Wechselspiel aus Exzitionen und Isolator Neue Generation von lichtgesteuerten Bauelementen

Drei Exzitonen (Elektron-Loch-Paare) auf dem topologischen Isolator Bismuten. Durch die bienenwabenförmige Atomstruktur fließen die Elektronen nur am Rand des Materials.

Bild: Pawel holewa / ct.qmat
13.01.2023

Im Rahmen des Würzburg-Dresdner Exzellenzclusters ct.qmat wurden erstmals Exzitonen in einem topologischen Isolator erzeugt. Ein zukunftsweisender Durchbruch in der Quantenforschung, basierend auf Materialdesign aus Würzburg.

Mit dem ersten Nachweis von Quasiteilchen – sogenannten Exzitonen – in einem topologischen Isolator ist einem internationalen Wissenschaftsteam rund um das Würzburg-Dresdner Exzellenzcluster ct.qmat ein Durchbruch in der Quantenforschung gelungen. Diese Entdeckung schafft die Grundlage für eine neue Generation von lichtgesteuerten Computerchips und Quantentechnologien. Möglich wurde dies durch geschicktes Materialdesign aus Würzburg – dem Geburtsort topologischer Isolatoren.

Neue Werkzeugkiste für die Festkörperphysik

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien der Universitäten Würzburg und Dresden konzentrieren sich bei der Suche nach neuen Materialien für künftige Quantentechnologien unter anderem auf topologische Isolatoren. Diese können Strom verlustfrei leiten und Informationen besonders stabil speichern. Die erste experimentelle Realisierung dieser Materialklasse fand 2007 in Würzburg statt und hat zu einem weltweiten Forschungsboom in der Festkörperphysik geführt, der bis heute anhält.

Bisherige Konzepte für die Nutzung von topologischen Isolatoren beruhen auf dem Anlegen einer elektrischen Spannung, um Ströme zu steuern – ähnlich den Schaltvorgängen in konventionellen Computerchips. Wenn die exotischen Materialeigenschaften allerdings auf neutralen Teilchen beruhen – also weder positiv noch negativ geladen sind – funktioniert das Anlegen einer elektrischen Spannung nicht mehr. Solche Quantenphänomene erfordern daher andere Werkzeuge, um überhaupt erzeugt werden zu können – zum Beispiel Licht.

Quantenphänomen verknüpft Optik & Elektronik

Ein internationales Forschungsteam rund um den Würzburger Quantenphysiker und Co-Sprecher von ct.qmat, Professor Ralph Claessen, hat nun eine entscheidende Entdeckung gemacht: „Wir konnten zum ersten Mal überhaupt Quasiteilchen – sogenannte Exzitonen – in einem topologischen Isolator erzeugen und experimentell nachweisen. Damit haben wir eine neue Werkzeugkiste für die Festkörperphysik geschaffen, mit deren Hilfe wir Elektronen optisch steuern können. Dieses Prinzip könnte die Grundlage für neuartige Bauelemente werden“, betont Claessen.

Exzitonen sind elektronische Quasiteilchen. Sie verhalten sich wie eigenständige Teilchen, sind aber eine Art Zustand, der nur in bestimmten Quantenmaterialien entstehen kann. „Wir haben die Exzitonen erzeugt, indem wir einen kurzen Lichtpuls auf eine Materialschicht gegeben haben, die nur aus einer einzigen Atomlage besteht“, erklärt Claessen. Außergewöhnlich dabei sei, dass die Exzitonen in einem topologischen Isolator aktiviert wurden – das war bisher nicht möglich. „Damit haben wir eine völlig neue Forschungsrichtung für die topologischen Isolatoren eröffnet“, resümiert Claessen.

Seit etwa zehn Jahren werden Exzitonen in anderen zweidimensionalen Halbleitern untersucht und als Informationsträger für lichtgesteuerte Bauelemente gehandelt. „Jetzt ist es uns erstmals gelungen, Exzitonen auch in einem topologischen Isolator optisch anzuregen. Das Wechselspiel zwischen Licht und Exzitonen lässt in solchen Materialien neue Phänomene erwarten. Dies könnte zum Beispiel genutzt werden, um Qubits zu erzeugen“, sagt Claessen.

Qubits sind die Recheneinheiten für Quantenchips. Sie sind den klassischen Bits vielfach überlegen und lösen in Minutenschnelle Aufgaben, für die konventionelle Supercomputer Jahre brauchen würden. Die Nutzung von Licht statt elektrischer Spannung ermöglicht Quantenchips mit wesentlich schnelleren Taktraten. Die jüngsten Forschungsergebnisse ebnen daher den Weg für zukünftige Quantentechnologien und eine neue Generation von lichtgesteuerten Bauelementen in der Mikroelektronik.

Weltweite Expertise aus Würzburg

Grundlage dafür: das richtige Ausgangsmaterial – in diesem Fall Bismuten. „Das ist der schwere Bruder des Wundermaterials Graphen“, sagt Claessen, der den topologischen Isolator erstmals vor fünf Jahren im Labor maßgeschneidert hat. „Hier sind wir weltweit führend“, ergänzt er. „Durch unser ausgeklügeltes Materialdesign sind die Atome der einlagigen Bismuten-Schicht wabenförmig angeordnet, wie bei Graphen. Der Unterschied ist, dass Bismuten durch seine schweren Atome ein topologischer Isolator ist und Strom daher am Rand verlustfrei leiten kann – sogar bei Raumtemperatur. Graphen kann das nicht.“

Ausblick – großes Potenzial

Nachdem das Forschungsteam erstmals Exzitonen in einem topologischen Isolator erzeugen konnte, rücken nun die Quasiteilchen selbst in den Fokus. Dabei gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ct.qmat der Frage nach, ob die topologischen Eigenschaften von Bismuten auf die Exzitonen übergehen. Dieser wissenschaftliche Nachweis ist der nächste Meilenstein, der erreicht werden soll. Dann wäre sogar der Weg für den Bau topologischer Qubits frei, die als besonders robust gelten im Vergleich zu den nicht-topologischen Exemplaren.

Internationale Zusammenarbeit

Die Forschungsarbeit ist als Ergebnis der Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Bologna, Breslau, New York, Oldenburg und Würzburg entstanden, wobei die 2D-Materialproben von Bismuten an der Universität Würzburg hergestellt wurden.

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