Zwei Schornsteine ragen gen Himmel. Industriegebäude, unterschiedlich hoch, soweit das Auge reicht. Die meisten in grau und rotbraun gehalten, mit grauen Flachdächern. Der Ausblick aus dem Fenster des Zimmers 417 in der vierten Etage des Verwaltungsgebäudes von Infraserv Knapsack ist einer, der nicht jeden begeistert. Ein Fabrikgelände halt. Für Gordana Hofmann-Jovic ist der tägliche Blick auf den Chemieparkteil Knapsack in Hürth hingegen mit positiven Erinnerungen verbunden. Erinnerungen, an ihr erstes großes Projekt, an dem sie als Ingenieurin mitgewirkt hat.
13 Jahre ist das her. Damals ging es darum, eine Flammschutzmittel-Anlage zu entwickeln – vom Labor bis zur fertigen Anlage. Gordana Hofmann-Jovic gehörte mit zum Team, was sie noch heute mit Stolz erfüllt. Immerhin hatte sie erst zwei Jahre zuvor ihr Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen beendet. Und war somit noch „ein Frischling von der Uni", wie sie heute über sich zurückblickend sagt.
Die studierte Maschinenbauerin mit der Vertiefungsrichtung Verfahrenstechnik war im Rahmen des Projekts unter anderem zuständig für die Erstellung der Massenbilanz. Was geht in die Anlage rein, wie werden Komponenten abgetrennt, was für Abfallprodukte fallen an? Für diese und ähnliche Fragen musste Gordana Hofmann-Jovic Antworten finden. Sie durfte bei den Laborversuchen mitreden und später auch mitbestimmen, wie die Anlage aussehen bzw. umgestaltet werden soll. Sie übernahm Verantwortung für die Spezifikation von drei wichtigen Package Units für die Trocknung, Filtration und Kristallisation und führte zusammen mit dem kundenseitigen Einkauf technische Verhandlungen mit den Lieferanten. Drei Jahre später ging die Anlage in Betrieb – und noch heute sagt die 43-Jährige: „Das Projekt hat mich geprägt.“
Mit dieser Flammschutzmittelanlage legte Gordana Hofmann-Jovic den Meilenstein für ihre Karriere bei Infraserv Knapsack. Seit April 2013 arbeitet sie als Geschäftssegmentleiterin für die Prozess- und Verfahrenstechnik und trägt die Verantwortung für 20 Mitarbeiter. Mithilfe ihrer Teamleiter hält sie den Überblick über die laufenden Projekte der ihr zugeteilten Teams. Sie prüft die Ressourcenplanung und berät mit den Teamleitern, welche Mitarbeiter in einzelnen Projekten und bei bestimmten Kunden eingesetzt werden sollen.
In den nächsten Jahren steht für ihren Bereich noch stärker die Anlagenoptimierung auf dem Plan. In den letzten Jahren hat das Engineering zum Beispiel verstärkt Mehrproduktanlagen geplant und optimiert. Durch den Einsatz des Tools Aspen Batch Process Developer kann das Unternehmen nun das Optimierungspotenzial der Batchanlagen für Kunden genauer und schneller bewerten. Diese Optimierungen können von verschiedener Art sein: Ein Vorlagetank oder eine Zentrifuge müssen beispielsweise vergrößert werden, damit der Kunde künftig mehr produzieren kann. Dabei ist es für den Betrieb immer wichtig, genau zu bestimmen, um wie viel Prozent die Produktion erhöht werden kann und wo der mögliche nächste Engpass ist. Gemeinsam mit Aspen veranstaltet Gordana Hofmann-Jovic mit ihren Mitarbeitern auch ein Webinar zu diesem Thema, um Erfahrungen auszutauschen.
Berufliche Doppelbelastung
Fachprojekte betreut Gordana Hofmann-Jovic als Geschäftssegmentleiterin selbst aber nun nicht mehr. Es sind die internen Projekte, an denen die gebürtige Bosnierin beteiligt ist. Erst im letzten Jahr hat sie an einer Analyse zur Kundenzufriedenheit auf Grundlage einer Kundenbefragung mitgewirkt. Sie hat auf dieser Grundlage Maßnahmen zur Verbesserung erarbeitet. Derzeit steckt sie unter anderem mit einem Teamleiter in der Organisation eines Erfahrungsaustausches zwischen Betreibern, Planern und Wissenschaftlern. Im Mittelpunkt steht dabei das Thema Energieeffizienz. Es müssen Referenten mit interessanten Vorträgen gewonnen und Kunden eingeladen werden. Eine enge Zusammenarbeit mit Vertrieb und Marketing gehört ebenfalls dazu. Für Gordana Hofmann-Jovic ist dies allerdings nichts Neues: Schon im letzten Jahr hat sie ein Symposium gemeinsam mit einem Softwarehersteller zu dem Thema „Optimierung von verfahrenstechnischen Anlagen" organisiert, das zum dritten Mal in Knapsack erfolgreich stattgefunden hat.
Damit nicht genug: Gordana Hofmann-Jovic ist kommissarisch derzeit noch als Teamleiterin für das Team Prozessentwicklung tätig. Diesen Posten hat sie schon seit Mai 2011, führt diese Stellung zusätzlich zur Geschäftssegmentleitung aus. Eine Doppelbelastung, die nicht immer einfach ist. Teile der fachlichen Aufgaben hat sie deshalb schon an Kollegen abgegeben, die wie die 43-Jährige schon länger bei Infraserv Knapsack tätig sind. Es ist ihr dabei immer wichtig, ein Auge darauf zu haben, ob sich die Mitarbeiter wohl fühlen und ob zusätzliche Unterstützung benötigt wird. Und das obwohl die Kölnerin eine verkürzte Arbeitswoche hat.
Derzeit arbeitet sie 35 Stunden, nach der Geburt ihres ersten Sohnes 2004 startete sie mit 16 Stunden pro Woche und hat dann langsam auf 25 Stunden gesteigert. 2006 kam ihr zweiter Sohn zur Welt. Gordana Hofmann-Jovic legte ein Jahr Elternzeit mit zehn Stunden Home Office ein, anschließend erhöhte sie wieder auf 25 Stunden. „Einen sanften Einstieg mit Kindern" – wie Gordana Hofmann-Jovic dies heute bezeichnet. „Das war genau richtig für mich. Mehr Stunden hätte ich am Anfang nicht stemmen können." Das wäre eine zu große Herausforderung gewesen – neben Schlafmangel und den ersten Zähnchen noch einen Fulltime-Job zu bewältigen. Zugleich räumt sie ein: Ohne Unterstützung von Seiten ihres Ehemannes und dem Verständnis und der Flexibilität der Kollegen hätte sie das nicht stemmen können. Hinzukommt, dass die InfraServ Knapsack ein familienfreundliches Unternehmen ist, dass Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit – natürlich in Abstimmung mit dem Vorgesetzten – ermöglicht. „Als Mitarbeiter der InfraServ Knapsack können wir auch Familien-Services über ein externes Beratungsinstitut nutzen, die beispielsweise Nannys oder auch Tagesmütter für die Kinderbetreuung vermitteln. Dieses Firmenangebot finde ich super“, erläutert sie. „Auch junge Väter aus dem Engineering nehmen die Elternzeit in Anspruch."
Auch jetzt teilen sich ihr Ehemann und sie den Tag. Ihr Mann bringt die Kinder morgens zur Schule, den Nachmittag verbringt Gordana Hofmann-Jovic mit den Söhnen. Außer Mittwochs. Da hat sie ihren langen Tag. Eine Kinderfrau holt die Kinder dann von der Schule ab und bringt sie zur Musikschule. „Es ist gut zu wissen, dass es jemanden gibt, der sich dann um alles kümmert", sagt die Infraserv-Mitarbeiterin.
Bis zu Beginn der Teamleitertätigkeit im Mai 2011 hatte sie freitags sogar komplett frei. Wenn die Kinder krank waren, konnte sie so problemlos einen Tag schieben – oder auch einfach verschnaufen, Zeitung lesen, Sport treiben – Beschäftigungen, zu denen sie sonst nicht gekommen ist. „Der freie Tag hat mir einen Freiraum geschaffen", betont sie. Deshalb sei ihr mit Übernahme der Teamleiterstelle der Umstieg auf eine 5-Tage-Woche mit anfangs 30 Arbeitsstunden schwer gefallen. Fast ein halbes Jahr habe sie daran zu knabbern gehabt – und hat sich oft gefragt: War das die richtige Entscheidung? Heute weiß sie: „Es war richtig."
Denn Gordana Hofmann-Jovic ist stolz auf das, was sie persönlich erreicht hat: So freut es sie, dass sie sich trotz zweier Kinder für die Führungslaufbahn entschieden hat. Sie ist stolz, dass sie bei Infraserv Knapsack – neben der Werksärztin – die einzige Geschäftssegmentleiterin ist, wie sie augenzwinkernd hinzufügt. Trotzdem spricht sie weniger von ihren eigenen beruflichen Verdiensten, sondern von der Teamleistung. „Es gibt nicht „mein“ Projekt, das nur durch mein Wirken zu einem Riesenerfolg wurde“, sagt sie. Sie sieht sich mehr als Antreiberin. Neuen Ideen steht sie offen gegenüber. Wenn sich jemand verschließt, bohrt sie nach. Ist fordernd. Als streng beschreiben ihre Mitarbeiter sie aber nicht.
Denken in anderen Dimensionen
Ende des Jahrs schreiben sich die Mitarbeiter des Geschäftssegments gegenseitig Weihnachtskarten. In Hofmann-Jovics Karten letztes Jahr stand, dass sie offen sei und eine positive Grundhaltung habe. Sie habe jederzeit ein offenes Ohr, trotz der wenigen Zeit, die sie aufgrund der Dreifachbelastung – Familie, Geschäftssegment- und Teamleitung – hat. „Die Mitarbeiter wissen, dass ich mir trotz der Dreifachbelastung Zeit nehme, wenn sie mit einem Anliegen zu mir kommen."
Gordana Hofmann-Jovic kennt ihre beruflichen Herausforderungen genau: Mit ihrer Tätigkeit als Geschäftssegmentleiterin ist die strategische Ausrichtung ein zusätzliches Gebiet für sie. Da muss sie noch einiges lernen, sich klarer positionieren, gibt sie offen zu. Als Geschäftssegmentleiterin muss sie in anderen Dimensionen denken als als Teamleiterin. „Das ist nicht immer einfach, macht aber viel Spaß."
Für die zweifache Mutter gibt es nämlich nichts Schlimmeres als Stillstand. „Einschlafen" – so bezeichnet sie es selbst. Sie sucht ständig neue Herausforderungen, will dazulernen und über den Tellerrand schauen. Nicht nur beruflich, sondern auch privat. Deshalb besucht sie ein Mal die Woche ein Schauspieltraining. Oder geht mit ihrer Familie Wandern, um einen anderen schönen Ausblick zu genießen – wenn der Blick über die Industriedächer des Chemieparks Knapsack nicht ausreicht.