Das Interuniversity Microelectronics Centre (Imec) entwickelt derzeit einen neuen Sars-CoV-2-Test, der anders als bisherige Ansätze (die mit Blut, Speichel oder einem Nasen-Rachen-Abstrich arbeiten) Viruspartikel in ausgeatmeter Luft einer Person identifiziert. Ein positives Testergebnis soll in weniger als fünf Minuten vorliegen. Die Lösung könnte so für schnellere, bequemere und umfangreichere Tests sorgen.
Für die klinische Validierung arbeitet das Imec mit dem Universitätskrankenhaus UZ Leuven zusammen. Bis zum Sommer 2021 soll ein funktionsfähiger Prototyp am Flughafen Brüssel erprobt werden.
Nachteile aktueller Corona-Tests
Das aktuell empfindlichste und zuverlässigste Instrument für Corona-Tests ist der Polymerase-Kettenreaktionstest (PCR). Bei ihm wird das genetische Material des Virus in einer Probe aus dem Nasen-Rachen-Raum nachgewiesen. Die Kehrseite dieser Methode besteht darin, dass geschultes medizinisches Personal für den Abstrich notwendig ist. Viele Testpersonen beschreiben den Vorgang außerdem als sehr unangenehm. Üblicherweise ist er auch mit einer Bearbeitungszeit von etwa zwei Tagen verbunden.
Eine andere Alternative, der Antigen-Schnelltest, ist aufgrund seiner Komplexität weniger zuverlässig. Und der serologische Test, der eine Blutprobe verwendet, ist zwar schneller und kostengünstiger als der PCR, erkennt aber erst, ob jemand Antikörper entwickelt hat, nachdem die Person mit dem Virus in Kontakt gekommen ist.
„Während jeder dieser Tests Hinweise auf eine aktuelle oder frühere Infektion liefern kann, kann keiner von ihnen feststellen, inwieweit jemand das Virus noch auf andere übertragen kann“, sagt Peter Peumans, CTO für Gesundheitstechnologien beim Imec. „Deshalb haben wir mit der Entwicklung eines Tests begonnen, der in weniger als fünf Minuten anzeigt, ob jemand das Sars-CoV-2-Virus in sich trägt und ob er mit hoher Wahrscheinlichkeit ansteckend ist.“
Funktionsweise und Aufbau des neuen Tests
Um festzustellen, ob eine Person mit Corona infiziert beziehungsweise für andere ansteckend ist, sucht die neue Lösung nach Sars-CoV-2-Viruspartikeln in der Atemluft einer Person. „Denn die Forschung zeigt, dass Atempartikel die Hauptübertragungsmethode des Virus sind“, sagt Peumans.
Die Lösung besteht aus einem Probensammler und einer Analyseeinheit, die von Imec-Forschern kundenspezifisch entwickelt werden. Die Forscher richten einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit dabei auf den Probensammler, der als Aerosol- und Viruspartikel-Sammler fungiert und die quantitative Hochgeschwindigkeits-Echtzeit-PCR-Funktionalität (RT-qPCR-Funktionalität) der Lösung unterstützt.
Diese Aufgaben mit herkömmlichen Technologien zusammenzuführen, wäre laut Peumans extrem schwierig. „Aber dank unserer Innovationsfähigkeit bei der Verwendung von Silizium haben wir einen Chip entwickelt, der effektiv beides kann. Seine PCR-Kavitäten im Silizium-Mikromaßstab bieten Tausende von Impaktoren, mit denen wir die Viruspartikel einfangen können, während seine leistungsstarke RT-qPCR-Funktionalität die Dauer der PCR von 50 auf fünf Minuten verkürzt. Wichtig ist auch, dass die Standard-Siliziumtechnologie, die zur Herstellung dieses Chips verwendet wird, eine Massenproduktion zu niedrigen Kosten ermöglicht.“
Wie schnell der Chip auf den Markt kommt, hänge aber stark von der finanziellen Unterstützung ab, wie Luc Van den hove, CEO des Imec, anmerkt. Aufgrund eines Zuschusses in Höhe von zwei Millionen Euro der flämischen Regierung hätte man aber „einen fliegenden Start“ hinlegen können.
Prototypentests am Flughafen Brüssel
Der neue Test des Imec „kann auch für ein erstes Sars-CoV-2-Screening von potenziell ansteckenden Patienten oder medizinischem Personal in Krankenhäusern sehr wertvoll sein“, sagt Prof. Katrien Lagrou, Leiterin des molekulardiagnostischen Labors der UZ Leuven. Und laut Peumans sei er zudem so gestaltet, dass er sich auch bei anderen Viren und Keimen anwenden lässt, die sich über ausgeatmete Partikel verbreiten. Beispiele hierfür sind etwa Influenza, RSV und Tuberkulose.
Nach der Entwicklung der zugrundeliegenden Technologie planen das Universitätsspital der UZ Leuven und das Imec, eine umfassende klinische Studie durchzuführen. Bis zum Sommer 2021 wollen die Forscher einen funktionsfähigen Prototyp auf dem Flughafen Brüssel testen, um sicherzustellen, dass die endgültige Lösung alle notwendigen Anforderungen erfüllt.
„Wir sind überzeugt, dass die Tests am Flughafen Brüssel ein Schlüsselelement für die Erholung des Luftfahrtsektors sind und sein werden“, sagt dazu Arnaud Feist, CEO der Brussels Airport Company. „Die Schaffung einer sicheren Umgebung für unsere Passagiere hat für uns oberste Priorität, und in diesem Zusammenhang ist es für uns unerlässlich, uns auf schnelle und zuverlässige Tests zu verlassen.“
Schneller zurück zur Normalität
Nach Ansicht von Peter Piot, Mikrobiologe und Mitglied des Beratungsgremiums der Europäischen Kommission für Covid-19, könnte der neue Test des Imec das aktuelle Szenario um Sars-CoV-2 verändern. Denn er würde „die rechtzeitige Erkennung der Personen ermöglichen, die das Virus am wahrscheinlichsten übertragen.“
Und da eine Atemprobe im Vergleich zu Abstrichen oder Speichel viel weniger invasiv sei, ergänzt Piot, „würde sie auch häufigere Tests und eine schnellere Rückkehr zur Normalität ermöglichen.“