Fast alle Industriebranchen sehen sich mit steigenden Marktanforderungen konfrontiert: Kunden fordern eine immer vielfältigere Variantenauswahl, und das bei beliebigen Stückzahlen von Losgröße 1 bis hin zu großen Auftragsmengen. Gleichzeitig sind frei nach dem Motto „Heute bestellen, morgen liefern“ kurze Lieferzeiten gefragt. Dabei sollte der Hersteller flexibel genug sein, um auch nach der Bestellung noch Anpassungen vornehmen zu können. Und zu guter Letzt muss natürlich auch die Qualität stimmen, Stichwort „0-Fehler-Produktion“.
Kundenbedürfnisse verstehen und umsetzen
Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, hat Bürkert Fluid Control Systems, Hersteller von Mess-, Steuer- und Regelungssystemen für Flüssigkeiten und Gase, mit der Digitalisierung all seiner unternehmensinternen Prozesse begonnen. Es gilt, die Wertschöpfungs- und Lieferketten zu optimieren (horizontale Integration) und gleichzeitig den reibungslosen Informationsfluss bis in die Fertigung und wieder zurück sicherzustellen. Das Ziel besteht darin, eine möglichst hohe Prozessautomatisierung zu erreichen (vertikale Integration). Die dazu notwendigen Prozesse sollen die Kundenbedürfnisse verstehen und systematisieren können, eventuelle Synergieeffekte aufspüren (beispielsweise zwischen unterschiedlichen Anwendungsbereichen mit ähnlichen Anforderungen) und vollumfänglich umsetzen.
Dazu sind durchgängige Geschäftsprozesse notwendig, angefangen von der Marktanalyse über die Produktplanung und Produktion bis hin zum Bestellwesen und dem After-Sales-Service. Dies bedeutet aber, dass alle an den Prozessen beteiligten Mitarbeiter miteinander vernetzt sind und entsprechend geschult werden müssen. Dafür sind nicht nur geeignete digitale Tools, sondern auch der persönliche Austausch wichtig. Alle relevanten Informationen müssen für jeden, der sie benötigt, verfügbar sein. Zu diesem Zweck müssen definierte Prozesse generiert und kontinuierlich optimiert werden. Nur dann ist es möglich, dem Markt „vorauszudenken“ und zukunftsgerecht zu planen.
Standardisierung und Individualisierung
Auf der Basis durchgängiger Geschäftsprozesse lassen sich die Standardisierung und die Individualisierung gleichermaßen vorantreiben, zum Beispiel durch Modularisierung, multifunktionale Bauteile, Baukastensysteme oder Plattformen. Dabei muss man immer im Hinterkopf behalten, dass es Losgrößen von 1 bis hin zu großen Stückzahlen zu bedienen gilt. Eine smarte Produktentstehung verhindert mithilfe intelligenter Konzepte, dass die externe Forderung nach möglichst großer Variantenvielfalt und Individualisierung zu einer ständig wachsenden internen Varianz führt. Beispielsweise können dem Kunden individuelle Lösungen angeboten werden, indem man sich Synergieeffekte zunutze macht. Dabei werden die aus den unterschiedlichen Kundenanwendungen gewonnenen Erkenntnisse systematisch standardisiert. Durch Konfigurationen sind dann passgenaue Lösungen entsprechend der Kundenanforderungen schnell und individuell realisierbar.
Die Abwicklungsprozesse standardisieren
Den unterschiedlichen Produkten wird dann eine bestimmte Art der Auftragsabwicklung zugeordnet:
Select-to-Order (STO): Der einfachste Fall – hier wählt der Kunde aus dem Standardprogramm.
Configure-to-Order (CTO): Etwas komplexer – hier kann eine bestimmte Produktlinie, beispielsweise Ventilinseln, mit bestimmten Optionen kundenindividuell konfiguriert (geschlossene Konfiguration) oder um Sonderwünsche ergänzt werden, zum Beispiel bezüglich der Anschlusstechnik oder des Materials (halbgeschlossene Konfiguration).
Engineer-to-Order (ETO): Die offene Konfiguration – hier lassen sich individuelle Lösungen durch Standardisierung ebenfalls bis zu einem hohen Grad designautomatisieren, also auf Basis physikalischer und geometrischer Regeln.
Darüber hinaus gibt es typische Sonderlösungen. Es wird jedoch stets angestrebt, diese Lösungen aus den eben erwähnten Standardisierungen abzuleiten. Bürkert bemüht sich also, die vom Kunden gewünschten Individualisierungen so umfassend wie möglich standardisiert zu bedienen. Zudem wird die Fertigung so ausgerichtet, dass der Markt möglichst wirtschaftlich und mit möglichst kurzen Lieferzeiten bedient werden kann.
Steuerung von Produktion und Logistik
Für die Produktion und Logistik ergeben sich damit zwei Szenarien, je nachdem, ob die Anzahl der für die Produktion notwendigen Teile die Just-in-Sequence-Schwelle überschreitet oder nicht. Im zweiten Fall kann verbrauchsgesteuert über ein Kanban- oder Conwip-System gefertigt werden. Wird die Varianz jedoch zu groß, muss die Automatisierungspyramide neu definiert werden, um die Produktion ad hoc mit den benötigten Bauteilen zu beliefern. Dabei muss die vertikale Integration einen reibungslosen Informationsfluss vom PLM(Product Lifecycle Management)- und ERP(Enterprise Resource Planning)-System bis zur Fertigungsebene und zurück gewährleisten. Mit anderen Worten: Die Maschinen arbeiten auftragsbezogen, gleichzeitig stehen die Fertigungsdaten aber in Echtzeit für eine optimale Steuerung und eine lückenlose Dokumentation zur Verfügung.
Nach der Fertigung beginnt das Leben eines Produktes dann erst so richtig. Jetzt gilt es, die bisher im Prozess angefallenen Informationen sinnvoll zu strukturieren und weiterzuverwenden. Dafür müssen alle Daten zentral verfügbar sein. Eine ganzheitliche Informationsbereitstellung über ein Data Backbone ist die Grundlage für After-Sales-Services, die genau auf den jeweiligen Kunden und seine Applikation abgestimmt sind, beispielsweise aktuelle Dokumentationen zu jedem Gerät oder Hinweise zu vorbeugenden Wartungsmaßnahmen. Nur so wird das Ziel, den Betreiber zufriedenzustellen, in vollem Umfang erreicht. Die digitale Transformation ist die Voraussetzung dafür.