Das im Juni 2021 gestartete Projekt MATQu, kurz für „Materials for Quantum Computing“, will eine europäische Forschungsinfrastruktur für fortschrittliche Computing-Technologien aufbauen. Ziel ist es, durch die enge Zusammenarbeit von führenden europäischen Forschungsinstituten, Industrie und Anwendungspartnern eine europäische Lieferkette für Materialien und Prozesse für Festkörper-Qubits zu etablieren.
Mit MATQu soll ein europäisches Ökosystem geschaffen werden, um Festkörper-Qubits in die Anwendung zu bringen. Josephson-Kontakte sind derzeit die ausgereifteste Festkörperplattformen für stabile supraleitende Qubits. Schwerpunkt des Projekts sind neue Materialien sowie Prozessierungs- und Charakterisierungstechnologien für Quantencomputer-Hardware zu finden.
Aus dem Labor auf den Markt
Supraleitende Qubits gehören zu den vielversprechendsten Bauelementen, um einen Quantencomputer im großen Maßstab zu realisieren. Der Erfolg der Josephson-Kontakte kann auf ihre Designprinzipien zurückgeführt werden, die auf etablierten Produktionsprozessen beruhen.
Ihre Leistungsfähigkeit hängt jedoch entscheidend von der Qualität der verwendeten Substrate und der Materialien sowie der Reproduzierbarkeit der bei der Herstellung angewandten Prozesse ab. Eine stabile und etablierte Wertschöpfungskette ist daher der Schlüssel zur Verbesserung dieser Parameter in der Zukunft.
Das technische Hauptziel des Projekts MATQu ist die Verbesserung und der Transfer von Materialien und Technologien aus den Laboren in den Markt. Die Projektpartner verfügen über umfangreiche Infrastruktur und wollen mit ihrer Expertise in den Bereichen Materialien, Prozessintegration und Forschung dazu beitragen, robuste und reproduzierbare Qubits herzustellen. Ziel ist es, eine industrietaugliche Fabrikationsinfrastruktur aufzubauen, Prozessparameter zu optimieren und die Leistung supraleitender Qubits systematisch zu verbessern.
Verringerung der Variabilität
Qubits werden oft als eigenwillig beschrieben. Zwischen ihnen wird eine große Variabilität gemessen. Um dies zu kontrollieren, sind komplexe Methoden zum „Tunen“ der Qubits erforderlich.
Dies wiederum erhöht die Komplexität von Quantencomputerarchitekturen im Vergleich zu traditionellen Computern. Dies ist auch einer der Hauptgründe für die derzeitigen Skalierungsgrenzen in der Anzahl der Qubits in heutigen Quantencomputern.
MATQu zielt darauf ab, diese Variabilität zwischen den Qubit-Komponenten zu reduzieren. „Wir erwarten zwar in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht das gleiche Integrationsniveau wie bei klassischen Computerchips, aber wir werden sicherlich einen großen Schritt in Richtung Variabilitätsreduktion bei supraleitenden Qubits machen“, erklärt Prof. Rüdiger Quay, Projektkoordinator vom Fraunhofer IAF.
Zugänglich für Start-ups und Mittelstand
Der Fokus des Fraunhofer IPMS im Projekt liegt darauf, die bestehenden Konzepte und Technologien aus dem Labor in die industrielle Fertigung zu bringen. Dabei beruft sich das Institut auf seine Expertise in der 300-mm-Fertigung, die bereits als Industriestandard für CMOS-Computing-Plattformen dient.
„Im Projekt gewinnen wir neue Einblicke in die Material- und Prozesseinflüsse für den Herstellungsprozess von supraleitenden Qubits, insbesondere im Bereich der Abscheidung, Strukturierung und der Integration von supraleitenden Schichten“, erläutert Dr. Benjamin Lilienthal-Uhlig, Geschäftsfeldleiter Next Generation Computing am Fraunhofer IPMS. „Durch neuartige Herstellungsprozesse und die Erprobung bei kryogenen Temperaturen wollen wir so die Fertigung von Bauelementen für das Quantencomputing auf europäischer Ebene voranbringen.“
Außerdem ist ein weiteres Ziel, Start-ups und europäischen Mittelständlern den Zugang zu modernen Fertigungsanlagen und dem nötigen Wissen zu verschaffen und damit das europäische Ökosystem der Quantentechnologie zu stärken, laut Lillientahl-Uhlig.
Untersuchung der Variabilität
In dem Projekt MATQu bringt das Fraunhofer IAF seine Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Gebiet der Tieftemperaturmesstechnik ein, insbesondere zur Untersuchung der Variabilität von supraleitenden Schichten. Das Freiburger Institut besitzt Geräte zur Charakterisierung von kryogenen Bauelemente, wie sie im Quantencomputing zum Einsatz kommen.
Damit sollen europäische Unternehmen, insbesondere KMUs und Start-ups, neben dem notwendigen Know-how auch Zugang zu modernen Test- und Charakterisierungsgeräten und somit zu Schlüsselkomponenten für die Entwicklung von Quantencomputer-Hardware erhalten.