Reinhold Groß, Kuka „KI ist der Schlüssel zur Zukunft der Robotik“

Der langjährige Trumpf-Manager Reinhold Groß hat im September 2023 die Position des CEO der Kuka Robotics Division übernommen. Seit 1998 war Groß in verschiedenen Führungspositionen beim Ditzinger Maschinenbauer Trumpf tätig, darunter fast ein Jahrzehnt als Managing Director der Trumpf Machine Tools. Nach einem kurzen Zwischenstopp als Vorstandsvorsitzender bei Heller steht er nun an der Spitze der Robotik-Sparte von Kuka.

Bild: Kuka
21.10.2024

Die transformative Rolle der Künstlichen Intelligenz in der Automatisierung, die Herausforderungen der globalen Märkte und die Zukunft der Robotik – es gibt viel zu tun für Reinhold Groß, CEO von Kuka Robotics. Warum schnelle Entscheidungen, eine offene Plattformstrategie und die Integration von KI der Schlüssel zum Erfolg sind, zeigt Groß im Gespräch mit publish-industry auf.

Seit September 2023 sind Sie CEO der Robotiksparte von Kuka: Wie haben Sie Ihr erstes Jahr im Unternehmen erlebt?

Sowohl spannend als auch herausfordernd! Die Märkte, in denen wir tätig sind, sind äußerst dynamisch, was die Arbeit aufregend, aber auch anspruchsvoll macht. Es gab viele Turbulenzen, insbesondere durch die globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten, die uns natürlich beeinflusst haben. Kuka selbst hat mich durch seine starke internationale Ausrichtung positiv überrascht. Wir haben ein sehr diverses Führungsteam, das aus verschiedenen kulturellen und fachlichen Hintergründen stammt. Diese Vielfalt an Perspektiven macht die Arbeit bei Kuka besonders spannend, da sie es ermöglicht, Probleme und Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und innovative Lösungen zu entwickeln. Diese Internationalität und Diversität sind für mich ein klarer Vorteil in unserem täglichen, unternehmerischen Handeln.

Kuka will Automatisierung für jeden zugänglich machen. Eine dringende Notwendigkeit, wenn man sich die Entwicklung in Deutschland anschaut…

Ja! Denn unsere Mission, Automatisierung für jeden zugänglich zu machen, ist mehr als nur ein Ziel – es ist eine notwendige Entwicklung in Zeiten des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels. In vielen Branchen wird es immer schwieriger, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, und hier kann die Automatisierung helfen, diese Lücken zu schließen. Unsere Vision ist es, Automatisierungslösungen zu entwickeln, die so benutzerfreundlich und intuitiv sind, dass auch ungelernte Mitarbeitende ohne lange Anlernzeit damit arbeiten können. Das bedeutet, dass wir Technologien schaffen müssen, die komplexe Prozesse so weit vereinfachen, dass sie für eine breite Nutzerbasis zugänglich werden. Automatisierung wird also nicht mehr nur als Mittel zur Effizienzsteigerung gesehen, sondern eben auch als Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen, wie die alternde Bevölkerung und der daraus resultierende Arbeitskräftemangel.

Wie entwickelt sich dabei der Bedarf an Robotik in Deutschland und Europa?

Der Bedarf an Robotik wächst in Deutschland und Europa kontinuierlich, besonders in der Automobilindustrie, wo die Roboterdichte bereits sehr hoch ist. Deutschland liegt weltweit auf Platz 3, wenn es um die Roboterdichte pro Mitarbeitendem geht, was die starke Industrialisierung und die fortschrittliche Automatisierung in diesem Sektor widerspiegelt. Allerdings gibt es außerhalb der Automobilindustrie noch viele Branchen, in denen das Potenzial für Automatisierung bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen gibt es oft Vorbehalte gegenüber der Automatisierung, sei es wegen der vermeintlich hohen Kosten, der Komplexität der Technologie oder der Vorstellung, dass ihre spezifischen Prozesse nicht automatisiert werden können. Unser Ziel bei Kuka ist es, diese Hürden abzubauen, indem wir Lösungen anbieten, die einfacher zu implementieren und zu nutzen sind, wodurch die Robotik auch für kleinere Unternehmen zugänglich wird.

China ist weltweit führend in der Robotik. Was können wir uns hier abschauen?

China hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung in der Robotik durchlaufen und es gibt definitiv einiges, was wir in Europa von ihnen lernen können. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. In China sind Unternehmen oft größer und haben eine klare Wachstumsstrategie, die stark auf Standardisierung und Durchsatz ausgerichtet ist. Diese Ausrichtung ermöglicht es ihnen, Automatisierung in großem Maßstab effektiv umzusetzen. Darüber hinaus ist die Risikobereitschaft in China wesentlich höher als in Europa. Unternehmen dort sind bereit, schneller und entschlossener in neue Technologien zu investieren, auch wenn diese noch nicht vollständig ausgereift sind. Diese Agilität und Entschlossenheit sind etwas, das wir in Europa mehr berücksichtigen sollten, um im globalen Wettbewerb erfolgreich zu bleiben. Natürlich gibt es in Europa eine lange Tradition der gründlichen Analyse und Planung, die ihre eigenen Vorteile hat, aber in der heutigen schnelllebigen Welt kann ein etwas mutigeres Vorgehen manchmal entscheidend sein.

Wie positioniert sich hier Kuka im globalen Wettbewerb – gerade im Vergleich zu neuen Marktteilnehmern, die oft mit aggressiven Preisen auftreten?

Kuka hat sich über Jahrzehnte eine starke Position im Markt erarbeitet, die auf mehreren wesentlichen Säulen beruht. Eine davon ist die Zuverlässigkeit unserer Produkte. Wenn Unternehmen in die Automatisierung investieren, erwarten sie, dass diese Lösungen extrem zuverlässig sind und eine hohe Verfügbarkeit aufweisen. Kuka-Roboter sind dafür bekannt, dass sie diese Anforderungen erfüllen. Darüber hinaus bieten wir eine umfassende globale Beratungs- und Service-Struktur, die sicherstellt, dass unsere Kunden weltweit optimal betreut werden. Dies ist besonders wichtig bei komplexen Automatisierungslösungen, wo es auf eine nahtlose Implementierung und einen reibungslosen Betrieb ankommt. Neue Marktteilnehmer mögen in einigen Nischen erfolgreich sein, oft getrieben durch aggressive Preisstrategien. Allerdings braucht es mehr als nur einen günstigen Preis, um im Automatisierungsmarkt langfristig erfolgreich zu sein. Der Aufbau einer globalen Serviceorganisation, wie wir sie bei Kuka haben, dauert Jahre und viele neue Anbieter werden es schwer haben, dieses Niveau zu erreichen. Unser starkes Partnernetzwerk und unsere enge Zusammenarbeit mit Integratoren ermöglichen es uns, maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln und gleichzeitig eine hohe Servicequalität sicherzustellen.

Welche Innovationsschwerpunkte verfolgt Kuka aktuell?

Kuka arbeitet intensiv an verschiedenen innovativen Technologien, die die Zukunft der Robotik maßgeblich beeinflussen werden. Ein Schwerpunkt liegt im Bereich der Vision-Systeme und der Künstlichen Intelligenz (KI). Wir entwickeln Kameralösungen, die mit intelligenten Algorithmen kombiniert werden, um die Fähigkeiten unserer Roboter weiter zu verbessern. Diese Technologien ermöglichen es den Robotern, komplexe Aufgaben noch präziser und autonomer auszuführen. Ein weiterer Innovationsschwerpunkt liegt auf den autonomen mobilen Robotern (AMRs). Hier arbeiten wir an der Erweiterung unseres Portfolios, um neue Einsatzmöglichkeiten zu erschließen, insbesondere in der Intralogistik und der Lagerautomatisierung. Unsere Strategie setzt stark auf offene Plattformen, die es unseren Kunden ermöglichen, die Technologien, die sie benötigen, einfach in ihre bestehenden Systeme zu integrieren. Dies gibt unseren Kunden die Flexibilität, die sie benötigen, um ihre Produktionsprozesse kontinuierlich zu optimieren und auf Veränderungen im Markt schnell reagieren zu können.

Künstliche Intelligenz (KI) wird heutzutage oft als der nächste große Technologie-Schritt angesehen. Wie sehen Sie die Rolle von KI in Ihrer Robotik?

KI ist zweifellos eine der Schlüsseltechnologien, die die Robotik in den nächsten Jahren transformieren wird. Bei Kuka sehen wir KI als eine wesentliche Komponente, um Roboter intelligenter, flexibler und anpassungsfähiger zu machen. KI ermöglicht es Robotern, Aufgaben zu bewältigen, die zuvor als zu komplex oder unvorhersehbar galten. Ein gutes Beispiel dafür ist das sogenannte „Bin Picking“, bei dem ein Roboter Objekte aus einer chaotischen Anordnung herausgreifen muss. Mit Hilfe von KI können unsere Roboter lernen, diese Objekte unabhängig von ihrer Lage oder Form zu erkennen und korrekt zu greifen, was mit traditionellen Programmiermethoden kaum möglich wäre. Darüber hinaus nutzen wir KI, um die Interaktion zwischen Mensch und Roboter zu verbessern. Sprachgesteuerte Systeme und intelligente Assistenzfunktionen sind Bereiche, in denen KI eine entscheidende Rolle spielt. Wir arbeiten daran, Roboter so zu entwickeln, dass sie einfacher zu bedienen sind und sogar von Personen ohne technisches Hintergrundwissen gesteuert werden können. Diese Technologien senken die Barriere für den Einsatz von Robotern in unterschiedlichen Branchen und ermöglichen eine breitere Anwendung der Robotik. Ein weiterer wichtiger Aspekt von KI ist die kontinuierliche Verbesserung und Optimierung: Durch maschinelles Lernen können unsere Roboter ihre eigenen Prozesse analysieren und sich an veränderte Bedingungen anpassen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten in der Produktion, wo Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entscheidende Faktoren sind.

KI hilft also auch bei der Vereinfachung der Programmierung des Roboters?

Ja, sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Vereinfachung. Viele Unternehmen schrecken vor der Komplexität der Programmierung zurück, insbesondere bei spezifischen Sprachen wie Kukas KRL (KUKA Robot Language). Mit unserem „Copilot“ für KRL, entwickelt in Zusammenarbeit mit Microsoft, zielen wir darauf ab, die Programmierung so weit zu vereinfachen, dass auch Anwender ohne tiefgehende Programmierkenntnisse Roboter effektiv einsetzen können. Sprachbefehle zur Steuerung von Robotern sind der nächste revolutionäre Schritt, ermöglicht durch Fortschritte in der KI wie ChatGPT. Früher lag der Fokus auf grafischen Oberflächen, doch jetzt eröffnet die Sprachsteuerung enorme Möglichkeiten. In naher Zukunft könnte ein einfacher Befehl wie „Greife das Gehäuse aus der Kiste“ genügen, damit der Roboter die Aufgabe eigenständig ausführt. Die Entwicklung in diesem Bereich verläuft rasant, und wir bei Kuka arbeiten intensiv daran, diese Technologien schnellstmöglich in die Praxis umzusetzen. In den nächsten zwei bis drei Jahren erwarten wir eine gut funktionierende Programmierungsunterstützung,

Unterscheidet sich die KI-Integration bei Kuka von anderen Anbietern auf dem Markt?

Bei Kuka verfolgen wir einen sehr praxisorientierten Ansatz, wenn es um die Integration von KI geht. Unser Fokus liegt darauf, reale, greifbare Vorteile für unsere Kunden zu schaffen, anstatt KI als bloßes Marketing-Schlagwort zu verwenden. Wir setzen KI dort ein, wo sie tatsächlich einen Mehrwert bietet, sei es durch verbesserte Automatisierungsprozesse, erhöhte Flexibilität oder optimierte Wartungsstrategien. Ein Beispiel hierfür ist unsere Arbeit im Bereich der vorausschauenden Wartung, auch bekannt als Predictive Maintenance. Mit Hilfe von KI können wir riesige Mengen an Betriebsdaten analysieren und Muster erkennen, die auf bevorstehende Probleme hinweisen könnten. Dadurch können wir proaktive Wartungsmaßnahmen ergreifen, bevor es zu Ausfällen kommt, was die Effizienz und Lebensdauer unserer Systeme erheblich erhöht. Ein weiterer Bereich, in dem wir uns von anderen unterscheiden, ist die Offenheit unserer Systeme. Wir bieten Lösungen an, die nahtlos in bestehende Systeme integriert werden können und stellen sicher, dass unsere Kunden die Flexibilität haben, die für ihre spezifischen Anforderungen beste Technologie zu nutzen. Dies unterscheidet uns von Anbietern, die auf geschlossene Systeme setzen, die oft weniger anpassungsfähig sind.

Was sind Ihre persönlichen Ziele für die nächsten Jahre bei Kuka?

Meine persönlichen Ziele sind eng mit den strategischen Zielen von Kuka verbunden. Ich möchte sicherstellen, dass wir die Innovationen, an denen wir arbeiten, erfolgreich und schnell auf den Markt bringen und dass sie unseren Kunden den größtmöglichen Mehrwert bieten. Es ist mir wichtig, dass wir unsere Position als führendes Unternehmen in der Robotikbranche weiter stärken und ausbauen. Dafür setze ich auf eine enge Zusammenarbeit mit meinem Team und eine kontinuierliche Fokussierung auf unsere Kernkompetenzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Weiterentwicklung und Schulung unserer Mitarbeiter. Es ist entscheidend, dass wir die besten Talente anziehen und halten, um unsere Innovationskraft zu erhalten und weiter auszubauen. Darüber hinaus möchte ich sicherstellen, dass Kuka auch in Zukunft ein innovatives und dynamisches Unternehmen bleibt, das in der Lage ist, sich schnell an Veränderungen im Markt anzupassen.

Haben Sie noch etwas, das Sie ergänzen möchten?

Ja, ich denke, es ist wichtig, dass wir in Deutschland und Europa unsere Stärken erkennen und nutzen. Wir haben hier eine lange Tradition darin, Technologien industriefähig zu machen und in die Praxis umzusetzen. Während die USA oft Vorreiter bei neuen Technologien sind und dort viel über neue Technologien gesprochen wird, haben wir in Deutschland die Fähigkeit, diese Technologien tatsächlich in funktionierende Systeme und Lösungen zu überführen. Diese Stärke sollten wir weiter ausbauen und uns darauf konzentrieren, innovative Technologien in der Praxis erfolgreich umzusetzen.

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