In einem sich stetig ändernden Arbeitsumfeld Karriere zu machen, ist nicht mehr so einfach. Die Definition und das Verständnis des Karrierebegriffs hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. In grauer Vorzeit, also in den Anfangsjahren meines Berufslebens, war damit ausschließlich eine Bewegung „nach oben“, ein „Aufstieg“ in der Hierarchieleiter gemeint. Verbunden mit mehr Geld, mehr Verantwortung, eine höhere soziale Stellung und alles dokumentiert von dem wohlklingenden Titel auf der Visitenkarte.
Heutzutage, im Zeitalter der digitalen Transformation, von Digital Workplace und New Work, sowie am Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, akzeptieren erfahrene HR-Experten jedoch neben Aufwärts- durchaus auch Seitwärts- oder freiwillige Abwärts-Karrieren im Lebenslauf. Diese entstammen häufig dem Wunsch nach höherer Flexibilität und Mobilität, um beispielsweise mehr Zeit für Familie und Kinder, aber auch für Hobbys und die Selbstfindung zu haben. Gleichwohl beharren bislang die meisten Firmen unbeirrt auf der 40-Stunden-Woche und der Präsenzpflicht.
Gleichzeitig entstehen aber ständig alternative Arbeitsmodelle. Oft verbunden mit kreativen Wortschöpfungen wie Fernanwesenheit, virtuelle Teams, Job-Sharing, partielles Home-Office, Swarming, Design Thinking oder Scrum. Bei ihnen sind die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit oft unscharf. Im Rahmen des „Work-Life-Blending“ schenken die Mitarbeiter den Unternehmen Privatzeit, ergo müssen sie auch Eigenzeit während der Arbeit erhalten. Die Vier-Tage-Woche hat sich vom Krisensignal zum bewusst gewählten Lebensentwurf gewandelt. Und eine Sechzig-Stunden-Woche ist womöglich nur die Vorleistung für ein Sabbatical.
Man kann sich vorstellen, dass die neue Freiheit und Flexibilität auch den Führungspersonen völlig neue Fähigkeiten abverlangt. Anfallende Arbeitsaufträge werden mehr und mehr über agile Projekte gesteuert. Die Leader müssen lernen, an- wie abwesende, anweisungsorientierte wie auch selbstorganisierte und angestellte Mitarbeiter wie auch Freiberufler und Dienstleister zu führen und schnellstmöglich produktiv zu machen. Dazu braucht man Netzwerk-Organisatoren, Moderatoren und Katalysatoren, die mit dem damit verbundenen Macht- und Kontrollverlust souverän umgehen
können.
Die Vorgaben der neuen Arbeitswelt sollten aber niemand daran hindern, sich konkrete berufliche Ziele zu setzen. Denn gerade Ziellosigkeit bremst, neben fehlendem Antrieb, fehlender Lernwilligkeit oder widrigen gesellschaftlichen Umständen, ein Weiterkommen im Berufsleben aus; egal in welche Richtung. Auch falsche Bescheidenheit, Selbst-
überschätzung und schlechte Eigenvermarktung stehen dem beruflichen Weiterkommen im Wege.
Jeder Arbeitnehmer muss sich dabei ehrlich fragen, welche Punkte für und welche gegen ein Erreichen der gesetzten Ziele sprechen; wobei auch die Meinung Dritter mit in die Betrachtung einfließen sollte. Und notfalls sollte man einen Umstieg und die Suche nach einer neuen Herausforderung in Erwägung ziehen, nicht nur einen Job- sondern vielleicht sogar einen Berufswechsel. Forscher haben festgestellt, dass Optimisten im Grunde zwar immer heiter, Pessimisten immer miesepetrig bleiben, dass aber die Arbeitszufriedenheit nach einem freiwilligen Jobwechsel fast rauschartig für ein paar Jahre zunimmt. Bevor sie dann wieder aufs Normalniveau abfällt. Statt unzufrieden zu sein – wäre deshalb vielleicht ein Jobwechsel einen Versuch wert.