Werden mechanolumineszente Materialien von außen mechanisch belastet, dann emittieren sie sichtbares oder unsichtbares Licht. Eine solche Anregung kann zum Beispiel durch Knicken oder sanften Druck passieren, aber auch völlig berührungsfrei über Ultraschall. Auf diese Weise lässt sich der Effekt ferngesteuert auslösen und Licht an Orte bringen, die normalerweise eher im Dunkeln liegen – beispielsweise im menschlichen Körper.
Wenn die Ultraschallbehandlung gleichzeitig genutzt werden soll, um lokal Wärme zu erzeugen, so ist es bei einer solch sensiblen Umgebung wichtig, die sich dabei einstellenden Temperaturen genau zu beobachten. Materialwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben nun ein mechanolumineszentes Material entwickelt, mit dessen Hilfe sie mittels Ultraschall nicht nur einen lokalen Wärmeeintrag erzeugen können, sondern das gleichzeitig auch eine Rückmeldung über die Temperatur vor Ort gibt.
Halbleiter und seltene Erden
Die Jenaer Wissenschaftler beschäftigen sich während ihrer Arbeit häufig mit den mechanischen Eigenschaften anorganischer Materialien, insbesondere damit, wie es gelingt, mechanische Prozesse optisch zu beobachten. „Eine mechanisch induzierte Lichtemission kann uns dabei viele Details über die Antwort eines Materials auf mechanische Belastungen liefern“, erklärt Prof. Dr. Lothar Wondraczek von der Universität Jena.
„Doch um das Feld der Anwendungen zu erweitern, ist es mitunter notwendig, zusätzlich auch Informationen über die während der Belastung lokal vorherrschende Temperatur zu erhalten – gerade dann, wenn die Anregung mittels Ultraschall erfolgt. Hier waren wir zunächst ganz einfach an Sensormaterialien in Form feinster Partikel interessiert, die – in eine zu untersuchende Umgebung eingebracht – durch äußere Ultraschallanregung sowohl auf ihre Umgebung einwirken können, als auch Informationen über diese Einwirkung rückkoppeln.“
Dafür haben die Jenaer Wissenschaftler einen Oxysulfid-Halbleiter mit der seltenen Erde Erbiumoxid kombiniert. Die halbleitende Struktur nimmt dann die mechanische Anregung durch Ultraschall auf – das Erbiumoxid liefert die Lichtemission. Aus dem Spektrum des emittierten Lichts kann dann mittels sogenannter optischer Thermometrie die Temperatur herausgelesen werden. „Somit haben wir immer die volle Kontrolle über die Temperaturentwicklung im Material, die sich zusätzlich durch den Ultraschall beeinflussen lässt“, erklärt Wondraczek. „Wir können von außen eine Temperaturerhöhung anregen, diese durch die Lichtemission messen und dadurch einen vollständigen Steuerungskreislauf aufbauen.“
Einsatz in der photodynamischen Therapie
Die ferngesteuerte Lichtemission verbunden mit der Temperaturkontrolle eröffnet für derartige mechanolumineszente Materialien ganz neue Anwendungsbereiche, beispielsweise in der Medizin. „Ein mögliches Einsatzgebiet könnte dabei die photodynamische Therapie sein, bei der mit Hilfe von Licht photophysikalische Prozesse gesteuert werden, die den Organismus bei der Heilung unterstützen können“, sagt der Jenaer Materialwissenschaftler.
Mit mehrfach-responsiven mechanolumineszenten Materialien in Form feinster Partikeln könnte so an einer gewünschten Stelle nicht nur Licht und Wärme generiert, sondern auch gezielt gesteuert werden. Da biologisches Gewebe für das emittierte Infrarotlicht transparent ist, kann man während der Behandlung von außen eine gewünschte Temperatur einstellen und kontrollieren. „Solche Ideen stehen jedoch noch sehr am Anfang. Um sie in die Praxis umzusetzen, benötigt es noch sehr umfangreiche Forschungs- und Studienarbeit.“
Näherliegend sind da andere Anwendungen, bei denen Licht und Wärme gezielt an dunkle Orte gebracht werden sollen. So könnten zum Beispiel die Photosynthese oder andere lichtgetriebene Reaktionen gezielt ausgelöst, beobachtet und gesteuert werden. Ebenso kann – zurück zum Anfang – das Material als Sensor für die Erzeugung oder Beobachtung von Materialveränderungen oder auch als unsichtbare, codierte Markierung auf Materialoberflächen eingesetzt werden.