Funkstandards auf dem Prüfstand Wissenswertes für das Design smarter, drahtloser Industriesensoren

Überblick über die verschiedenen Funkstandards und Bewertung der Eignung von BLE, SmartMesh (6LoWPAN over IEEE 802.15.4e) und Thread/Zigbee (IEEE 802.15.4) für den industriellen Einsatz unter anspruchsvollen Funkbedingungen.

Bild: ADI; iStock, deepblue4you
28.10.2024

Funkbasierte IoT-Systeme werden in unterschiedlichen Anwendungen eingesetzt. Doch was verbirgt sich hinter den einzelnen Technologien? Wir geben einen Überblick über einschlägige Funkstandards und beurteilt die Eignung von Bluetooth Low Energy (BLE), SmartMesh, und Thread/Zigbee für industrielle Einsatzumgebungen. Hierfür vergleichen wir Parameter wie Stromverbrauch, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Total Cost of Ownership.

Es wird erwartet, dass der Absatz smarter Sensoren für motorgetriebene Systeme von 2022 bis 2024 auf 906 Millionen US-Dollar wächst und sich damit mehr als verdoppelt. Im Segment der smarten Sensoren dürften drahtlose und portable Geräte die wichtigsten Wachstumstreiber sein. Die Überwachung industrieller Maschinen mithilfe drahtloser Umgebungssensoren (Temperatur, Vibration) dient dem klar definierten Ziel, frühzeitig zu erkennen, wenn die überwachte Anlage nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert.

Als wichtigste Anforderungen an viele drahtlose Sensoren in industriellen Anwendungen werden stets ein niedriger Stromverbrauch sowie Zuverlässigkeit und Sicherheit genannt. Weitere Kriterien sind niedrige Gesamtkosten (minimale Gateways, Instandhaltung), Kurzstrecken-Kommunikation und ein Protokoll, das die Bildung von Mesh-Netzen in Fabrikumgebungen ermöglicht, in der sich viele metallische Hindernisse befinden, denn die Mesh-Technik hilft beim Abmildern potenzieller Abschirmungs- und Reflexionseffekte entlang des Signalwegs.

Funkstandards im Detail

Die Funkstandards BLE und SmartMesh (6LoWPAN over IEEE 802.15.4e) bieten für industrielle Anwendungen die beste Kombination aus geringem Stromverbrauch und einem hohen Zuverlässigkeits- und Sicherheitsniveau. Thread und Zigbee ermöglichen zwar ebenfalls stromsparende und sichere Mesh-Implementierungen, schneiden aber in Sachen Zuverlässigkeit schlechter ab.

Bestandteil von SmartMesh ist ein TSCH-Protokoll (Time Synchronized Channel Hopping), bei dem sämtliche Knoten in einem Netzwerk zueinander synchronisiert sind und die Kommunikation nach einem Plan arrangiert wird. Während die Zeitsynchronisation den Stromverbrauch senkt, sorgt das Channel Hopping für hohe Zuverlässigkeit. Channel Hopping gibt es auch bei BLE, jedoch existieren hier gewisse Restriktionen gegenüber SmartMesh, wie etwa netzversorgte Routing-Knoten, die die Systemkosten und den Stromverbrauch in die Höhe treiben. Außerdem wird bei BLE das TSCH-Protokoll nicht unterstützt. Wie bereits erwähnt, rangieren Thread und Zigbee bezüglich der Zuverlässigkeit weiter hinten, und außerdem fehlen ihnen viele Vorteile von BLE.

Im Mittelpunkt dieses Artikels stehen SmartMesh und BLE Mesh als die bestgeeigneten Funkstandards für industrielle Zustandsüberwachungs-Sensoren.

Drahtlose Zustandsüberwachungs-Sensoren

Der Vergleich der drahtlosen Vibrationsüberwachungs-Plattform Voyager 3 sowie über drahtlose Zustandsüberwachungs-Sensoren der nächsten Generation von Analog Devices zeigt: Voyager 3 nutzt das SmartMesh-Modul LTP5901-IPC. Ein (noch in der Entwicklung befindlicher) AI-gestützter Vibrationssensor enthält einen BLE-Mikrocontroller (MAX32666). Temperatur- und Batteriezustands-Sensoren finden sich in beiden Sensoren. In Voyager 3 und der AI-Version kommen ferner MEMS-Beschleunigungssensoren (ADXL356, ADXL359) von ADI zum Einsatz, um in Industrieanlagen die Amplitude und Frequenz von Vibrationen erfassen zu können. Ansteigende Vibrationsamplituden und -frequenzen werden mithilfe von FFT-Spektren identifiziert, die auf Fehler wie etwa Motorunwuchten, Fehlanpassungen und Lagerschäden hindeuten können.

Vergleicht man die typischen Anwendungen von Voyager 3 und AI-gestützten Vibrationssensoren, so stellt man fest: Wie bei vielen Industriesensoren, befinden sich die Sensoren auch hier die meiste Zeit im Low-Power-Modus mit 1 Prozent Einschaltdauer. Der Sensor wird dabei nur in bestimmten Zeitabständen (oder bei hoher Vibrationsamplitude) zum Sammeln von Daten oder zum Absenden einer Statusmeldung aktiviert. In der Regel wird anschließend die Meldung abgeschickt, dass sich die Maschine in einem einwandfreien Zustand befindet, woraufhin anwenderseitig die Möglichkeit zum Abrufen weiterer Daten besteht.

Geringer Stromverbrauch

Die Analog-Devices-Sensoren Voyager 3 arbeiten mit einer Einschaltdauer von 1 Prozent sowie einer Payload von 90 Bytes beziehungsweise 510 Bytes (AI-Version). Aus den Messwerten (Übertragene Daten und Energiebedarf) geht hervor, dass BLE bei einer Datenmenge zwischen 500 und 1.000 Bytes weniger Energie verbraucht als Zigbee und Wi-Fi, wodurch es eine gute Wahl für die AI-Version ist. SmartMesh dagegen punktet mit sehr geringem Stromverbrauch insbesondere bei Payloads von maximal 90 Bytes (wie im Fall von Voyager 3. Abgeschätzt wird der Energiebedarf von SmartMesh mit dem auf der Website verfügbaren ADI-Tool SmartMesh Power and Performance Estimator, dessen Genauigkeit auf experimentellem Weg mit 87 bis 99 Prozent verifiziert wurde (abhängig davon, ob der Sensor ein Routing- oder Leaf-Knoten ist).

Sicherheit

SmartMesh-IP-Netzwerke weisen mehrere Sicherheitsebenen auf, die mit den Begriffen Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität kategorisiert werden können. Die Vertraulichkeit wird durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung per AES-128 erreicht (auch wenn ein Netzwerk mehrere Mesh-Knoten enthält). Die übertragenen Daten werden durch Authentisierungscodes (Message Integrity Check, MIC) geschützt, um Manipulationen auszuschließen. Dieses Verfahren bietet Schutz vor Man-in-the-middle-Attacken (MITM). Die Möglichkeit, mehrere Geräte-Authentisierungsebenen zu verwenden, verhindert außerdem das Einschleusen nicht autorisierter Sensoren in ein System.

Geräte, die mit den Versionen 4.0 und 4.1 des BLE-Standards arbeiten, sind in Sachen Sicherheit anfällig, während die Versionen 4.2 und später bezüglich der Sicherheit verbessert wurden. Der Baustein MAX32666 von ADI ist konform zu BLE-Version 5.0, die für die Kopplung auf den Schlüsselaustausch per P-256 Elliptic Curve Diffie-Hellman setzt. Bei diesem Protokoll werden die öffentlichen Schlüssel beider Geräte genutzt, um einen gemeinsamen, geheimen, als LTK (Long-Term Key) bezeichneten Schlüssel zwischen beiden Geräten einzurichten. Dieses gemeinsame geheime Element dient zur Authentisierung und zum Generieren von Schlüsseln zur Chiffrierung der gesamten Kommunikation, sodass ein Schutz vor MITM-Attacken besteht.

Abgesehen vom Stromverbrauch für die Funkübertragung, müssen auch das Energiebudget des Gesamtsystems und die Gesamtkosten berücksichtigt werden. Wie aus den Datenblättern zu entnehmen, arbeiten BLE und Zigbee mit einem einzigen Gateway, jedoch sind in beiden Fällen netzgespeiste Routing-Knoten erforderlich, was sowohl das Energiebudget als auch die Gesamtkosten erhöht. Im Gegensatz dazu begnügen sich die Routing-Knoten von SmartMesh mit durchschnittlich 50 µA, und ein komplettes Netzwerk kann mit einem einzigen Gateway betrieben werden. Somit ist SmartMesh die deutlich energieeffizientere Lösung.

Zuverlässigkeit und Robustheit

Wie bereits erwähnt, nutzt SmartMesh die TSCH-Technik, die folgende Merkmale aufweist:

  • Synchronisation sämtlicher Knoten eines Netzwerks

  • Koordinierung der Kommunikation anhand eines Kommunikationsplans

  • Geringerer Stromverbrauch dank Zeitsynchronisation

  • Hohe Zuverlässigkeit dank Kanalsprung-Verfahren

  • Hochgradig deterministisch infolge der geplanten Kommunikation

Die Synchronisationsgenauigkeit im gesamten Netzwerk ist kleiner als 15 µs, und dieses hohe Maß an Synchronität sorgt für einen äußerst geringen Stromverbrauch von durchschnittlich 50 µA (beziehungsweise 1,4 µA während mehr als 99 Prozent der Zeit).

Vergleicht man die wichtigsten Herausforderungen für Funknetzwerke in industriellen Umgebungen und die entsprechenden Eigenschaften von BLE und SmartMesh, so stellt man fest: SmartMesh schneidet in dichten Netzwerken mit vielen Knoten besser ab, aber grundsätzlich kommen sowohl BLE als auch SmartMesh gut mit dynamischen industriellen Umgebungen zurecht.

Die Zuverlässigkeit von SmartMesh wurde in der Wafer-Fab von ADI, einer funktechnisch anspruchsvollen Umgebung mit viel Metall und Beton, getestet. Hierzu wurde ein Mesh-Netzwerk mit insgesamt 32 Knoten eingerichtet, bei dem zwischen dem am weitesten entfernten Sensor und dem Gateway vier Teilstrecken lagen. Von jedem Sensorknoten wurden alle 30 Sekunden vier Datenpakete abgeschickt, was über einen Zeitraum von 83 Tagen einer Zahl von insgesamt 26.137.382 Paketen entspricht. Davon wurden 26.137.381 Pakete empfangen, sodass die Zuverlässigkeit 99,999996 Prozent beträgt.

Künstliche Intelligenz an der Edge

Der Funksensor der nächsten Generation enthält den Mikrocontroller MAX78000. Dieser besitzt einen AI-Hardwarebeschleuniger, der die Datenübertragungen minimiert und die Parallelverarbeitung nutzt, um Energiebedarf und Durchsatz zu optimieren.

Die derzeit auf dem Markt angebotenen drahtlosen Sensoren für industrielle Anwendungen arbeiten in der Regel mit sehr kurzen Einschaltdauern. Nach Ablauf der anwenderseitig vorgegebenen Schlafdauer wacht der Sensor jeweils auf, misst die Temperatur und die Vibration und sendet die entsprechenden Daten an den zuständigen Datenaggregator. Für kommerziell angebotene Sensoren wird üblicherweise eine Batterielebensdauer von 5 Jahren angegeben – basierend auf einer Datenerfassung alle 24 oder 4 Stunden. Der Sensor der nächsten Generation arbeitet ähnlich, bedient sich aber zur Erkennung von Anomalien der Edge-AI-Technik, um mit möglichst wenigen Funkübertragungen auszukommen. Werden nach Aktivierung des Sensors Daten erfasst, erfolgt nur dann eine Übertragung an den Anwender, wenn tatsächlich eine Anomalie detektiert wurde. Hierdurch lässt sich die Batterielebensdauer um mindestens 20 Prozent verlängern.

Zum Trainieren des AI-Modells erfasst der Sensor zunächst Daten von der in einwandfreiem Zustand befindlichen Maschine. Für die Entwicklung des AI-Modells werden diese Daten dann per Funk an den Anwender übertragen. Mithilfe der MAX78000-Tools wird aus dem AI-Modell ein C-Code erzeugt, der an den Funksensor zurückübertragen und in dessen Speicher abgelegt wird. Anschließend wacht der Sensor in vorgegebenen Zeitabständen oder bei Ereignissen mit hohen g-Werten auf, um Daten zu erfassen und eine FFT-Auswertung zu generieren. Basierend auf dem FFT-Ergebnis, zieht der MAX78000 Schlussfolgerungen aus den Daten. Wird keine Anomalie erkannt, wechselt der Sensor wieder in den Schlafmodus, während anderenfalls eine Meldung an den Anwender erfolgt. Dieser kann anschließend die FFT-Ergebnisse auslesen oder auch die Zeitbereichs-Rohdaten der Anomalie abrufen, um die Unstimmigkeit damit einordnen zu können.

Fazit

Dieser Fachbeitrag vermittelte einen Überblick über die verschiedenen Funkstandards und beurteilte die Eignung von BLE, SmartMesh (6LoWPAN over IEEE 802.15.4e) und Thread/Zigbee (IEEE 802.15.4) für den industriellen Einsatz mit anspruchsvollen Funkbedingungen. SmartMesh zeichnet sich gegenüber BLE und Thread/Zigbee durch überragende Zuverlässigkeit und einen stromsparenden Betrieb aus. In Netzwerken, in denen viele Daten im Umfang von 500 bis 1.000 Bytes übertragen werden müssen, arbeitet BLE im Vergleich stromsparender als Zigbee und Thread. Zudem ist zu beachten, dass Mikrocontroller mit integrierter AI-Hardware bessere Entscheidungen ermöglichen und die Batterielebensdauer drahtloser Sensorknoten verlängern.

Bildergalerie

  • Funkstandards im Überblick

    Funkstandards im Überblick

    Bild: Analog Devices

  • Typischer Einsatz eines drahtlosen Industriesensors

    Typischer Einsatz eines drahtlosen Industriesensors

    Bild: Analog Devices

  • Sicherheitsimplementierung für BLE- und SmartMesh-Netzwerke

    Sicherheitsimplementierung für BLE- und SmartMesh-Netzwerke

    Bild: Analog Devices

  • Übertragene Daten (Funktransceiver-PHY) und Energiebedarf

    Übertragene Daten (Funktransceiver-PHY) und Energiebedarf

    Bild: Analog Devices

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