In der Festkörperphysik führen energetische Anregungen, zum Beispiel Licht-Absorption an Molekül-Kristallen, zu Verzerrungen der räumlichen Struktur oder zu einer Verschiebung von elektrischer Ladung. Diese angeregten Zustände werden oftmals als sogenannte „Quasi-Teilchen“ beschrieben. Ein „Polaron“ ist zum Beispiel eine positive Ladung mit samt seiner Umgebung, in der sich negative Ladungen formiert haben
Wie aber ist das bei biologischen Photorezeptoren?
Die Funktion von Photorezeptoren wird in der Photobiologie erforscht. Diese enthalten immer ein Pigment, das das Licht absorbiert. Wie funktioniert das lichtempfindliche Rezeptormolekül Rhodopsin im Auge? Wieso können Bakterien in Richtung einer Lichtquelle wandern? Woher wissen Zugvögel ihre gewünschte Flugrichtung so genau?
Die Photobiologie beantwortet diese Fragen mit Konzepten der theoretischen organischen Chemie. Das Rhodopsin enthält als Pigment Vitamin A (Retinal), in dem eine C=C-Doppelbindung photochemisch gedreht wird. Flavin-Proteine, so vermutet man, erlauben den Augen der Zugvögel unter Belichtung chemische Prozesse zu starten, die Magnetfeld-abhängig sind und als „Radikalpaar-Mechanismus“ bezeichnet werden.
Und was machen Pflanzen?
Deren „Auge“ ist ein Photorezeptor namens Phytochrom. Er teilt den Pflanzen und Cyanobakterien mit, wie hell es ist und ob sich Photosynthese lohnt. Dieses Photorezeptor-Protein enthält einen offenkettigen Tetrapyrrol-Kofaktor als Pigment, dass das Licht absorbiert. Auch beim Phytochrom erkannte man zuerst, dass Licht eine C=C-Doppelbindung umdreht, wodurch eine Kaskade von kleinen Bewegungen in der Umgebung ausgelöst wird. Das sind alles Begriffe aus der organischen Chemie, die in die Strukturbiologie aufgenommen wurden.
Eine neue Studie untersuchte diesen, durch Licht ausgelösten, Schaltprozess in einem cyanbakteriellen Phytochrom. Mit Hilfe einer besonderen neuen Probenpräparationsmethode, von Doktorandin Lisa Köhler (Universität Leipzig) eingeführt, konnten auch die Zwischenschritte des Reaktionsverlaufs beobachtet werden.
Lokalisierte Polarone
Im Arbeitskreis von Prof. Dr. Jörg Matysik (Institut für Analytische Chemie der Universität Leipzig) konnte auf diese Weise mit der Methode der Kernspinresonanz (NMR) von allen Reaktionsschritten detaillierte Daten aufgenommen werden. „Tatsächlich zeigen die Daten eine C=C-Doppelbindungsisomerisierung. Die führt zu einer Störung des Doppelbindungssystems, einem positiv geladenen Defekt, der sich eigentlich entlang des Doppelbindungssystems bewegen können sollte“, sagt Matysik. Durch seine Ladung ziehe er aber negative Ladung an und wird so auf einer bestimmten Stelle fixiert. Hier liegt also ein Polaron, wie man es aus der Festkörper-Physik kennt, und es ist „selftrapped“ (lokalisiert)
Prof. Dr. Georgeta Salvan von der Professur Halbleiterphysik der Technischen Universität Chemnitz, die an der Interpretation der Daten beteiligt war, erläutert: „Die molekulare Struktur des offenkettigen Tetrapyrrols ähnelt einigen Molekülen, wie dem α-Sexithiophen, die als organische Halbleiter verwendet werden. Daher konnte man schon vermuten, dass auch in diesem Photorezeptor ähnliche Phänomene beobachtet werden können. Es stellt sich uns die Frage, ob Phänomene der Festkörperphysik in biologischen Systemen nicht häufiger vorkommen, aber nicht gefunden werden, weil man nicht nach ihnen sucht.“