Für Entwickler und Designer ist das seit vielen Jahrzehnten ein Wunschgedanke: Im CAD-Programm wird ein Produkt geformt und auf Knopfdruck hält man den Prototypen in der Hand und kann ihn testen. Den Wunschgedanken haben viele Industriebetriebe inzwischen realisiert. Und hier sprechen wir nicht vom billigen 3D-Drucker für den Heimgebrauch, der kleine Figuren, Tassen oder abstrakte Konstrukte druckt – was eben so als Vorlagen mitgeliefert wird.
In der Industrie geht es um professionelle additive Fertigung. Komponenten, Bauteile und ganze Produkte werden hier schichtweise aus Metallpulver, Flüssigkeiten oder speziellen Kunststoffen in Schnurform – den sogenannten Filamenten – aufgebaut. Die Materialien, die sich drucken lassen, sind sehr vielschichtig: Von diversen Kunststoffen über Keramik geht es hin zu Kupfer, Aluminium, Titan und Edelstahl – und die Vielfalt wächst stetig.
Mehr als nur Prototypen-Herstellung
Seit vielen Jahren hat sich in der Industrie die additive Fertigung als ein beliebtes Mittel für die Erstellung von Prototypen etabliert. Sehr schnell können so neue Entwicklungen für erste Funktionstests verwendet werden, oder Kunden bekommen durch den Prototyp vorab einen Eindruck des künftigen Produkts. Hier geht es um rasche Realisierung, weshalb immer mehr Industriebetriebe intern Know-how zur additiven Fertigung aufbauen und zunehmend in 3D-Druck investieren. Laut der aktuellen Studie „Predicts 2018: 3D Printing and Additive Manufacturing“ von Gartner werden bis 2021 rund 40 Prozent der Fertigungsunternehmen interne Kompetenzzentren für 3D-Druck schaffen.
So wächst die Technologie immer mehr über den Einsatz für Rapid Prototyping hinaus. Denn die additive Fertigung ist immer dann besonders gut geeignet, wenn es um die Produktion komplexer Teile geht, die mit traditionellen Verfahren nur sehr aufwendig oder in vielen Arbeitsschritten möglich sind. Hier sind beispielsweise Gitterstrukturen oder Trabekel zu erwähnen. Der Schwerpunkt beim Produkt kann beim 3D-Druck voll auf Design, Konstruktion und Funktionalität liegen, die einfache maschinelle Produzierbarkeit spielt keine Rolle.
Natürlich eignet sich das Verfahren nach wie vor noch nicht für hochvolumige Massenfertigung. Hier sind Produktionskosten von rund 1,6 bis 3 Euro/cm³ noch zu hoch und Aufbaugeschwindigkeiten von einigen bis etwas 40 cm³/h zu gering (Zahlen unter anderem von Studie Roland Berger und Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag TAB). Allerdings sind die Zahlen sehr unterschiedlich bei den verschiedenen Druckverfahren und in den kommenden Jahren wird es weiter eine Vervielfachung der Druckgeschwindigkeit durch den technologischen Fortschritt ergeben.
Aber für die Produktion komplexer Bauteile oder kleiner Serien lohnt durchaus jetzt schon die Verwendung der additiven Fertigung. Für diese Anwendungen haben sich inzwischen auch viele Dienstleister etabliert, die oft Dutzende von Maschinen in ihren Parks stehen haben. Auch im Sonderanlagenbau erfreut sich 3D-Druck zunehmender Beliebtheit, denn hier ist oft jedes Bauteil ein Einzelstück. Viele Kunststoffteile dieser Anlagen lassen sich mittlerweile durch die additive Fertigung günstiger herstellen als mit traditionellen Verfahren. 3D-Druck-Kompetenz nimmt bei Fertigungsunternehmen auch für die Ersatzteilversorgung eine immer größere Bedeutung ein. Lager von Bauteilen über Dekaden sind künftig nicht mehr notwendig, Ersatzteile werden bei Bedarf ausgedruckt.
Hand- und Nacharbeit von Nöten
Bei all den Vorteilen des additiven Fertigung und abgesehen von Kosten und Druckgeschwindigkeiten gibt es aber noch Problemfelder bei der Integration in automatisierte Produktionsprozesse: So agieren die meisten Maschinen für 3D-Druck und additive Fertigung als Insellösungen und ohne Einbettung in das restliche Produktionsumfeld. Eine Abstimmung mit den gerade herrschenden Produktionsauslastungen – den vor- und nachgelagerten Fertigungsschritten – ist nicht gegeben. Für das Prototypen-Handling ist das natürlich verschmerzbar, aber für eine künftige Integration der additiven Fertigung in den normalen Fertigungsprozess nicht akzeptabel.
Vorrangig schuld daran ist das manuelle Materialhandling. Egal ob es sich um das Einlegen und Entnahme von Druckplatten – dem sogenannten Harvesting – handelt oder die Entnahme der gedruckten Bauteile aus dem Pulverbett, alles wird vom Maschinenbediener per Hand gemacht. Immerhin wird das Problem sowohl von den Anbietern von Maschinen für additive Fertigung als auch von Produktionsbetrieben, die 3D-Druck einsetzen, zunehmend in Angriff genommen. Beispielsweise sorgen Roboter für das automatisierte Einlegen von Filamentplatten und entnehmen fertige Bauteile. Inzwischen gibt es auch schon fertige 3D-Druckzellen mit integrierter Robotik, damit hier beispielsweise rund um die Uhr gedruckt werden kann und die Produktion nicht stockt, weil das Bauteil noch nicht entnommen wurde. Das gilt auch für das Handling der Druckmaterialen, modulare Lösungen für die automatisierte Zufuhr von beispielsweise Metallpulver werden bisherige manuelle Tätigkeiten zunehmend ablösen.
Während die Stabilität und Festigkeit der gedruckten Bauteile keine Vergleiche mit traditionell erstellten Produkten scheuen müssen, erfordern die meisten 3D-gedruckten Bauteile noch eine Nacharbeit und Finish. Manchmal müssen mitgedruckte Stützkonstruktionen entfernt werden, die Oberflächen sind durch den schichtweisen Aufbau nicht glatt und erfordern ein Strahlen, Schleifen und Polieren. Aber apropos Stabilität: Hier liegt ein sehr großer Vorteil der additiven Fertigungsverfahren. Durch ausgeklügelte Konstruktionen können Bauteile wie beispielsweise Fahrwerkskomponenten und Flugzeugteile eine wesentlich höhere Torsionssteifigkeit bei gleichzeitig deutlich geringerem Gewicht erreichen. Bionisch ausgelegte Leichtbauteile können beispielsweise laut Concept Laser durchschnittlich um bis zu 20 bis 30 Prozent leichter sein als gefräste oder gegossene Bauteile. In einigen Fällen erreicht die potenzielle Gewichtsreduktion auch 60 bis 80 Prozent, wenn zum Beispiel rechtwinklige Metallblöcke auf ihre eigentliche Funktion reduziert werden. Durch den 3D-Druck sind hier im Design kaum Grenzen gesetzt, wie sich Bauteile strukturell auch innen zusammensetzen. Das Fertigungsverfahren muss als Kernelement in das Produktdesign miteinbezogen werden.
Handlungsempfehlungen
Bei Überlegungen, 3D-Druck im eigenen Unternehmen für die Serienfertigung zu implementieren, müssen sich natürlich einige Fragen vorher gestellt und auch die Auswirkungen überlegt werden. Hier gilt es genau zu kalkulieren, ob sich bisherige komplexe und teure Produktionsschritte mit additiver Fertigung effizienter durchführen lassen. Natürlich spielen hier die Produktionsvolumina eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig sollte die Planung berücksichtigen, ob der Trend bei den eigenen Produkten hin zur Individualisierung und Losgröße 1 geht. Auch hier kann 3D-Druck eine zunehmende Rolle spielen. Eine Integration von additiver Fertigung in den Produktionsprozess wirkt sich natürlich auch auf die Lieferkette aus, welche Produkte künftig noch zugekauft werden.
Sich mit der Thematik additive Fertigung auseinanderzusetzen und Angebote über Maschinen- und Druckkosten einzuholen, lohnt auf jeden Fall. Auch die Auftragsfertigung bei 3D-Druck-Dienstleistern wie beispielsweise Protiq, Material Solutions, Igus, Materialise oder Hirschvogel Tech Solutions sollte als Option in Betracht gezogen werden.
Dieser Artikel ist Teil des Fokusthemas „Additive Fertigung & 3D-Druck" aus