GNSS-Positionierung für den Massenmarkt Präzise Ortung ohne Grenzen

Bild: U-Blox; iStock, Pogonici
15.06.2018

Wenn das autonome Fahren ins Rollen kommt und die Lieferung von Waren durch die Luft erfolgt, muss die Position von Fahrzeugen und Drohnen genau bestimmt werden können. Ortung über Navigationssatellitensysteme war dafür bisher zu teuer, groß und schwer. Technische Fortschritte sorgen allerdings dafür, dass solche sehr präzisen GNSS-Ortungssysteme diese Hürden hinter sich lassen und mittlerweile für den Massenmarkt bereit sind.

Technologien sind dann erfolgreich, wenn sie Probleme lösen. Ein typisches Beispiel sind globale Navigationssatellitensysteme (GNSS). Die Technologie ist heute im täglichen Leben allgegenwärtig: Viele Probleme lassen sich bereits dadurch lösen, dass die absolute Position eines jeden Objekts bis auf wenige Meter genau bekannt ist. Die steigende Nachfrage nach Automatisierung in Navigationsanwendungen – von hochautomatisierten und autonomen Fahrzeugen bis hin zu mobilen Robotern wie Drohnen – verdeutlichen den Bedarf an sehr präzisen Positionierungslösungen.

GNSS-Ortungslösungen gibt es seit über zehn Jahren vor allem für hochpreisige Nischenmärkte. Sie sind jedoch wenig geeignet, den gestiegenen Anforderungen im Zusammenhang mit dem aktuellen technologischen Innovationsschub gerecht zu werden, für den autonome Fahrzeuge nur ein Beispiel sind. Zum einen machen die hohen Kosten, ihre Größe und ihr Gewicht sie unattraktiv für viele Anwendungen des Massenmarkts. Von noch größerer Bedeutung ist aber die Tatsache, dass sie nicht skalierbar sind – der Todesstoß für eine Technologie, die bereits in wenigen Jahren zur Standardausstattung jedes neuen Wagens gehören könnte. Derzeit zeichnet sich ab, dass Satelliten-Positionierungs-Hardware der nächsten Generation und GNSS-Korrekturdienste diese Hürden allmählich überwinden und dass kleinere, erschwinglichere und voll skalierbare GNSS-Ortungslösungen für den Massenmarkt bereitgestellt werden.

Grenzen bei Bezahlbarkeit und Skalierbarkeit

Um von den heutigen sehr präzisen GNSS-Diensten zu profitieren, müssen Ortungsgeräte ihren ungefähren Standort an einen Korrekturdienstanbieter übermitteln. Durch die Überwachung von GNSS-Fehlern – vorwiegend derjenigen, die durch die Ionosphäre verursacht werden – und mit einem Netz von GNSS-Referenzstationen ist der Service-Anbieter in der Lage, alle Korrekturdaten seiner Kunden speziell für den spezifischen Standort ihrer Anwendung bereitzustellen.

Für Anwendungen in den Bereichen Vermessung und neuerdings auch bei der Maschinensteuerung sowie der Landwirtschaft ist eine jährliche Abonnementgebühr fällig von umgerechnet rund 500 bis 800 Euro pro GNSS-Empfänger von zentimetergenauen Positionierungsdiensten. Zusätzlich zu diesen hohen Kosten werden die Dienste nur in einem einzigen Land, mitunter sogar innerhalb nur eines einzigen Bundeslands erbracht. Für einen sesshaften Landwirt mag das gut und schön sein, für andere Nutzer stellt das jedoch in vielen Fällen ein Problem dar. Man stelle sich vor, man fährt mit einem vernetzten Fahrzeug über eine Bundes- oder Ländergrenze oder hat einen UAV-basierten Luftvermessungsauftrag im Ausland zu erfüllen und unterliegt Roaming-Verträgen oder Zusatzkosten, um weiterhin hochpräzise GNSS-Dienste am Einsatzort nutzen zu können.

Hier kommt auch die mangelnde Skalierbarkeit zum Tragen: Herkömmliche GNSS-Dienste verwenden Zwei-Weg-Kommunikation über das Mobilfunknetz, um Informationen zwischen der Benutzeranwendung und dem Korrekturdienstanbieter auszutauschen. Bei Tausenden oder womöglich Millionen von Geräten, die mit anderen um Bandbreite konkurrieren, wird es mit diesem Verfahren schwer, wenn nicht unmöglich sein, einen zuverlässigen Zugang zum Korrekturdienst anzubieten. Dies gilt es vor allem im Fall von sicherheitskritischen Anwendungen zu vermeiden, bei denen ein Fehlen des Korrekturdienstes zu einer geringeren Sicherheit für den Anwender führt.

Neue Korrekturdienste räumen Hindernisse aus

Bei hochpräziser Positionierung findet derzeit ein Paradigmenwechsel statt: Eine neue Art von GNSS-Korrekturdiensten, wie die State-Space-Representation-Technologie (SSR), räumt diese Hindernisse nun aus, da unter anderem die Notwendigkeit für Zwei-Weg-Kommunikation zwischen dem Dienst und den Endgeräten entfällt. Anstatt an jedes Gerät ortsspezifische Informationen über GNSS-Fehler zu senden, modellieren diese neuen Service-Anbieter fortlaufend alle relevanten Fehler für ein ganzes geografisches Gebiet und verbreiten diese Informationen über das Internet oder Satellit.

Das verändert die Denkweise der gesamten Branche. Die Übertragung der modellierten Fehlerdaten an GNSS-Empfänger in der Region anstelle von Zwei-Weg-Kommunikation mit jedem einzelnen ebnet den Weg für Anwendungen im hochvolumigen Massenmarkt. Gleichzeitig untergräbt sie das Geschäftsmodell teurer Dienste auf Abonnement-Basis.

Japan ist Vorreiter im Bereich der landesweiten Übertragung von Informationen zu GNSS-Fehlern per Quasi-Zenit-Satelliten-System über das L6-Signal. Dieses Verfahren dient als Test für den Einsatz in Massenmarktanwendungen. Der Centimeter Level Augmentation Service (CLAS) ist zwar geografisch auf japanisches Gebiet beschränkt, stößt dort jedoch bereits auf großes Interesse im Hinblick auf Hochpräzisionsanwendungen, einschließlich in den Bereichen Präzisionslandwirtschaft, Maschinensteuerung und autonomes Fahren. Im September 2017 hat Mitsubishi Electric angekündigt, dass es sein autonomes Fahrsystem mit Hilfe des CLAS-Dienstes im Feldversuch erprobt.

In China verfolgt QXWZ ein alternatives Konzept für sehr präzise GNSS-Dienste. Statt auf Datenübertragung zu setzen, nutzt QXWZ seinen privilegierten Zugang zu chinesischen GNSS-Referenzstationen, um die Grenzen des standardmäßigen Ansatzes zu erweitern und Kunden auf chinesischem Gebiet maßgeschneiderte Korrekturdienste zu bieten. Und zwar nicht nur für einzelne Endnutzer, sondern auch für OEMs und Systemintegratoren. Trotz ihres Erfolgs in China ist diese Lösung für weltweit aktive OEMs uninteressant, da ihre Kunden dadurch gezwungen sind, ihre GNSS-Korrekturdienste lokal einzukaufen.

Des Weiteren kommen in jüngster Zeit immer mehr Multi-Band-GNSS-Empfänger auf den Markt. Diese können den Benutzerkomfort von zahlreichen kommerziellen Anwendungen verbessern, indem sie eine verbesserte Ortungsgenauigkeit von Standalone-GNSS-Modulen bieten. Ungeachtet dessen werden Standalone-Multi-Band-GNSS-Empfänger nicht die zentimetergenaue Präzision liefern können, die für hochautomatisierte Fahrzeuge und mobile Roboter erforderlich ist, weil dafür grundsätzlich ein Korrekturdienst benötigt wird.

Die europäische Perspektive

GNSS-Korrekturdienste für den gesamten Kontinent wären nützlich, sowohl für Kunden als auch Service-Anbieter, da sie die Nutzung vereinfachen und große Märkte bedienen. Das trifft insbesondere auf Europa zu, wo es ein hohes Maß an grenzüberschreitender Mobilität und wirtschaftlicher Aktivität gibt. Das in Europa ansässige Unternehmen Sapcorda, ein Joint Venture von U-Blox, Bosch, Geo++ und Mitsubishi Electric, baut einen GNSS-Korrekturdienst der nächsten Generation für Europa und die USA, basierend auf den Erfahrungen in Japan, auf. Anstatt jedoch auf Satellitenkommunikation zu setzen, wird Sapcorda seine Korrekturdaten über das Mobilfunknetz übermitteln.

Nutzer sind dann nicht mehr an einen einzigen GNSS-Hersteller gebunden. Sapcorda wird vielmehr seine Korrekturdaten in einem offenen Format über das Internet zur Verfügung stellen und allen Hardware-Herstellern ermöglichen, ihre eigenen GNSS-Ortungslösungen zu entwickeln. Mit einem kontinentweiten Zugang zu Korrekturdiensten werden sich diese Services aus dem Nischenmarkt von heute heraus zu einem Massenmarkt in der Zukunft entwickeln, der autonome und halbautonome Fahrzeuge, Vermessungsdrohnen und weitreichende Applikationen des Internet of Things bedient.

Kinderkrankheiten ausmerzen

Sehr präzise GNSS-Korrekturdienste stehen noch ganz am Anfang der Entwicklung, und es gibt verschiedene Technologien und Geschäftsmodelle, die um die Vorherrschaft konkurrieren. So bietet der Service des US-amerikanischen Anbieters Trimble GNSS-Korrekturdienste nicht im offenen Format an, sondern er funktioniert nur für Geräte, die ihre eigenen GNSS-Empfänger verwenden. Trimble kann mit seinem Angebot von nahtlos integrierten Lösungen Inter-
operabilität über seine ganze Produktlinie hinweg sicherstellen – zumindest in den Regionen mit einer guten Abdeckung. OEMs, die geografisch verteilte Märkte beliefern, werden sich weniger für diese Vorteile interessieren, sondern für die globale Abdeckung entscheiden, die von einer Vielzahl von Anbietern mit offenen Korrekturdaten angeboten wird.

Für sicherheitskritische Anwendungen wie autonomes Fahren oder für solche, deren gesamtes Wertangebot auf Präzision basiert, wie etwa die drohnengestützte Vermessung, ist die Robustheit eines Dienstes unabdingbar. Um sicherzustellen, dass das Senden auch bei einer starken Frequentierung der Mobilfunknetze nicht behindert wird, arbeiten U‑Blox und die 3GPP-Initiative gemeinsam an der Entwicklung von Standards für Bereitstellungsmechanismen, die dafür sorgen sollen, dass Service Level Agreements eingehalten werden können.

Japan und China haben zwar eine landesweite Abdeckung implementiert, es wurde bislang jedoch noch kein Versuch unternommen, die Abdeckung von Hochpräzisionsdiensten auf einen ganzen Kontinent oder sogar weltweit auszuweiten. Im Erfolgsfall wird Sapcorda als erstes Unternehmen die Hürden überwinden, die nationale Grenzen und länderspezifische Mobilfunkanbieter mit sich bringen. Wie die Service-Anbieter von heute reagieren werden, bleibt abzuwarten.

Um bei Massenmarktanwendungen wirklich erfolgreich zu sein, werden Service-Anbieter von GNSS-Diensten nicht nur umfangreiche Abdeckung und offene Daten anbieten müssen; ihr Erfolg hängt auch davon ab, ob sie Innovationen vorantreiben und die vorhandenen Nischen verlassen können, um größere Volumina zu erreichen. Die Zufriedenheit der Endkunden wird ausschlaggebend dafür sein, welche Technologie sich insgesamt durchsetzt. Wenn etwa Bundes- und Ländergrenzen, Abonnements oder gegensätzliche Vorschriften eine Herausforderung darstellen, müssen diese im Vorfeld gelöst werden. Diese Fragen werden bereits von B2B-Geschäftsmodellen aufgegriffen, bei denen beispielsweise Gerätehersteller eng mit Korrekturdienst-Anbietern zusammenarbeiten, um die Kosten des Diensts direkt in die Kosten für das Endgerät einfließen zu lassen.

Die neue Generation von sehr präzisen GNSS-Diensten wird eine treibende Kraft für automatisierte Navigationslösungen sein, die sich gegenwärtig in der Entwicklung befinden. Gleichzeitig verursachen sie starke Erschütterungen in der gesamten Branche.

Bildergalerie

  • GNSS-Kommunikation: Links sind Korrekturdienste dargestellt, die auf der Modellierung von GNSS-Fehlern im Beobachtungsraum basieren und die Zwei-Wege-Kommunikation nutzen. Rechts zu sehen ist die Übertragung von GNSS-Korrekturdaten mit der State Space Representation, die GNSS-Hochpräzisionsanwendungen für den Massenmarkt ermöglicht.

    GNSS-Kommunikation: Links sind Korrekturdienste dargestellt, die auf der Modellierung von GNSS-Fehlern im Beobachtungsraum basieren und die Zwei-Wege-Kommunikation nutzen. Rechts zu sehen ist die Übertragung von GNSS-Korrekturdaten mit der State Space Representation, die GNSS-Hochpräzisionsanwendungen für den Massenmarkt ermöglicht.

    Bild: U-Blox

  • Bild: U-Blox

  • Hochpräzisions-GNSS ermöglicht weitreichende Anwendungen, einschließlich der Lieferung von Waren per Drohne.

    Hochpräzisions-GNSS ermöglicht weitreichende Anwendungen, einschließlich der Lieferung von Waren per Drohne.

    Bild: U-Blox

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