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Interview mit Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovation bei Lapp „Nachhaltiger dank Innovation“

Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovation bei Lapp: „Innovationen sollten nie getrennt von der Produktion gesehen werden, sonst bremst das das Unternehmen in der Time-to-Market erheblich aus.“

Bild: Lapp
30.10.2023

Was haben Kabel mit Nachhaltigkeit zu tun? Sehr viel sogar, wie Hubertus Breier, neuer Vorstand für Technik und Innovation bei Lapp, im Gespräch mit A&D hervorhebt. Innovationsprozesse und die Koppelung mit der Produktion sind dabei laut Breier die entscheidenden Hebel, um zum Beispiel den CO2-Fußabdruck der Produkte maßgeblich senken zu können – sowohl bei Lapp selbst als auch bei Kunden.

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Lösungsanbieter, kleine Losgrößen – Innovationen sind überall gefragt. Wie war Lapp für die aktuellen Herausforderungen aufgestellt, als Sie im April 2023 im Unternehmen starteten?

Als ich zu Lapp kam, war ich positiv überrascht von der Positionierung im Innovationsbereich. Hier gibt es ein äußerst agiles und professionell arbeitendes Team, das bereits viele methodische Aspekte abdeckt, die mich schon lange begleiten. Wir haben hier einen Innovationsprozess namens „Innovation-for-Future“, der stark an die Methoden von Lean-Start-ups angelehnt ist. Das bedeutet, wenn wir uns in unbekanntes Terrain begeben, indem wir neue Produkte oder Lösungen entwickeln, die sowohl für unser Unternehmen als auch für unsere Kunden neu sind, interagieren wir frühzeitig mit unseren Kunden und holen uns deren Feedback ein. Dieses iterative Vorgehen ist der Kern von Start-ups. Wenn ich beispielsweise ein kleiner Unternehmer in meiner Garage bin, muss ich mit begrenztem Budget versuchen, meinen ersten Kunden von meiner Idee zu überzeugen. Das ist der Grundgedanke. Hier bei Lapp haben wir dieses Prinzip erfolgreich umgesetzt. Wir legen in der Forschung und Entwicklung auch großen Wert auf enge Zusammenarbeit und Interaktion mit unserem Vertrieb, denn er ist die „innere Stimme“ des Kunden und versteht dessen Anforderungen.

In einer Pressemitteilung habe ich gelesen, dass Lapp seine F&E-Aktivitäten neu aufgestellt hat und kräftig investiert. Sind Sie diese Investition?

(Lacht) Nein, ich bin sicherlich nicht der alleinige Grund für diese Investitionen. Tatsächlich wurde der Innovationsbereich vor kurzem unter der Leitung meiner Kollegin Dr. Susanne Krichel, Leiterin Innovation and Advanced Technology, neu strukturiert. Sie und ich sind gleichermaßen davon überzeugt, dass wir bereits ein starkes Innovations-Team haben, das dabei ist, weltweit Trends zu identifizieren und in innovative Produktlösungen umzusetzen. Unsere Investitionen in F&E sind darauf ausgerichtet, unsere Innovationskraft weiter zu stärken und sicherzustellen, damit wir führend in der Branche bleiben. Neben unseren deutschen Standorten betreiben wir 20 F&E-Zentren an verschiedenen Standorten weltweit, darunter New Jersey, Shanghai, Seoul, Bangalore und Singapur. Wir wollen die Trends und Kundenbedarfe aus internationalen Märkten direkt vor Ort frühzeitig erkennen.

Wie schaffen Sie Raum für revolutionäre Ideen neben der Weiterentwicklung des Kerngeschäfts?

Die Schaffung von Raum für revolutionäre Ideen ist von entscheidender Bedeutung, und wir verfolgen einen zweigleisigen Ansatz. Einerseits haben wir einen klassischen Stage-Gate-Innovationsprozess, in dem Produkte evolutionäre Verbesserungen erfahren. Das ist absolut wichtig, damit unsere Kernprodukte unabhängig von neuen Innovationen stetig die volle Aufmerksamkeit bekommen. Im bereits erwähnten „Innovation-for-Future“ Prozess schaffen wir ergänzend den benötigten Rahmen, um völlig frei und in Zusammenarbeit mit Kunden vor allem revolutionäre Ideen umzusetzen. Wir ermutigen unsere Produktmanager:innen dazu, sich als Unternehmer:innen für ihre Produktgruppen zu verstehen und Lösungen in Abstimmung mit den Kunden zu entwickeln. Die Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit sind entscheidend, um den Kundenwünschen gerecht zu werden und als Lösungsanbieter erfolgreich zu sein. Perfektion kann später kommen, aber die Schnelligkeit ist der Schlüssel zum Erfolg.

Muss ein Innovationsprozess zwingend auch mit dem Produktionsprozess gekoppelt werden? Wird das gerne vergessen?

Absolut! Die Koppelung der Prozesse ist auch ein Steckenpferd von mir und ist von entscheidender Bedeutung. Dies wurde in der Vergangenheit oft übersehen, aber es ist ein sehr wichtiger Aspekt für erfolgreiche Entwicklungen in der modernen Industrie. Sowohl kleine Losgrößen, individuelle und maßgeschneiderte Kundenlösungen und neue Innovationen müssen sich schnell in der Produktion umsetzen lassen. Auch weil Kunden in ihren Projekten oft erst spät an die Connectivity im Bereich der Daten-, Signal- und Leistungsübertragung denken. Und dann muss es zügig gehen. Hier liegen unsere Stärken. Schnelle Lieferungen und Reaktionszeiten sind für uns entscheidend. Andererseits schätzen unsere Kunden die hohe Varianz, da sie für jedes Problem die perfekte Lösung bekommen. Eine Einheitslösung reicht oft nicht aus. In der Fertigung stehen wir also vor der Herausforderung, mit hoher Varianz und kleineren Losgrößen in einer hochautomatisierten Umgebung zu arbeiten, ohne die Kosten in die Höhe zu treiben. Schnelle Umrüstungen in der Produktion sind ein Schlüsselfaktor, um auf die Bedürfnisse der Kunden schnell reagieren zu können. Ein Beispiel dafür ist die Umrüstung einer Produktionslinie. Wenn wir von einem bestimmten Mantelmaterial auf ein anderes umstellen müssen, dauerte das früher Stunden. Aber wenn wir mehrere solcher Umrüstungen pro Schicht haben, produzieren wir in dieser Zeit sehr ineffizient. Daher haben wir unter anderem im Werk in Forbach schnelle Umrüstungssysteme entwickelt, die die Downtime erheblich reduzieren. Ein weiteres Beispiel betrifft unsere ETHERLINE Datenleitungen in höheren Leistungsklassen wie Cat. 7 – hohe Datenraten, mit kleinen Querschnitten und maximaler Störfestigkeit. Hier liegt die Lösung in einer innovativen Aderisolationsschicht, für welche wir in einem speziellen Verfahren während des Extrusionsprozesses Gas zuführen, um eine schaumige Isolation um den Kupferleiter zu erzeugen und somit die Leistung zu steigern. Innovationen sollten also nie getrennt von der Produktion gesehen werden, sonst bremst das das Unternehmen in der Time-to-Market erheblich aus.

Wenn wir über Innovationen sprechen, dann fällt schnell auch das Schlagwort Digitalisierung. Welche Rolle spielt sie bei Lapp?

Die Digitalisierung, und damit zunehmend datenbasierte Vernetzung von Komponenten und Anlagen, ist zweifelsohne ein wichtiger Schwerpunkt und neues Geschäftsfeld bei Lapp. Sie spielt eine Schlüsselrolle in unserem Produktportfolio. In der heutigen Industrie sind stabile Netzwerke von entscheidender Bedeutung, da Netzwerkausfälle zu erheblichen Produktionsausfällen führen können. Feldbussysteme werden durch Lösungen wie Single-Pair-Ethernet erweitert oder sogar ersetzt. Die ethernetbasierte Anbindung des Sensors an die „Cloud“ ist ein Trend, der immer mehr Anklang findet. Daher gibt es ein großes Potenzial für digitale Lösungen wie die Überwachung von Kabelnetzwerken. Wir arbeiten kontinuierlich an Lösungen, die dazu beitragen, die Zuverlässigkeit von Netzwerken zu verbessern und frühzeitig potenzielle Ausfälle zu erkennen. Unsere Kernkompetenz liegt in der Bereitstellung von Lösungen für industrielle Kommunikation und Netzwerktechnik, was uns in eine ideale Position für die Entwicklung von digitalen Services und Lösungen im Bereich der Kabeltechnologie bringt. Um es auf den Punkt zu bringen: Digitalisierung erfordert die Übertragung von Daten, und das geschieht über Kabel – auch vor oder nach drahtlosen Übertragungsstrecken!

Jetzt sind Sie Vorstand für Technik und Innovation. Muss beides vor allem auch in mehr Nachhaltigkeit einzahlen?

Es muss nicht nur einzahlen, Nachhaltigkeit ist eines unserer Topthemen auf Vorstandsebene. Wir haben klare Ziele und streben in allen Bereichen nach nachhaltigen Lösungen. Das betrifft nicht nur die Produkte selbst, sondern auch die Art und Weise, wie wir sie herstellen und welche Materialien wir verwenden. Wir setzen bereits auf wiederverwendbares Holz und recycelbare Verpackungen. Darüber hinaus reduzieren wir die Dicke von Verpackungsfolien, um Ressourcen zu schonen. In unserer Fertigung setzen wir auf Energieeinsparung und Photovoltaik, um unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Kupfer, das in unseren Produkten verwendet wird, ist ein großer CO2-Verbraucher. Wir wählen unsere Lieferanten sorgfältig aus, um sicherzustellen, dass sie entweder einen hohen Sekundärkupferanteil verwenden oder grünes Primärkupfer liefern. Außerdem untersuchen wir verschiedene Ansätze, um den Kupfereinsatz in unseren Produkten zu reduzieren. Zum Beispiel durch Gleichstrom in industriellen Netzwerken – durch die höhere Systemspannung von 650 Volt können in vielen Fällen kleinere Kupferquerschnitte zum Einsatz kommen und gegenüber 3-phasigen Energieleitungen fällt bei Gleichstrom eine Phase und damit ein Leiter gänzlich weg. Bio-Kunststoffe reduzieren ebenfalls den CO2-Fußabruck unserer Kabel. Dank eines auf Mais basierendes Biopolymers für die Ummantelung, verbessert sich die Ökobilanz der Leitung um 15 Prozent. Wir sind entschlossen, diese Innovationsanstrengungen weiter voranzutreiben, um noch nachhaltigere Lösungen zu entwickeln. Nachhaltigkeit ist für uns nicht nur ein Schlagwort, sondern ein zentrales Anliegen, das wir in all unseren Aktivitäten berücksichtigen.

Und wie sieht es mit der Kreislaufwirtschaft und dem Recycling bei Lapp aus?

In unseren Produktionsstätten geht es nicht nur um das Herstellen von Kabeln, sondern auch darum, Verantwortung für unsere Umwelt zu übernehmen. Wir haben Recyclinganlagen vor Ort, die Kupferabfälle und Ausschuss effizient wiederverwerten. Aber das ist noch nicht das Ende unserer Reise. Wir entwickeln auch neue Produktionsmethoden, um Kabelkomponenten aus reinem PVC zu recyceln. Die Kreislaufwirtschaft spielt also eine zentrale Rolle in unserer Unternehmensstrategie. Wir sind uns bewusst, dass unsere Produkte, insbesondere Kabel, aufgrund ihrer Langlebigkeit noch wenig Potenzial für Kreislaufprogramme haben. Allerdings arbeiten wir trotzdem bereits an Programmen, die es unseren Kunden ermöglichen, Produkte am Ende ihrer Lebensdauer zurückzugeben. Dadurch könnten wir Ressourcen effizienter nutzen und Abfall minimieren. Schon jetzt nehmen wir Verpackungen und Kabeltrommeln zurück. In unserer DNA ist Nachhaltigkeit fest verankert. Wir glauben fest daran, dass unsere Bemühungen nicht nur unsere Branche beeinflussen, sondern die gesamte Industrie in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft lenken werden. Das ist unsere Leidenschaft, und wir sind stolz darauf, einen Beitrag zur Veränderung zu leisten.

Ein weiterer Trend, den Lapp schon seit Jahren aktiv vorantreibt, ist die DC-Technologie. Bekommt diese durch Nachhaltigkeitsbestrebungen ebenfalls einen neuen Schub?

Die DC-Technologie gewinnt in der Tat an Bedeutung, insbesondere aufgrund der einfachen Integration von Photovoltaikanlagen und Elektrofahrzeug-Ladeinfrastrukturen in Produktionsumgebungen. Während die Elektrizität als Wechselstrom in der Vergangenheit hauptsächlich durch rotierende Generatoren erzeugt wurde, produzieren moderne Energiequellen wie Photovoltaikanlagen Gleichstrom. Dies führt zu der Chance durch industrielle Gleichstromnetze oder hybride Netze aus AC und DC Umwandlungsverluste zu vermeiden – Gleichstrom wird direkt von der Quelle zum Verbraucher ohne Umwandlung geführt. Lapp erkannte diese Entwicklung schon vor vielen Jahren auf Forschungsseite und engagiert sich aktiv in der Open Direct Current Alliance (ODCA) des ZVEI e.V., um die Marktreife der DC-Technologie voranzutreiben. Wir bieten bereits ein komplettes ÖLFLEX DC Portfolio an, um die Anbindung von Energiespeichern, Photovoltaikanlagen und Gleichstromverbrauchern zu ermöglichen. Dezentrale Energiespeicherung und Sektorenkoppelung, bei der Gleichstrom eine wichtige Rolle spielt, wird in Zukunft immer wichtiger. Der Einsatz von DC-Technologie ermöglicht bereits in existierenden Anlagen bis zu 10 Prozent Energieeinsparung.

Zusammenfassend: Was spricht für Lapp in Bezug auf nachhaltige Verbindungslösungen?

Wir bieten nicht nur Kabel und Stecker, sondern umfassende Verbindungslösungen an. Unser Fokus liegt darauf, unseren Kunden zuverlässige und effiziente Lösungen anzubieten, die weit über Kabel und Stecker hinausgehen. Wir verstehen, dass wir mehr als nur ein Komponentenlieferant sind; wir sind ein ganzheitlicher Lösungspartner. Unsere Produkte und Dienstleistungen sind darauf ausgerichtet, die Anforderungen unserer Kunden hinsichtlich Nachhaltigkeit und Effizienz in der gesamten Lieferkette zu erfüllen. Wir setzen uns dafür ein, dass unsere Lösungen nicht nur technisch überzeugen, sondern auch den ökologischen Fußabdruck unserer Kunden minimieren, um eine nachhaltige Zukunft zu fördern.

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