Die Transmissionselektronenmikroskopie ermöglicht es, die atomare Struktur von Materialien sichtbar zu machen. Sie eignet sich besonders gut dazu, etwaige Fehler im Atomgitter der Materialprobe direkt aufzudecken, die je nach Anwendung schädlich oder nützlich sein können. Allerdings kann der energiereiche Elektronenstrahl die Struktur auch beschädigen, entweder durch elastische Stöße oder elektronische Anregungen, oder eine Kombination aus beidem.
Außerdem können Gase, die im Vakuum des Geräts verbleiben, zur Schädigung beitragen, indem aufgespaltene Gasmoleküle Atome des Gitters wegätzen. Bisher wurden Messungen mit dem Transmissionselektronenmikroskop an hexagonalem Bornitrid (hBN), einer Bor-Stickstoff-Verbindung, unter relativ schlechten Vakuumbedingungen durchgeführt, was auch zu einer schnellen Schädigung führte. Aufgrund all dieser Einschränkungen war bisher nicht klar, ob Leerstellen – einzelne fehlende Atome –, im Bor-Stickstoff-Gitter kontrolliert erzeugt werden können.
Einatomige Leerstellen
Forschenden der Universität Wien gelang nun die Erzeugung einatomiger Leerstellen mit Hilfe der aberrationskorrigierten Rastertransmissionselektronenmikroskopie im nahezu Ultrahochvakuum. Das Material wurde mit einer Reihe von Elektronenstrahl-Energien bestrahlt: Bei niedrigen Energien ist die Schädigung drastisch langsamer als bei schlechterem Vakuum.
Bei mittleren Elektronenenergien können einzelne Bor- und Stickstoffleerstellen erzeugt werden, wobei Bor-Atome aufgrund ihrer geringeren Masse doppelt so wahrscheinlich herausgeschleudert werden. Atomar genaue Messungen sind zwar nicht möglich bei den höheren Energien, die bisher verwendet wurden, um hBN dazu zu bringen, einzelne Lichtteilchen auszustrahlen. Jedoch sagen die aktuellen Ergebnisse voraus, dass sich hierbei Stickstoff wiederum leichter ausstoßen lässt – sodass die leuchtenden Leerstellen bevorzugt erzeugt werden können.
Ergebnisse und Schlussfolgerung
Robuste Statistiken, die durch akribische experimentelle Arbeit gesammelt wurden, kombiniert mit neuen theoretischen Modellen, waren für diese Schlussfolgerungen entscheidend. Die Erstautorin Thuy An Bui hat seit ihrer Masterarbeit an dem Projekt gearbeitet: „Bei jeder Elektronenenergie musste ich viele Tage am Mikroskop verbringen und sorgfältig eine Datenreihe nach der anderen sammeln“, sagt sie. „Sobald die Daten gesammelt waren, nutzten wir maschinelles Lernen, um sie genau zu analysieren, aber auch das erforderte viel Arbeit.“
Leitender Autor Toma Susi fügt hinzu: „Um den Schadensmechanismus zu verstehen, haben wir ein Näherungsmodell erstellt, das Ionisierung und Knock-on-Schäden kombiniert. Dies ermöglichte es uns, auf höhere Energien zu extrapolieren und ein neues Licht auf die Entstehung von Gitterfehlern zu werfen.“
Trotz seiner isolierenden Eigenschaften zeigen die Ergebnisse, dass einlagiges hexagonales Bornitrid unter Elektronenbestrahlung erstaunlich stabil ist, wenn chemisches Ätzen verhindert werden kann. In Zukunft könnte es möglich sein, mit Hilfe der Elektronenbestrahlung gezielt Leerstellen zu erzeugen, die einzelne Lichtteilchen ausstrahlen, indem die gewünschten Gitterplätze selektiv mit einer fokussierten Elektronensonde bestrahlt werden. Neue Möglichkeiten der atomar präzisen Manipulation, die bisher für Verunreinigungsatome in Graphen und in massivem Silizium demonstriert wurden, könnten ebenfalls ans Licht gebracht werden.