Deutsche Unternehmen befinden sich aktuell in einer HR-Krise. Bundesweit sind mehr als 850.000 Stellen unbesetzt – und das, obwohl die Arbeitslosenquote zuletzt wieder leicht anstieg. Von einem Fachkräftemangel zu sprechen, ist mittlerweile deutlich zu eng gefasst. Arbeitskräftemangel ist das Wort der Stunde. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Industrie verstärkt auf Roboter setzt. Eine Umfrage von Reichelt Elektronik ergab kürzlich, dass 85 Prozent der Unternehmen mittlerweile automatisierte Helfer einsetzen. Zum Vergleich: 2019 lag diese Quote noch bei etwa 49 Prozent.
Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Roboter menschliche Arbeitskraft überflüssig machen und mittel- bis langfristig unsere Jobs übernehmen. Nur etwa jedes dritte Unternehmen plant, den Großteil oder die komplette Arbeit an Maschinen zu übertragen. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Reproduzierbarkeit sowie eine minimale Fehlerquote erfordern, wie etwa in der Produktion oder in der Lagerlogistik.
Gerade in der Produktion können die Maschinen zu einem wichtigen Bestandteil der Prozesse werden: Knapp 32 Prozent der deutschen Industrieunternehmen setzen kollaborative Roboter (Cobots) für die Arbeit am Fließband ein. Damit ist Deutschland ein Vorreiter im europäischen Vergleich. Denn europaweit setzt nicht einmal jedes vierte Unternehmen auf Cobots in der Produktion.
Die kleineren Roboter dienen vorrangig dazu, dem Menschen einen weiteren Arm zu leihen. Im Gegensatz zu ihren großen Brüdern, den Industrierobotern, müssen Cobots nämlich nicht hinter einem Sicherheitszaun stehen, sondern können Hand in Hand mit geschulten Fachkräften arbeiten. Schaffen es Unternehmen, ihr Personal entsprechend in den Umgang einzuweisen, nehmen Roboter uns die Arbeit nicht weg. Vielmehr können ausgereifte Mensch-Maschinen-Prozesse zu einem deutlichen Effizienzschub beitragen.
Wie gehen wir mit Künstlicher Intelligenz um?
Ein weiterer Faktor, der zu einer verbesserten Produktivität führen kann, ist der zielgerichtete Einsatz von Künstlicher Intelligenz. In der deutschen Produktion finden KI-Projekte vorrangig Anwendung in der Prozessoptimierung. Häufig ist dabei vor allem von maschinellem Lernen (ML) die Rede: Anhand von gesammelten Daten werden Algorithmen durch KI angepasst oder erweitert. So wird die Software im Laufe des Prozesses angelernt – und die Roboter entwickeln sich nach und nach zu intelligenten Helfern, die immer mehr Aufgaben von Menschen übernehmen können. Im Gegenzug kann der Mensch sich wiederum gewinnbringenderen Aufgaben widmen. Deshalb ist für die Industrie klar: In etwa fünf Jahren wird der Einsatz von KI Standard sein.
Herausforderungen entstehen dabei häufig beim Thema Daten. Fehlende oder schwer zugängliche Datensätze verhindern vielerorts einen sinnvollen Einsatz. Unternehmen müssen also einen Fokus auf die Zugänglichkeit der entsprechenden Daten legen, um sicherzustellen, dass ihre KI-Projekte erfolgreich umgesetzt werden können. Parallel darf jedoch die Datensicherheit nicht vernachlässigt werden, sonst ist der Erfolg des Unternehmens in Gefahr.
Aktuelle Erfahrungsberichte zeigen, dass in der deutschen Industrie mittlerweile ein fundiertes Verständnis für den Umgang mit Daten und Algorithmen aus Maschinen vorhanden ist. Das liegt auch daran, dass in den Betrieben Initiativen durchgeführt werden, die dem Personal den intuitiven Umgang mit Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen nahebringen. Denn nur mit entsprechend geschulten Fachkräften kann der Einsatz von Robotik und KI eine echte Chance sein.
Wohin führt unser Weg?
Auch aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation ist abzusehen, dass die Anzahl eingesetzter Roboter und Cobots weiter steigen wird. Im Gegensatz zum Menschen verläuft die Lernkurve von Maschinen dank ML deutlich steiler. 96 Prozent der deutschen Industrieunternehmen sind sich dieser Chance bewusst: Für sie ist klar, dass der richtige Einsatz von Robotern dabei hilft, wettbewerbsfähiger zu sein.
Um diese Chance ergreifen zu können, ist jedoch der richtige Umgang mit KI essenziell. Genau hier sehen viele Unternehmen jedoch noch weitere Hürden. Angesprochen darauf, ob sie alles genauso machen würden, wenn sie KI-Projekte noch einmal implementieren würden, antwortete die Hälfte mit „Nein“. Viele sind mit der Planung der Projekte und der Einbindung der eigenen Mitarbeiter im Nachhinein nicht zufrieden.
Es zeigt sich, dass der Einsatz von KI nur dann erfolgsversprechend ist, wenn eine elaborierte Strategie vorliegt, die vom ersten Schritt an auf die eigene Belegschaft baut. Nur, wenn alle nötigen Mitarbeiter schon zu Beginn eingebunden werden, können Berührungsängste und Vorurteile leichter abgebaut werden, als wenn ein intelligenter Roboter plötzlich am Arbeitsplatz steht. Muss das Personal im Nachgang geschult werden, ist das zumeist kosten- und zeitintensiver. Werden zudem noch KI-Fachkräfte eingestellt oder bereits vorhandene Spezialisten weitergebildet, können sich Unternehmen auch für den Fall von Softwareproblemen bei den KI-Programmen vorbereiten. Einen Termin bei einem Service-Dienstleister zu bekommen, ist fast schon ein Glücksfall. Mit internen Spezialisten hingegen könnten Latenzzeiten signifikant verringert werden.
Fazit
Schaffen es Unternehmen, Robotik und Künstliche Intelligenz strategisch in ihre Prozesse zu implementieren, profitiert nicht nur der Umsatz. Mensch und Maschine können voneinander lernen und so die Produktion nachhaltig effizienter gestalten. Der Datenschatz, auf den KI zugreift, ist ein schier nicht endender Quell an Informationen. Diesen Schatz gilt es, sinnvoll einzusetzen.
Wenn Unternehmen sich ihrer Bedürfnisse bewusst werden und Technologie nicht nur um der Technologie willen einsetzen, werden sie auch gestärkt aus der Arbeitskräftekrise hervorgehen. Roboter klauen nicht unsere Jobs – aber sie können uns dabei helfen, sie noch besser zu machen.