Die Verbindung von elektrischem Strom und chemischen Prozessen beschäftigt immer mehr Forscher. Denn dank der Energiewende ist es möglich, Strom CO2-ärmer zu erzeugen und neue Wege für eine stromgeführte Produktion zu eröffnen. Um diesen Wandel zu gestalten, haben neun Fraunhofer-Institute unter Federführung von Fraunhofer Umsicht ihre Kompetenzen im Leitprojekt „Strom als Rohstoff“ gebündelt und entwickeln neue elektrochemische Verfahren zur Herstellung von Basischemikalien.
Das Projekt ist bereits 2015 gestartet. Seitdem sind Prozesse entstanden, wurden technisch demonstriert und ihre Kopplung mit dem deutschen Energiesystem analysiert. Auf der Achema 2018 präsentieren die Partner noch bis Ende der Woche Know-how, Technologien und Demonstratoren aus dem Leitprojekt (Halle 9.2, Stand D66).
Das erwartet Sie auf der Achema
Mit Strom zu Wasserstoffperoxid on Demand: Die umweltfreundliche Chemikalie Wasserstoffperoxid (H2O2) kommt unter anderem als Bleichmittel und zur Entschwefelung zum Einsatz. Die Produktion ist jedoch kostenintensiv und benötigt große Mengen an Lösungsmitteln und Energie. Für viele Anwender wäre es ein großer Vorteil, auf die umfangreiche Logistik und Lagerung verzichten und H2O2 nach Bedarf (on demand) dezentral herstellen zu können. Die Forscher haben deshalb einen Demonstrator für die kontinuierliche, elektrochemische Herstellung von H2O2 im wässrigen Reaktionssystem einschließlich Kopplung an chemische Folgeprozesse entwickelt. Der Prozess kann kleinskalig, dezentral und im Idealfall mit 100 Prozent erneuerbarem Strom betrieben werden – das Prozessschema wird auf dem Messestand gezeigt.
Die CO2-Raffinierie: Kohlenstoffdioxid ist eine sinnvolle Kohlenstoffquelle für Chemikalien und Treibstoffe, wenn erneuerbare Energie zur Aktivierung genutzt wird. Auf diese Weise werden Strom, CO2 und Wasser zu Rohstoffen einer neuartigen CO2-Raffinerie. Im Leitprojekt werden mehrere Verfahren zur elektrochemischen Konversion von CO2 zu Basischemikalien entwickelt.
Mit Strom zu Ethen oder Alkohol: So konnte die Herstellung von Ethen, der mit Abstand wichtigsten Basischemikalie der petrochemischen Industrie, aus CO2 und Wasser in nur einem Schritt demonstriert werden. Außerdem wird ein Prozess zur elektrochemischen Herstellung kurzkettiger Alkohole (C1–C4) – hierzu zählt beispielsweise Methanol – erforscht, der über ein neues einstufiges Hochdruckelektrolyseverfahren CO2 und Wasser umsetzt. Das Prinzip der Hochdruckelektrolyse veranschaulicht Fraunhofer Umsicht auf der Messe anhand einer nachgebauten Hochdruckzelle mit integrierten Elektroden. Langkettige Alkohole (C4–C20) werden etwa in der Kunststoff-, Kosmetik- und Waschmittelproduktion eingesetzt. Um die hochpreisigen Grundstoffe zu gewinnen, haben Fraunhofer-Forscher einen gekoppelten Prozess aus Hochtemperaturelektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese entwickelt, der langkettige Alkohole aus CO2 und Wasser herstellt. Die Synthese wird erstmalig über einen zweistufigen Prozess realisiert. Eine Hochtemperaturstabile Festoxidzelle für Power-to-Gas-Prozesse und ein Plexiglasreaktor demonstrieren auf der Achema das Prinzip hinter den chemischen Prozessen.
Vom Molekül zum Prozess: Membranen, Elektroden und eine ausgefeilte Analytik sind wichtige Werkzeuge elektrochemischer Zellen und Prozesse. Eines dieser neu entwickelten Werkzeuge wird auf der Achema präsentiert: Eine neuartige Membran für geteilte elektrochemische Zellen, die sich neben der sehr guten Protonenleitfähigkeit durch einen geringeren Preis und eine verbesserte Recyclingfähigkeit auszeichnet.
Des Weiteren sind zur Unterstützung der einzelnen Prozesse Modellierungswerkzeuge und ein Entscheidungsunterstützungssystem konzipiert worden. Wie das interaktive Tool für multidimensionale Datensätze Ergebnisse visualisiert und elektrochemische Prozesse in Abhängigkeit des Energiemarktes steuert, zeigen die Forscher auf dem Messestand.