Elektronikdesign Mit Exzellenz entwickeln

Bild: TQ-Group
13.06.2014

Alle technischen Produkte werden immer komplexer und deren Anforderungen auch meist anspruchsvoller. Aufgrund der sich verkürzenden Produktlebenszyklen geht das einher mit kürzer werdenden Entwicklungszeiten. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen, die in ihrer Gesamtheit mit Design for Excellence umschrieben werden.

Ausgehend von dem bereits seit langem bekannten DFM (Design for Manufacturability) haben sich zusätzliche „Best Practice“-Vorgehensweisen entwickelt, die in ihrer Gesamtheit als DFX (Design for Excellence) umschrieben werden. Diese stellen sicher, dass alle Anforderungen eines Produktes bei der Entwicklung rechtzeitig und auf effektive Weise berücksichtigt werden. Ein solches DFX kann als 360°-Anforderungsmanagement beschrieben werden. In diesen Prozess sind interne wie externe Kunden, Vertrieb, Marketing, Einkauf, Fertigung, Test-Engineering, Qualitätsmanagement und der Service eingebunden. Dabei werden unter anderem folgende Themen als wichtige Produktanforderungen betrachtet: Fertigbarkeit von Leiterplatte, Verbindungstechniken und Montage, Testbarkeit, technische Lebensdauer und Obsoleszenz, Zuverlässigkeit, Robustheit, Servicebarkeit, Umweltrelevanz und natürlich Kosten für Entwicklung und Serie über die gesamte Lebensdauer des Produktes.

Die Entwicklung bestimmt wesentlich die Serienkosten unter TCO-Gesichtspunkten (Total Cost of Ownership) und die Qualität des Produktes. In einigen Fällen gibt es Synergien zwischen einer Gesamtkostenbetrachtung und Qualitätsansprüchen. In anderen Fällen müssen hier frühzeitig Produktanforderungen mit den damit verbundenen Kosten betrachtet werden. Genau hier liegt einer der Vorteile von DFX als gesamtheitlichem Ansatz: Notwendige Entscheidungen werden in einer möglichst frühen Phase gefällt, in der das Verhältnis von Änderungsaufwänden zum möglichen Nutzen noch optimal ist.

Weitere wichtige Ziele von DFX sind das Minimieren von Risiken in der Entwicklung und eine möglichst kurze Time to Market. Hierzu können schnelle erste Entwicklungsschritte eingeplant werden wie zum Beispiel Funktionsmuster, Mock Ups und so weiter, um frühe Entscheidungen sowohl hinsichtlich technischer Themen als auch hinsichtlich Designanforderungen wie etwa GUIs möglich zu machen. Im Folgenden nun „Best-Practice“-Vorgehensweisen des DFX.

DFM – Design for Manufacturability

Das Thema optimale Fertigbarkeit und deren Berücksichtigung im Entwicklungsprozess ist seit langem übliche Praxis. Dafür gibt es aus Elektroniksicht eine Reihe von Ursachen:

  • Strukturgrößen und Bauteile werden immer kleiner. Ein Bauteil 01005 hat heute eine Breite von etwa 0,1 mm, das ist nur unwesentlich breiter als ein menschliches Haar dick ist.

  • Die Komplexität der Systeme nimmt zu, das heißt mehr Bauteile, höhere Lagenanzahl, höhere Funktionalität und verschiedene Aufbau- und Verbindungsprozesse.

  • Die Prozessfenster für die Verarbeitung werden kleiner, zum Beispiel durch RoHS(Restriction of certain Hazardous Substances)-konforme Prozesse, gleichzeitig müssen kleine und hitzeempfindliche Komponenten zusammen mit schwer zu erwärmenden Leistungskomponenten oder Leiterplattenstrukturen verarbeitet werden.

Aus den oben genannten Themen ergeben sich automatisch die ersten einfachen Handlungsempfehlungen: Strukturgrößen und Bauteile sollten wenn möglich ausreichend groß gewählt und unnötige Komplexität vermieden werden. Diese einfache Vorgehensweise führt zu erleichterten Fertigungsprozessen und damit auch zu höherer Produktqualität. Ein hoher Gleichteileanteil bietet weitere Vorteile zum Beispiel bei Rüst- und Bestückzeiten, aber auch in der Logistik/Materialversorgung und im Einkauf. Ein Design mit großen Toleranzen erleichtert die Fertigung und die Prüfung. Grundsätzlich sind möglichst wenige Fertigungsschritte anzustreben, hier kann zum Beispiel die Through-Hole-Technologie einen Wellen- oder Selektivlötprozess überflüssig machen.

Einen wichtigen Beitrag zum DFM leistet in der Elektronik das Layout. Hier sind die optimale Kupferverteilung, Ausrichtung der Bauteile für Fertigung, Padgeometrien und die Positionierung von Bauteilen wichtig. Damit können unter anderem Fertigungsfehler wie Grabsteine, schlechte Lötstellen und Beschädigungen von Bauteilen etwa beim Trennen und Montieren vermieden werden.

DFT – Design for Testability

Der wichtigste Schritt im DFT ist das frühzeitige Einbinden der Testingenieure in das Entwicklungskonzept. Das Testkonzept muss zum einen enge Regelschleifen in der Fertigung sicherstellen und zum anderen hohe Prüftiefen und effiziente, automatische Tests ohne Doppelprüfungen. Das Layout stellt, neben der optimalen Anordnung von Testpunkten für ICTs, durch Padgeometrien und Bauteilanordnungen eine automatische optische Inspektion oder eine automatisierte Röntgeninspektion an idealerweise allen Pins sicher. Prüfmethoden wie Boundary-Scan-Tests, integrierte Testfunktionen oder Fehlerspeicher, zum Beispiel für Burn-In-Tests, müssen ganz am Anfang der Entwicklung berücksichtigt werden. Damit erschließt sich der Ingenieur ein hohes Potenzial an Prüftiefe und -effizienz, das zu einem späteren Entwicklungszeitpunkt nicht mehr erreicht werden kann.

DFR – Design for Reliability and Robustness

Reliability ist in diesem Zusammenhang als Ausfallsicherheit oder Zuverlässigkeit zu verstehen. Robustness hingegen bezeichnet die Eigenschaft des Produkts, auf Änderungen wie etwa Fertigungstoleranzen, Bauteilchargen oder Umgebungsbedingungen tolerant zu reagieren. Der Einsatz von bewährten Technologien und Bauteilen kann Sicherheit vor Überraschungen bieten, insbesondere da nicht immer alle Bauteile ihre Spezifikationen einhalten. Die Bauteilauswahl spielt eine große Rolle, da sich Ingenieure damit durchaus Ausfallsicherheit erkaufen können, indem sie höherwertige Bauteile (Automotive oder MIL-Bauteile) oder höherwertige Technologien einsetzen oder gefährdete Bauteile mit Spezifikationsreserven versehen. Hier ist eine Abwägung zwischen Kosten und Nutzen beziehungsweise Qualitätsanspruch durchzuführen. Eine klare Kommunikation der Anforderungen an Lieferanten, insbesondere Leiterplattenhersteller, trägt ebenfalls zu erhöhter Produktqualität bei. Den höchsten (und teuersten) Qualitätsanspruch realisiert der Entwicklungsingenieur durch redundante Schaltungen oder Schaltungsteile.

Ein EMV-optimierter Aufbau, meist basierend auf Erfahrungen, ist eine weitere wichtige Aufgabe für die Schaltungsentwicklung und das Layout. Das Kühlen von Bauteilen kann ein wichtiges Thema sein, entweder realisiert durch Wärmeableitung in der Leiterplatte und/oder durch Anbinden an Kühlelemente und Gehäuse. Das Erwärmen von Bauteilen im Betrieb und das geeignete Positionieren von wärmeempfindlichen Bauteilen wie Elektrolytkondensatoren (Elkos) nicht in direkter Umgebung dazu, spielt für die Ausfallsicherheit eine große Rolle. Um die Entwicklungsergebnisse frühzeitig abzusichern, sind Simulationen ein wichtiges Hilfsmittel – sei es Spice zur Schaltungssimulation, Signalanalysen, Timing-Analysen oder FEM-Simulationen für Wärme und Mechanik.

Am Ende der Entwicklung ist eine saubere Inbetriebnahme mit Tests in den möglichen Betriebszuständen und Umgebungsbedingungen notwendig. Hierbei werden unter anderem alle relevanten Pegel, Stromversorgungen und Signale überprüft, das natürlich ergänzt durch zutreffende Umwelttests wie Temperatur, Temperaturwechsel, Schock, EMV oder auch Schadgase. Weitere wichtige Informationen über das Entwicklungsergebnis erhalten die Entwickler durch beschleunigte Lebensdauertests und durch einen dokumentierten Erstmusterprozess, der mögliche Verbesserungspotenziale aufzeigt, bevor das Produkt in Serie geht.

DFS/DFL – Design for Serviceability/Longevity

Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die langfristige Bauteilverfügbarkeit. Während der Entwicklung sollte dazu eine frühe Klärung stattfinden: In welchem Markt wird das Bauteil eingesetzt und durch welche Anwender? In welchem Bereich seines Lebenszyklus befindet sich die Komponente? Diese Informationen und natürlich auch die Zusicherungen von Herstellern zur Langzeitverfügbarkeit machen eine zuverlässige Verfügbarkeits-Prognose möglich. Auch für DFS und DFL ist ein hoher Gleichteileanteil wichtig, idealerweise auch zu anderen Produkten, da dies die spätere Lagerhaltung und Logistik vereinfacht. Serviceability erfordert zusätzlich eine gute (De)Montierbarkeit und Testbarkeit der Serienbaugruppen. Hier kann etwa eine Lackierung oder Verklebung hinderlich werden, wenn zur Fehlersuche ein ICT notwendig ist.

DFC – Design for Cost

Viele der oben bereits genannten Vorgehensweisen haben auch Kostenvorteile: Gleichteile bei der Bauteilauswahl, langfristige Verfügbarkeit, effiziente Fertigung und Prüfung oder auch die Vermeidung unnötig enger Toleranzen. Eine hohe Ausfallsicherheit macht sich über die Lebensdauer ebenfalls in positivem Sinne bemerkbar.

Im Layout ist es aus Qualitäts-, Kosten- und Beschaffungsgründen wichtig, möglichst auf Standard-Leiterplattentechnologien zu gehen. Bei der Bauteil- und der Technologieauswahl muss in der Entwicklung hingegen oftmals eine Abwägung aus Kosten- und Qualitätssicht getroffen werden. Zusätzlich ist hier auf eine vernünftige Supply-Chain und Bündelungsmöglichkeiten zu achten.

DFX ist kein einfacher Prozess, sondern ein Strauß an Vorgehensweisen, internen Leitfäden und Best-Practice-Beispielen, die helfen komplexe Entwicklungen in engen Zeit- und Kostenrahmen zum gewünschten Ergebnis zu führen.

Bildergalerie

  • Abbildung 1: Änderungen sollten angesichts der Umsetzbarkeit und Kosten in einer frühen Phase des Produktlebenszyklus erfolgen.

    Abbildung 1: Änderungen sollten angesichts der Umsetzbarkeit und Kosten in einer frühen Phase des Produktlebenszyklus erfolgen.

    Bild: TQ-Group

  • Abbildung 2: Das frühzeitige Einbinden von Testingenieuren in die Entwicklung eines Produktes führt zu einem optimalen Testkonzept wie hier ein ICT-Test mit einem Flying Probe.

    Abbildung 2: Das frühzeitige Einbinden von Testingenieuren in die Entwicklung eines Produktes führt zu einem optimalen Testkonzept wie hier ein ICT-Test mit einem Flying Probe.

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