Am Anfang stand eine Anfrage der FBO-Gruppe, einem großer Zulieferer der Bahnindustrie. Unter anderem fertigt das französische Unternehmen Scheibenwischer für Highspeed- und Very-Highspeedzüge. Um die Wischer der Elektrotriebzüge vom Typ Desiro HC zu steuern, war zunächst eine Kleinsteuerung vorgesehen. Diese hatte aus Kundensicht jedoch gewisse Nachteile: Ein Ausfall würde zum Stillstand des kompletten Scheibenwischersystems führen. Zudem war das ausgewählte Produkt für den Bahneinsatz nicht geeignet; auch weil es nicht den aktuellen Brandschutzanforderungen auf Schienenfahrzeugen entsprach. Da spielt es keine Rolle mehr, dass die Kleinsteuerung auch beim Preis ungünstiger abschneidet als andere denkbare Lösungen.
Deshalb entschied man sich seitens FBO für den Einsatz von ZR Zeitrelais mit mechanischen Kontakten, wie sie Lütze Transportation anbietet. Zwei Fragen stellten sich jedoch: Wird ein solches Zeitrelais in dieser Anwendung die geforderte Genauigkeit der Zeitfunktion erfüllen? Und: Kann damit die hohe geforderte Verfügbarkeit erreicht werden? Schließlich sieht die Konzeption vor, den Wischermotor über pneumatische Elektroventile zu aktivieren – es sind also induktive Lasten zu schalten.
Drei Wischergeschwindigkeiten steuern
Idee Nummer eins: statt einer einzigen Steuerung besser drei ZR-Multifunktions-Zeitrelais DC 110 V einzusetzen. Jedes Relais ist mit seiner eigenen Zeitfunktion parametriert. Die drei verschiedenen Relaisausgänge sind verbunden um ein Elektroventil zu steuern, und damit eine von drei Wischgeschwindigkeiten. Über die für jedes Relais eigens programmierte Zeitverzögerung werden die drei verschiedenen Geschwindigkeiten realisiert. Gleichzeitig ist mit dieser Lösung ein Common Mode Failure ausgeschlossen: Sollte ein Relais streiken, funktionieren die zwei anderen Wischtakte immer noch. Beim ursprünglichen Ansatz mit einer Kleinsteuerung würde bei Defekt das komplette Scheibenwischersystem still stehen – und damit den Zugführern den Durchblick nehmen.
Induktive Lasten? Kein Problem!
Nun handelt es sich bei dem elektropneumatischen Ventil, das die Scheibenwischer ansteuert, um eine induktive Last. Setzte man Relais mit mechanischen Kontakten ein, wäre mit reduzierter Lebensdauer aufgrund hohen Kontaktverschleißes zu rechnen. Daher die zweite Idee von Lütze Transportation: ZR Relais mit Halbleiterausgängen. Diese schalten verschleißfrei, weshalb die erwartete Schaltspielzahl um ein Vielfaches höher liegen wird. Zuverlässigkeit ist für den Kunden FBO ein wichtiges Argument. Schließlich will er eine lange Lebensdauer des Produkts sicherstellen. Auch wenn die Zugführer noch nie von MTBF-Werten und Common Mode Failure gehört haben: Auf Knopfdruck wollen sie freie Sicht; 12 bis 14 Betriebsstunden am Tag, an rund 300 Tagen im Jahr.
Gemeinsame Tests der Ingenieure von FBO und Lütze Transportation bestätigten, dass Halbleiterausgänge die geforderte Funktion und Zuverlässigkeit erfüllen. Eine hohe Verfügbarkeit ist bei dieser Anwendung eben ein gewichtigeres Argument als der überschaubare Kostenvorteil der Variante mit mechanischen Kontakten.
Programmierung und Diagnose
Mit der kostenlosen Software Lütze Time Relay Configurator kann das ZR auf jedem handelsüblichen PC parametriert werden. So lassen sich bei Inbetriebnahme oder bei Änderungen die Zeit-, Betriebs- und Diagnosefunktionen im Handumdrehen neu konfigurieren. Auf Kundenwunsch liefert das Unternehmen das Zeitrelais auch ab Werk mit voreingestellten Parametern aus. Ein anderes Feature der ZR-Relais benötigt FBO nicht: den konfigurierbaren digitalen Diagnoseausgang samt optischer Anzeige. Je nach Anwendungsfall kann diese Funktion sinnvoll sein.
Jahrhundertprojekt für Rhein-Ruhr-Region
Die Lösung für die Scheibenwischer der RRX-Züge von Siemens entstand in erfolgreicher Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabteilung von FBO. Das Unternehmen fertigt neben Scheibenwischern und -waschern unter anderem diverse Ventiltypen und Fittings für alle bekannten Schienenfahrzeug Hersteller. Im Schienenverkehrskonzept RRX werden ab Ende 2018 die ersten von 82 Zügen zügig und komfortabel unterwegs sein – zu Spitzenzeiten im 15-Minuten-Takt. Der gezielte Ausbau der Schienenwege könnte pro Werktag bis zu 31 000 Personenfahrten von der Straße auf die Schiene verlagern.