Immer wieder hat man bei Quantenexperimenten mit demselben Problem zu kämpfen, egal ob es um Quantencomputer geht, um Quanten-Teleportation oder neuartige Quanten-Sensoren: Quanteneffekte gehen extrem leicht kaputt. Sie sind äußerst empfindlich gegenüber Störungen von außen – zum Beispiel gegenüber Fluktuationen, die einfach durch die umgebende Temperatur entstehen. Daher ist es wichtig, Quantenexperimente möglichst effektiv abkühlen zu können.
An der TU Wien konnte man nun zeigen, dass eine solche Art von Abkühlung auf eine interessante neue Art erzielt werden kann: Man teilt ein Bose-Einstein-Kondensat in zwei Teile auf, und zwar weder abrupt noch besonders langsam, sondern mit einer ganz bestimmten zeitlichen Dynamik, die dafür sorgt, dass zufällige Fluktuationen so gut wie möglich verhindert werden. So kann man die relevante Temperatur im ohnehin schon extrem kalten Bose-Einstein-Kondensat noch einmal deutlich verringern. Wichtig ist das für Quantensimulatoren, mit denen man an der TU Wien Erkenntnisse über Quanteneffekte erzielen möchte, die mit bisherigen Methoden nicht untersucht werden konnten.
Quantensimulatoren
„Wir arbeiten in unserer Forschung mit Quantensimulatoren“, sagt Maximilian Prüfer der am Atominstitut der TU Wien neue Methoden mit Hilfe eines Esprit Grant des FWF erforscht. „Quantensimulatoren sind Systeme, deren Verhalten durch quantenmechanische Effekte bestimmt ist, und die man besonders gut kontrollieren und überwachen kann. Man kann diese Systeme daher verwenden, um grundlegende Phänomene der Quantenphysik zu studieren, die auch in anderen Quantensystemen vorkommen, dort aber nicht so leicht untersucht werden können.“
Man verwendet also ein physikalisches System, um eigentlich etwas über andere Systeme zu lernen. Das ist in der Physik nicht völlig neu: So kann man zum Beispiel auch Versuche mit Wasserwellen machen, um daraus etwas über Schallwellen zu lernen – Wasserwellen sind aber leichter zu beobachten.
„In der Quantenphysik werden Quantensimulatoren in den letzten Jahren immer mehr zum extrem nützlichen und vielseitigen Werkzeug“, sagt Prüfer. „Zu den wichtigsten Möglichkeiten, interessante Modellsysteme zu realisieren, gehören Wolken aus extrem kalten Atomen, wie wir sie in unserem Labor untersuchen.“ In der aktuellen in Physical Review X veröffentlichten Arbeit untersuchten die Wissenschaftler um Jörg Schmiedmayer und Prüfer, wie sich Quantenverschränkung zeitlich entwickelt, und wie das genutzt werden kann, um ein noch kälteres Temperatur-Gleichgewicht zu erzielen als bisher. Die Quantensimulation ist auch ein zentrales Thema im kürzlich gestarteten Exzellenzcluster QuantA, in dem verschiedene Quantensysteme untersucht werden.
Je kälter, umso besser
Die entscheidende Größe, die die Einsatztauglichkeit solcher Quantensimulatoren derzeit normalerweise limitiert, ist ihre Temperatur: „Je besser wir die interessanten Freiheitsgrade des Kondensats abkühlen, umso besser kann man damit arbeiten, umso mehr kann man daraus lernen“, sagt Prüfer.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, etwas abzukühlen: Man kann zum Beispiel ein Gas kühlen, indem man sein Volumen sehr langsam vergrößert. Bei extrem kalten Bose-Einstein-Kondensaten arbeitet man typischerweise mit anderen Tricks: Man entfernt die energiereichsten Teilchen rasch, bis nur noch eine Sammlung von Atomen übrigbleibt, die ziemlich einheitlich recht wenig Energie haben und somit kühler sind.
„Wir verwenden aber eine ganz andere Technik“, sagt Tiantian Zhang, Erstautorin der Studie, die dieses Thema im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Doktoratskolleg des Vienna Center for Quantum Science and Technology untersucht hat. „Wir erzeugen ein Bose-Einstein-Kondensat und spalten es dann in zwei Teile auf, indem wir in der Mitte eine Barriere erzeugen.“ Wie viele Teilchen sich danach auf der rechten und auf der linken Seite der Barriere befinden, ist quantenphysikalisch unbestimmt. Aufgrund der Gesetze der Quantenphysik gibt es hier eine gewisse Unschärfe. Man könnte sagen: Beide Seiten befinden sich in einer quantenphysikalischen Überlagerung verschiedener Teilchenzahl-Zustände.
„Im Mittel befinden sich genau 50% der Teilchen links und 50% rechts“, sagt Prüfer. „Aber die Quantenphysik sagt eben, dass es hier immer zu gewissen Fluktuationen kommt, und auch hier gilt: Die Fluktuationen, also die Abweichungen vom Erwartungswert, hängen eng mit der Temperatur zusammen.“
Abkühlung durch Kontrolle der Fluktuationen
Das Forschungsteam an der TU Wien konnte zeigen: Weder eine extrem abrupte noch eine extrem langsame Teilung des Bose-Einstein-Kondensats ist optimal. Man muss einen Mittelweg finden, eine genau passende dynamische Aufspaltung des Kondensats, um die Quantenfluktuationen möglichst gut zu kontrollieren. Berechnen lässt sich das nicht: Mit klassischen Computern ist dieses Problem heute nicht lösbar. Mit Experimenten konnte das Forschungsteam zeigen: Durch die passende Aufspaltungs-Dynamik kann man die Fluktuation der Teilchenzahl unterdrücken, und das wiederum übersetzt sich in eine Reduktion genau jener Temperatur, die man minimieren möchte.
„In diesem System existieren verschiedene Temperaturskalen gleichzeitig, wir senken eine ganz bestimmte davon“, erklärt Prüfer. „Man kann sich das also nicht vorstellen wie einen Mini-Kühlschrank, der insgesamt fühlbar kälter wird. Aber um das geht es bei uns auch gar nicht: Die Unterdrückung der Fluktuationen ist genau das, was wir brauchen, um unser System noch besser als bisher als Quantensimulator nutzen zu können. Man kann damit nun Fragen aus der grundlegenden Quantenphysik beantworten, die bisher unzugänglich waren.“