Leitung mit Köpfchen Predictive Maintenance bei Kabeln

Diese Kabel-Lösung meldet sich, noch bevor eine Leitung ausfällt.

Bild: iStock, agsandrew
30.09.2020

Mit vorausschauender Wartung können Anwender viele Risiken und Nachteile vermeiden. Sogar bei Kabeln gibt es mittlerweile interessante Lösungen. Wie das funktioniert, zeigt eine Lösung von Lapp, die ohne Änderung am Kabel und ohne Opferadern auskommt.

Die vorausschauende Wartung ist in der smarten Fabrik von großer Bedeutung, denn sie hat große Vorteile gegenüber den bisher gängigen Wartungsansätzen: Bei der reaktiven Wartung wird das Teil erst ausgetauscht, wenn die Maschine bereits streikt. Das kann zu einem teuren Stillstand der Maschine führen. Bei der vorbeugenden Wartung hingegen werden die Teile prophylaktisch ersetzt, obwohl sie noch funktionieren.

Das kann unnötige Kosten verursachen. Mit der vorausschauenden Wartung kann der Anwender die genannten Nachteile und Risiken vermeiden. Sie basiert auf Sensordaten, die Rückschlüsse auf die tatsächliche Alterung des Teils zulassen. Einige Lösungen für Verbindungssysteme gibt es bereits am Markt. Sie sind aber nicht überzeugend und praktikabel.

Von Lapp kommt nun ein ganz neuer Ansatz, der ohne zusätzliche Opferadern und Veränderung am Kabel auskommt –
denn das würde einen erhöhten Aufwand bei der Installation bedeuten. „Wir wollen Fabriken smart, zuverlässiger und transparenter machen, und da ist Predictive Maintenance ein Schlüsselthema. Dabei war es uns wichtig, eine Lösung anzubieten, die sich meldet, bevor eine Leitung ausfällt. Denn ein Teil, das wenige Euro kostet, kann eine ganze Produktion lahmlegen und hohe Kosten nach sich ziehen“, sagt Guido Ege, Leiter Produktentwicklung und -management bei Lapp.

Optimalen Austauschzeitpunkt

Das Team von Lapp entwickelte deshalb ein ganz neues Messprinzip. Die Vorhersage sollte allein über ein Protokoll und einen speziellen Algorithmus erfolgen. Der Installateur kann die Leitungen dann wie gewohnt anschließen und muss keine zusätzlichen Opferadern verbinden. So ist auch ein Retrofit bestehender Anlagen möglich.

Lapp hat sich zunächst auf die industrielle Datenkommunikation konzentriert. Ethernet-Leitungen sind im Aufbau sehr komplex und zeigen mit ihren notwendigen Hochfrequenzeigenschaften eigene Fehlercharakteristika. Das fängt mit einer gebrochenen Abschirmung an, die zu erhöhten Störungen durch EMV führt.

Brechen Litzen, nimmt die Dämpfung zu und die Datenrate sinkt. Bei einem kompletten Aderbruch fällt die Kommunikation schlimmstenfalls ganz aus. Ziel war es, den optimalen Austauschzeitpunkt einer Leitung vorauszuberechnen, und damit den Austausch so zu planen, dass die Produktion möglichst wenig gestört wird. Die voraussichtliche Lebensdauer der Ethernet-Leitungen wird aus den Veränderungen der Übertragungseigenschaften errechnet. Ethernet-Leitungen sind aber nur der Anfang. Im nächsten Schritt sollen auch stromführende Leitungen überwacht werden.

Datenmenge entscheidend

Die Messung und Auswertung erfolgt in der so genannten PMBx (Predictive Maintenance Box). Sie wird in die Ethernet-Leitung eingebracht und überwacht das Leitungsstück zwischen Anwendung und PMBx. Die Datenpakete laufen ohne merkliche Verzögerung vom einen Ethernet-Port zum anderen Port. Für eine angeschlossene SPS ist die PMBx nicht sichtbar, sie hat keinen Einfluss auf die Datenübertragung. Sie eignet sich damit auch für bestehende Anlagen, ohne dass Änderungen an der Software der SPS notwendig sind.

Aus der Mischung aus übertragungsrelevanten Parametern wird der Lapp Predictive Indicator berechnet. Die Messung mehrerer Größen erlaubt auch Plausibilitätsprüfungen und minimiert Fehlinterpretationen von Messwerten. Für die Energiekettenleitungen von Lapp wurden im hauseigenen Testzentrum Messwerte im Big-Data-Ansatz gesammelt und anschließend durch mathematische Algorithmen analysiert. Die resultierenden Parameter können dann mit den Daten des Kunden in der PMBx im laufenden Betrieb zum Lapp Predictive Indicator verrechnet werden.

Fest steht: Je mehr Daten es gibt, umso genauer wird die Vorhersage. Lapp prüft die Anwendung von Machine-Learning Ansätzen, um die Vorhersagequalität des Algorithmus deutlich zu steigern. Zukünftig soll es möglich sein, eine Restlebensdauer zu berechnen, die abhängig ist vom Bewegungsprofil der Leitung.

„Wenn man die Leistungsfähigkeit des Kabels vorausschauend berechnen kann, dann kann man den passenden Austauschzeitpunkt planen“, erklärt Guido Ege. Das Ersatzbauteil kann rechtzeitig bestellt werden. Und vorzugsweise wird ein Zeitraum genutzt, in dem die Maschine ohnehin nicht läuft, zum Beispiel während einer Umrüstung oder zeitgleich mit anderen Wartungsarbeiten. „Wir freuen uns, jetzt mit Pilotkunden in erste konkrete Umsetzungen zu starten,“ sagt Susanne Krichel, Business Development IoT bei Lapp. Im nächsten Schritt wird ein passendes Geschäftsmodell entwickelt.

Neuer Innovationsprozess

Die Predictive Maintenance-Lösung konnte Lapp dank des neuen Innovationsprozesses „Innovation for Future“ entwickeln. Mit diesem Prozess kann das Unternehmen radikale und disruptive Innovationen realisieren, für die zum Beispiel ein klassischer Stage-Gate-Prozess ungeeignet ist. Damit will sich Lapp weiter vom Anbieter physischer Produkte zum Anbieter von Systemlösungen entwickeln.

Bildergalerie

  • Die Predictive Maintenance Box von Lapp ist klein wie eine Zigarettenschachtel und wird einfach in die zu überwachende Leitung eingeschleust.

    Die Predictive Maintenance Box von Lapp ist klein wie eine Zigarettenschachtel und wird einfach in die zu überwachende Leitung eingeschleust.

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