A&D:
2014 stieg der Umsatz in der deutschen Bildverarbeitungsbranche über die Erwartungen hinaus. Wie kam es dazu?
Olaf Munkelt:
Es lag wohl an einem Berg von Auftragseingängen, die erst geschoben wurden und sich dann später in Umsatz umgewandelt hatten. Allerdings war die Nachfrage nach Systemlösungen stärker als das Komponentengeschäft.
Wird das Systemgeschäft ein Trend?
Nicht so richtig. Denn auch auf der Komponentenseite ist das Niveau sehr hoch. Die starke Nachfrage im Systemgeschäft kommt primär durch Auslandsanfragen.
Wie kommt das?
Ich vermute, dass hiesige Firmen die Einzelteile kaufen, zusammenbauen und sie als Komplettlösung ins Ausland verkaufen. Was allerdings auch eine sehr positive Nachricht für deutsche Unternehmen ist.
In Asien wächst der Bedarf an Bildverarbeitungssystemen. Sehen Sie hier eher einen Absatz- oder Wettbewerbsmarkt?
China ist für die deutsche Bildverarbeitung ein Absatzmarkt! Der zweitwichtigste – nach den USA. Wir sehen auch, dass der chinesische Wettbewerb stärker wird, aber die Konkurrenzsituation tritt zurzeit vornehmlich in China und südostasiatischen Ländern auf. Denn chinesische Anbieter verkaufen ihre Produkte vornehmlich am heimischen Markt. Und dabei gibt es noch signifikante Unterschiede: Zum Beispiel ist ein chinesisches Inspektionsgerät für Solarzellen zwar billiger, aber das deutsche kann 1000 Zellen in der Stunde prüfen, das chinesische nur 100.
Es stand im Raum, wir wären für den chinesischen Markt over-engineered …
Ja, das stimmt. Wir müssen lernen, Produkte so anzubieten, dass sie von den Märkten angenommen werden. Denn wenn der potenzielle Käufer nicht so viel Geld dafür ausgeben will oder kann, reicht es nicht, dass wir das beste und tollste Produkt haben. Auch wenn uns alle zustimmen. Man muss auf die Bedürfnisse des lokalen Marktes achten, ihn verstehen und dementsprechend seine Produkte auch mal abspecken. Anscheinend haben wir Deutschen dann aber immer gleich den Gedanken im Kopf, es wäre minderwertig. Das ist aber nicht der Fall. Denn es geht um die Bedürfnisse des Kunden. Man muss ja kein neues Produkt erfinden; es reicht, einige Features wegzulassen, um beides zu treffen: die nachgefragten Leistungen und den vor Ort üblichen Preisbereich.
Die Robotik-Branche ist ein wichtiger Markt für die IBV. Ist der Techniksprung in Richtung Leichtbaurobotik und MRK eine neue Herausforderung?
In der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter sehe ich weniger den Platz für ein IBV-System. Aber wenn es darum geht, dass Roboter Teile zusammensetzen, dann sind wir wieder gefragt. Gerade Prozesse wie Zwei-Arm-Roboter in der Montage sind für Bildverarbeitungssysteme ausgelegt. Denn so muss man nicht die komplette Straße umbauen, wenn ein leicht abgewandelter Montageauftrag auf den Roboter zukommt. Lediglich die Roboter müssen neu programmiert werden. Hier tragen wir also zur Bewältigung einer höheren Variantenvielfalt in der Produktion bei.
Für die Mensch-Roboter-Kooperation würde also ein Vision-Sensor genügen.
Ja. Ich glaube, dass der Trend zu immer kompakteren Systemen geht. Embedded Vision ist das Stichwort dazu. Dort, wo vor fünf Jahren ein System noch 120 Watt benötigte, braucht ein heutiges bei mindestens gleicher Leistung nur noch 15 Watt. Solch kleinere und sparsamere Systeme kann man natürlich wunderbar in einen Roboterarm integrieren. Die 200 Gramm machen da nichts mehr aus.
Also ist Embedded Vision das kommende Thema?
Ja, aber ich würde es immer applikationsspezifisch betrachten. Denn Anwender müssen sich Fragen stellen wie: Kann ich das System jetzt wirklich in den Roboter integrieren? Und: Wie kann ich es mit der Steuerung des Roboters verzahnen? Genau an der Stelle müssen wir noch mehr tun. Hier stehen sich die Standards der Bildverarbeiter und der Steuerungshersteller einfach noch im Weg. Da in Zeiten von Industrie 4.0 mehr Daten anfallen, müssen wir auch eine einwandfrei funktionierende Verbindung schaffen.
Reden wir über einen neuen Standard?
Im Moment reden wir noch über eine Verständigung zwischen den beiden Welten Steuerungstechnik und Bildverarbeitung. Erst dann können wir entweder einen neuen Standard finden oder bereits Vorhandenes nutzen. OPC UA zum Beispiel wäre aus unserer Sicht eine gute Möglichkeit sich einzuklinken. Auf jeden Fall müssen wir zusammenfinden und eine Lösung erarbeiten, denn Anwender fragen danach; die wollen keine getrennten Systeme mehr.
Die IBV weitet sich auf Branchen außerhalb der Industrie aus. Welche sind das und wie sieht das Verhältnis zu industriellen Märkten aus?
Neben Verkehrsüberwachung, -leitung und -steuerung, benötigt man uns auch in Parksystemen, Postanwendungen oder im Sicherheits- und Securitysektor. Besonders im Fokus haben wir gerade die Landwirtschaft. Interessant ist, dass die Bildverarbeitung in diesen Bereichen von 2010 bis 2012 fast zehnmal so stark gewachsen ist wie die produzierenden Branchen. Wenn wir als Anbieter es schaffen, unsere komplexe Technik handhabbarer und günstiger zu machen, gibt es in diesen Branchen einen enormen Nachfragesog.