Prozessautomation & Messtechnik „Ohne Augen und Ohren braucht man den Kopf nicht in die Cloud zu stecken“

Dr. Dieter Stolz (l.), Leiter Produktmanagement, und Sales-Leiter Michael Nuber: „Durch die Erfahrungen in unserer neuen, branchenorientierten Struktur erfüllen unsere Produkte die Kundenbedürfnisse bald zu 100 Prozent.“

Bild: P&A
31.01.2015

Wer ist der Neue bei der Siemens-Prozessinstrumentierung? Er kommt vom wohl wichtigsten Wettbewerber, leitet jetzt den Vertrieb und mischt den Laden inklusive Produktmanagement so richtig auf. Was Michael Nuber innerhalb eines Jahres dort bewegt hat, erfahren Sie im P&A-Exklusiv-Interview.

P&A: Herr Nuber, Ihr heutiger Arbeitgeber Siemens war noch vor einem Jahr Ihr Konkurrent. Wie haben Sie ihn da erlebt?

Michael Nuber: Siemens gibt es seit fast 170 Jahren, ist aber, was die Prozessinstrumentierung angeht, eines der jüngsten Unternehmen – und eines der am schnellsten wachsenden. In diesem Bereich hat sich Siemens innerhalb von gut zehn Jahren von nahezu null in die Top 5 vorgearbeitet. Das ist eine Leistung, die auch der Wettbewerb mit Respekt belohnt. Jedem wurde klar: Prozessinstrumentierung hat für Siemens eindeutig einen hohen Stellenwert. Nach Max Planck existiert, was man messen kann. Mit Simulation und Software kann man vieles abbilden. Aber die reale Welt ist nun mal eine analoge. Da kommt man an der Prozessinstrumentierung nicht vorbei.

Eine junge Einheit in einem Traditionshaus: Wie wirkt sich das aus?

Nuber: Der Bereich Prozessinstrumentierung ist richtiggehend energiegeladen, so empfinde ich es. Und wir sind nah am Kunden, innovativ und flexibel. Wir bewegen uns dabei in der Siemenswelt, die schon immer den Anspruch hatte, Full-supplier zu sein und das weltweit.

Dr. Dieter Stolz: Dieses Ziel haben wir in der ersten Phase über Akquisitionen verfolgt. In den vergangenen fünf Jahren haben wir dann in allen wichtigen Feldern – insbesondere Druck, Füllstand, Temperatur und Durchfluss – Produkte in einem durchgängigen Design entwickelt und auf den Markt gebracht. Wir sind übrigens der einzige Komplettanbieter mit Wägetechnik im Portfolio. Und: Die Integration zwischen Leittechnik und Feldgeräten steht bei uns nicht nur auf dem Papier.

Nuber: Wir integrieren wirklich ohne Brüche. Wenn unsere Prozessleittechnik voranschreitet – wir schreiten mit. Zum Beispiel sind unsere Wägemodule Siwarex genau auf die neuen Automatisierungskomponenten abgestimmt.

Auch im Engineering hat sich bei Siemens einiges getan. Das Planungswerkzeug Comos addressiert den gesamten Anlagenlebenszyklus – von der Prozessentwicklung über Planung und Modernisierung bis hin zum Rückbau. Wie kann die Instrumentierung dem gerecht werden?

Stolz: Das impliziert perfekte Datenvernetzung. Bei der Vielfalt unseres Portfolios ist das eine Herausforderung, aber wir sind auf einem sehr guten Weg. Für eine hohe Zahl an Gerätevarianten kann sich dann der Planer online die benötigten Daten holen, was zu einer konsistenten und deutlich schnelleren Planung führt.

Wo steckt der größte Effizienzhebel?

Nuber: Ansatzweise kennt man es von der Einrichtungsplanung. Man stellt virtuelle Möbel in sein virtuelles Zimmer. Jetzt stellen Sie sich vor: ein Mausklick und Sie können diese Möbel sofort probeweise in ihr Wohnzimmer transferieren und Platz nehmen. Mit seinem Angebot ist Siemens tatsächlich soweit. Damit können Sie die Simulationswelt verlassen und einen Teil der Anlage schon mal auf der Hardware laufen lassen.

Welche Bedingungen müssen dazu die Feldgeräte erfüllen?

Stolz: Für die Planung müssen die Daten über das Feldgerät eindeutig nachvollziehbar sein. Wir stellen sie über die offene Schnittstelle eClass zur Verfügung. Bei der anschließenden Realisierung der Automatisierung bewegen wir uns ebenfalls auf integrierten Wegen. Bereits seit zwei Jahren entwickeln wir die Software Sitrans LIB, die eine nahtlose Integration der Feldgeräte in die Leittechnik sicherstellt. So ist eine ganz andere Dimension der Integration zu erreichen. Wir adressieren dabei sowohl das Engineering, als auch die Betriebsphase, und das in enger Zusammenarbeit mit den Entwicklern des Prozessleitsystems Simatic PCS 7.

Nuber: Für den Kunden wird es schneller, einfacher und kostengünstiger. Und das unterstützen wir auch durch die Anpassung unserer Struktur.

Sprechen Sie die Neustrukturierung des Konzerns im vergangenen Jahr an?

Nuber: Ich denke an die Verbesserung der weltweiten Sales-Force bei der Siemens-Prozessinstrumentierung, die bereits früher stattfand. Wir sind jetzt nach Industrien, nach Branchen, nach Applikationen aufgestellt. Also rund um den Kunden, nicht um Produktlinien oder interne Strukturen. Im Zentrum stehen die Fragen: Was braucht der Kunde, mit wem will er reden, wie fühlt er?

Wie weit sind Sie mit dem Umbau?

Nuber: Wir haben die Core-Industrien definiert: Chemie, Food & Beverage, Pharmaceutical, Life Sciences, Öl & Gas, Mining, Environmental und unsere OEM-Partner. Es geht jetzt darum, das in der Praxis zu leben. Unsere sehr motivierte Mannschaft erntet bereits erste Früchte: Wir bekommen konkrete Anfragen nach Lösungen und speziellen Trainings, angepasst an den Bedarf einer bestimmten Branche.

Stolz: Das ist der dritte Schritt in der Entwicklung des Bereichs Prozessinstrumentierung: noch näher an den Kunden zu kommen. Durch die Erfahrungen, die wir in der neuen Struktur gewinnen können, werden unsere Produkte bald alle so abgerundet sein, dass unsere Kunden ihre Bedürfnisse vollständig erfüllt sehen.

Gehört dazu auch die Unterstützung der Industrie-Digitalisierung?

Stolz: Zusammen mit den Experten, die sich bei Siemens speziell diesem Thema widmen, versuchen wir zu definieren: Wie muss eine Automatisierungsstruktur aussehen, die den Anforderungen dieser Digitalisierung gerecht wird. Die Instrumentierung, die Augen und Ohren des Prozesses darstellt, ist dabei essentiell.

Nuber: Ohne Augen und Ohren braucht man seinen Kopf nicht in die Cloud zu stecken.

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