Ackermanns Seitenblicke Konsumzwang durch beschleunigtes Altern

Früher haben Geräte wie einst die Polaroid-Kamera ewig gehalten. Heute ist der technische Fortschritt so schnell, dass beispielsweise ein Smartphone schon nach Ablauf der Garantie nicht mehr auf dem neuesten Stand sind und ein noch neueres Gerät gekauft wird.

16.05.2018

Gewiss wollen Ingenieure helfen, den Verkauf ihrer Erzeugnisse anzukurbeln – indem sie sie etwa attraktiv gestalten und ausstatten. Mit Fantasie, die sich allerdings nicht als geplante Obsoleszenz austoben sollte. Diese geriet im Januar ins Interesse der Öffentlichkeit, als europäische Behörden gegen Apple wegen dieses sperrigen Ausdrucks ermittelten.

Früher gab es Haushaltsmaschinen, die jahrzehntelang hielten, vom Hausherrn mit Bordmitteln repariert werden konnten und eventuell gar an die Nachkommen vererbt wurden. Die Generationenfolge von Geräten glich eher der des Menschen, als den zwei, drei Jahren von beispielsweise aktuellen Druckern oder den paar Monaten moderner Smartphones. Das wird Ihnen heute kaum mehr begegnen. Doch – das möchte ich gerne einräumen –, nicht jeder hält Vintage-Geräte im Alltagsgebrauch für sonderlich erstrebenswert. Denn der Fortschritt der Technik, die Triebfeder unseres Tuns, unterliegt der Akzeleration. Alles wird immer schneller, einfacher und bequemer. Und aktuelle Sicherheits- oder Umweltvorschriften lassen sich mit den in Ehren gealterten Kisten selten einhalten.

Andererseits ärgert man sich grün und blau, wenn ein erworbenes Prachtstück des technischen Fortschritts kurz nach Ablauf der Garantiezeit irreparabel seinen Geist aufgibt. In solchen Fällen argwöhnt man, da habe sich der Hersteller die geplante Obsoleszenz zunutze gemacht. Man kratzt sein Geld zusammen – weil man auf die Funktionalität nicht mehr verzichten kann – und versucht zähneknirschend sein Glück bei einem anderen Hersteller. Das Spiel beginnt von vorn, mit womöglich noch kürzeren Zykluszeiten. Obsoleszenz nennt man die natürliche oder künstliche Alterung oder den Wertverlust von Produkten. Man hat offensichtlich gelernt, diese gewinnbringend zu manipulieren, also sie zu planen: beispielsweise durch konstruktiv bedingte schwierige Reparaturmöglichkeiten. Ein gutes Beispiel dafür sind verklebte statt verschraubte Gehäuse, die den Akkuaustausch nahezu unmöglich machen. oder zu hohe Reparaturkosten, die zuweilen über dem Neukaufpreis liegen. Besagter geplanter Obsoleszenz liegt eine perfide Strategie zugrunde, die bewusst Schwachstellen in Produkte einbaut, so dass sie nach einer als viel zu kurz empfundenen Zeit nicht mehr oder nur noch eingeschränkt genutzt werden können.

Das Verfahren kennt zahlreiche, technisch durchaus fantasievolle Formen: den geplanten Mehrverbrauch oder Verbrauchszähler, die viel zu früh den Austausch der Tonerkassette oder des Filters in der Kaffeemaschine verlangen, den indirekten Verschleiß, bei dem durch Änderung eines Bauteils ein anderes schneller ausfällt oder konstruktive Änderungen, wie ein hitzeempfindliches Bauteil, das bewusst an heißen Stellen verbaut wird. In der Computerbranche kommt auch gerne die funktionelle Obsoleszenz zum Einsatz. Darunter fällt beispielsweise, dass das neue Betriebssystem keine alten Treiber oder Programme unterstützt oder schnellere Prozessoren oder größere Speicher voraussetzt.

Verbraucherschützer mahnen: Neben den Kosten fördert die geplante Obsoleszenz Konsumzwang, Umweltverschmutzung und ein generelles Misstrauen in die Wirtschaft. Diese zu vermeiden, gibt es einleuchtende Maßnahmen: Leihen statt kaufen, Selbermachen und so Kreativität und Individualität fördern und Produkte aus wiederverwertbaren Materialen kaufen, um den Rohstoffmarkt zu entlasten. Und als neue Technik stemmen sich künftig 3D-Drucker dem Trend entgegen, mit denen man nicht oder nicht mehr erhältliche Ersatzteile einfach nachmacht. Irgendwie muss man sich doch wehren können!

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  • Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des „Technischen Reports“ im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

    Solange es die Elektronikindustrie gibt, begleitet Roland Ackermann sie. Unter anderem als Chefredakteur, Verlagsleiter und Macher des „Technischen Reports“ im Bayrischen Rundfunk prägt er die Branche seit den späten 1950er-Jahren mit.

    Bild: Roland Ackermann

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