicht eines MES-Anbieters“, bekräftigt Krainz. Der leichtere Datenzugriff vereinfacht außerdem die Kommunikation und Integration neuer Lösungen. Auf Kundenseite ergeben sich daraus Zeit- und Kostenersparnisse bei der Implementierung und im laufenden Betrieb.
Security, Safety und Investitionssicherheit
Bei all den Bestrebungen rund um OPC UA ergeben sich natürlich auch Fragen nach Aspekten wie Security, Safety oder Investitionssicherheit. „OPC UA hat eingebaute Security-Mechanismen auf verschiedenen Ebenen wie dem Transport, dem Informationszugriff und der Applikation, was natürlich auch einen positiven Einfluss auf das Thema IT-Sicherheit hat“, sagt Hoppe. Kürzlich wurde bei der OPC Foundation auch eine eigene Gruppe ins Leben gerufen, die sich intensiv mit funktioneller Sicherheit beschäftigt. Zugleich ist die Investitionssicherheit bei dieser Technologie sehr hoch. „Da OPC UA ein Framework ist – also weit mehr als nur ein Protokoll – können weitere Protokolle für die Zukunft ergänzt werden“, macht Hoppe deutlich. Der eigentliche Wert der standardisierten Daten- und Schnittstellen bleibt dabei bestehen. Die Investitionssicherheit ist für Krainz ebenfalls ein wesentlicher Punkt: „Die Unabhängigkeit von speziellen Lieferanten und Anbietern wird durch die neuen Standards gewährleistet. Im CRM-Bereich können dadurch ganz neue Geschäftsmodelle entstehen.“
Ohne Standards sind früher viele Projekte bereits in der Ideenphase versandet sind, insbesondere aus Kostengründen. „Heute können wir jedoch unsere MES-Lösung ordentlich weiterentwickeln, weil wir mit OPC UA einen leichteren Zugang zu Maschinen und den damit verbundenen Daten haben“, berichtet Thomas Krainz.
OPC UA für Embedded Devices
OPC UA entwickelt sich nach wie vor weiter: Im Frühjahr hat die OPC Foundation die OPC-UA-PubSub-Spezifikation veröffentlicht. Diese erweitert den bisherigen Einsatzbereich einer 1:1-bestätigten Kommunikation mit einem unbestätigten Broadcast-Ansatz. „PubSub ermöglicht die Übernahme von OPC UA in kleinste eingebettete Geräte, welche eine optimierte Kommunikation mit geringer Leistung und geringer Latenz in lokalen Netzwerken erfordern“, erläutert Stefan Hoppe. Auf der anderen Seite ermöglicht die PubSub-Umsetzung per MQTT (Message Queue Telemetry Transport) auch die Verwendung von OPC UA in hochskalierbaren und cloudbasierten Anwendungen. Dort kann eine praktisch unbegrenzte Anzahl von Edge-Datenquellen – wie etwa Sensoren – Daten sicher an internet-basierte Broker-Anwendungen über öffentliche Wide Area Networks (WANs) liefern.
Adaption in Europa am weitesten fortgeschritten
Nach Ansicht von Experten hat der Industrie-4.0-Standort Deutschland speziell und Europa allgemein im internationalen Vergleich die Nase vorn, was Akzeptanz und Nutzung von OPC UA betrifft. „Ich sehe die Adaption in Europa am weitesten fortgeschritten, die Industrie-4.0-Initiative hat einen riesigen Schub gegeben. Der VDMA hat frühzeitig erkannt, dass die standardisierte Beschreibung der Daten und Schnittstellen und deren Bedeutung das Wichtigste für die Umsetzung von Industrie 4.0 und dem Industrial Internet of Things sind“, meint Hoppe.
So entstehen beim VDMA derzeit in 15 verschiedenen Fachgruppen von Mitgliedsfirmen sogenannte OPC-UA-Companion-Spezifikationen – unter anderem in den Bereichen Robotik, Spritzgießmaschinen und intelligente Kameras. Aufgabe der Fachgruppen ist es, eine Definition standardisierter Daten und Schnittstellen zu erstellen. Der VDMA koordiniert diese Gruppen untereinander, um Überlappungen zu vermeiden. Auch Thomas Krainz sieht diese Vorreiterrolle: „Speziell im DACH-Bereich wird die OPC-UA-Technologie stark forciert und hat sich etabliert. Diese drei Länder sind geprägt von Standardisierung und laufender Optimierung.“ Die ins Leben gerufenen Initiativen rund um Industrie 4.0 durch die Politik unterstreichen die Relevanz von OPC UA weiter.
Aufgabenverteilung durch OPC UA-Standard nicht gefährdet
Für Krainz sind gerade die VDMA-Bestrebungen sehr positiv anzusehen, weil hier auch die Maschinenbauer eingebunden werden. Grundsätzlich sind sämtliche Bestrebungen der Verbände sehr positiv erwähnenswert. Gleichzeitig warnt er aber vor zu stark zunehmender Komplexität: „Die Technik für Maschinenbauer sollte man nicht zu weit aufblasen.“ Hier gebe es schon Klagen, dass der OPC UA-Standard immer mehr könne und man auf Maschinenbauerseite nicht mehr ganz den IT-Entwicklungen folgen könne. „Man muss daher aufpassen, dass die Komplexität nicht noch mehr zunimmt und lösbar bleibt. Andernfalls würde der Standard dann recht früh scheitern.“
Die Aufgabenverteilung unter den Nutzern des OPC-UA-Standards sieht Krainz aber nicht gefährdet: „Die Kernkompetenzen von Maschinenbauern liegen bei Mechatronik-Themen zwar näher in unserer Richtung, aber aus einem Maschinenbauer wird deswegen trotzdem noch kein IT-Unternehmen.“ Zukäufe seien zu beobachten, das bedeute jedoch noch nicht, dass man auch Erfahrung und Know-how mitkaufe. „Das Ganze ist eine Frage von Kernkompetenzen, welche sich nicht von heute auf morgen zwischen Hard- und Software beliebig hin- und herschieben lassen“, ist Krainz überzeugt.