In der Warmumformung am Paderborner Produktionsstandort produziert die Firma Benteler beispielsweise Strukturbauteile für Fahrgastzellen. Dabei kann es in seltenen Fällen zu Mängeln der mechanischen Kennwerte oder in der Geometrie der Bauteile kommen. Um diese Fehler künftig schneller zu identifizieren, haben der Automobilzulieferer und das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM eine intelligente Anomalieerkennung entwickelt.
Eine Künstliche Intelligenz gleicht dafür Live-Sensordaten wie die Kühlwassertemperatur und -menge aus der Produktion mit Simulationsdaten ab und berücksichtigt zusätzliche Faktoren wie Umgebungsbedingungen und Produktionseinstellungen. Ebenfalls liefern Thermografiekameras kontinuierlich Informationen über die Wärmeverteilung in den Bauteilen. Auf dieser Basis liefert die KI eine Entscheidungshilfe, welche Produkte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine zusätzliche Qualitätsprüfung geben sollten.
Ablauf der Qualitätsprüfung
Die intelligente Anomalieerkennung funktioniert in vier Schritten:
Sensorik erfasst Produktionsdaten
Sensor- und Simulationsdaten werden abgeglichen
Künstliche Intelligenz bewertet Produkt als normal oder anormal
Mitarbeiter entscheiden, ob das Produkt zusätzlich ins Prüflabor geschickt wird
„In unserer Forschung stellen wir heraus, welche Kennzeichen für das Aufdecken von Anomalien in der Produktion wichtig sind: Einfache Grenzwerte wie die Temperatur der Anlage reichen hier nicht aus“, sagt Cederic Lenz, Wissenschaftler am Fraunhofer IEM. Entscheidend sei ein kombiniertes Auswerten verschiedener Faktoren; die Anlagentemperatur beispielsweise stehe in Abhängigkeit zu der Umgebungstemperatur. „Um diese Komplexität zu beherrschen, ist Künstliche Intelligenz genau das richtige Werkzeug.“
Nutzen für Benteler
In der Qualitätsprüfung von Benteler wird täglich eine fest vorgeschriebene Anzahl von Qualitätschecks durchgeführt. Die nun prototypisch implementierte Anomalieerkennung bietet einige Vorteile: Sie gibt Hinweise auf wirklich fehlerhafte Produkte und macht das Qualitätsmanagement zielgerichteter und effizienter. Reklamationen werden so vermieden.
„Der Einsatz Künstlicher Intelligenz automatisiert das sprichwörtliche Suchen nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt Daniel Köchling, Manager bei Benteler. „Mit hoher Zuverlässigkeit schlägt sie Produkte zur Prüfung vor, die nachfolgend systematisch von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geprüft werden.“
Angestrebt wurde im Projekt „eine prototypische Integration der entstandenen Algorithmen zur Prozessoptimierung und -vorhersage der Bauteilqualität in die ständige Überwachung der Fertigungsprozesse“, wie Philipp Steller, Plant Engineering Manager bei Benteler, erläutert. „Die automatische Analyse der relevanten Produktionsparameter hilft uns, Unregelmäßigkeiten frühzeitig zu erkennen und darauf gezielt zu reagieren.“
Förderung in it’s OWL
Gefördert wurde die Zusammenarbeit von Benteler und Fraunhofer IEM von November 2018 bis März 2022 im Forschungsprojekt Maschinelles Lernen für die Produktion und deren Produkte (ML4Pro2) des Technologie-Netzwerks it’s OWL. Ziel des Projekts ist es, Unternehmen maschinelles Lernen für intelligente Produkte und Produktionsverfahren zugänglich zu machen.