Software für Inspektionsroboter Roboter auf Kontrollgang lösen sensible Überwachungsaufgaben

Zur Roboterflotte gehören die Roboter „Spot„ und „Rover“.

Bild: Energy Robotics
17.03.2022

Die Software von Energy Robotics macht es möglich. Autonom wandern Roboter wie „Spot“ und „Rover“ durch Öl-, Gas- oder Chemieanlagen und prüft die Anlage auf mögliche Störungen. Die Software ist bereits in 13 Ländern auf vier Kontinenten erfolgreich im Dauereinsatz und die TU-Ausgründung weiter auf Expansionskurs.

So flink wie ein Hund steigt der Roboter Treppen hinauf und hinab, läuft über Gänge und Plattformen, vorbei an riesigen Leitungen, Rohrsystemen, Turbinen und Anlagen im Inneren eines Wasserkraftwerks in den österreichischen Alpen. Mit seinem länglichen gelben Körper auf schwarzen, schlanken Beinen sieht der Inspektionsroboter tatsächlich aus wie ein Hund auf wachsamem Kontrollgang durch sein Revier.

Das Kamerasystem im Roboterkopf scannt die Umgebung, kontinuierlich auf der Suche nach möglichen Störungen, Objekten, die dort nicht hingehören, ungewöhnlichen Vorgängen, checkt Temperaturangaben und Kontrollanzeigen.

Software für die Inspektionsroboter

Gebaut hat den Laufroboter die Firma „Boston Dynamics“. Die Hardware ist die Hülle, das Innenleben hat das Darmstädter Start-up Energy Robotics entworfen. Die Informatik-Absolventen der Technischen Universität und das US-amerikanische Robotik-Unternehmen arbeiten seit 2021 zusammen.

„Wir entwickeln die Software für die Inspektionsroboter“, erklärt Energy Robotics-CEO Marc Dassler. Die Ausgründung der TU bietet seit 2019 die erste kommerziell verfügbare Softwareplattform an, die ein Hardware-unabhängiges Roboterbetriebssystem mit einem cloudbasierten Flottenmanagement und einer KI-getriebenen Datenanalyse für industrielle Anwendungen zusammenführt. Spezialisiert ist Energy Robotics auf die Öl-, Gas-, Chemie- und Energiewirtschaft.

Die Entwicklungen des Teams sind ausgelegt für die Überwachung auf Öl- und Gasplattformen, Chemieanlagen, aber auch in Umspannwerken und Kraftwerksanlagen. Zu den Kunden gehören Unternehmen wie Shell, Woodside, Merck, die BASF, BP oder auch Eon oder Evonik. „Wir sind weltweit die Software-Experten für Inspektionsroboter und haben auch die meisten dauerhaft im Einsatz“, sagt CEO Dassler.

Firmenhintergrund

Eine erfolgreiche Firmengeschichte: Seit 2017 begleitet vom TU-Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST, wurde Energy Robotics im November 2021 von „Frankfurt Forward“ zum Startup des Jahres gekürt. „Frankfurt Forward“ bringt unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Frankfurt am Main Gründer und etablierte Unternehmen zusammen. Anfang 2021 waren bereits Earlybird Venture Capital und weitere Investoren bei den Darmstädter Entwicklern mit rund zwei Millionen Euro eingestiegen, die Suche nach weiteren Geldgebern läuft derzeit.

„Seither sind wir kräftig gewachsen“, sagt Marc Dassler. In nur drei Jahren ist die Zahl der Mitarbeitenden der TU-Ausgründung auf 28 angestiegen. Die Software-Lösungen von Energy Robotics sind unterdessen in 13 Ländern auf vier Kontinenten im Einsatz.

Firmensitz ist das Hub31, in der Hilpertstraße in Darmstadt. „Dort befindet sich das neue Labor und die Robotertestanlage“, berichtet TU-Professor Oskar von Stryk. Ein kleiner Teil des Teams arbeitet und entwickelt vor Ort, doch die meisten Beschäftigten sind über Deutschland und Europa verteilt, so CEO Dassler.

Markt für die Technologie

Entstanden ist das Start-up am Fachbereich Informatik der TU Darmstadt. Das Gründerteam kennt sich seit über zehn Jahren. „Wir haben alle unsere Wurzeln im Roboter-Fußball der Universität“, erzählt Stefan Kohlbrecher. Er und Dorian Scholz waren erst Studierende und später Doktoranden von Professor von Stryk. Der Mexikaner Alberto Romay stieß dazu, als internationale Hochschulteams bei der Roboter-Fußball-Weltmeisterschaft RoboCup in Graz 2009 zusammenkamen und die TU Darmstadt die Szene dominierte. „Da muss ich unbedingt hin“, dachte Romay und wechselte mit einem Promotions-Stipendium von Mexico-Stadt nach Darmstadt.

Eine der Initialzündungen war der Sieg bei der ARGOS-Challenge des französischen Mineralölunternehmens Total, bei der es um den Einsatz autonomer Roboter auf Gas- und Ölplattformen ging. Mit ihrem Prototyp bestand das TU-Team einen dreijährigen Konkurrenzkampf mit mehrwöchigen Wettbewerbsrunden und Missionen. „Da war für uns klar: Es gibt für unsere Technologie einen Markt“, erinnert sich Professor von Stryk. Der Gedanke für die Ausgründung war geboren.

Seither hat Energy Robotics seine Hardware-übergreifenden Software-Lösungen kontinuierlich weiterentwickelt. Die Roboter ihrer Firmenpartner „Ex-Robotics“ und „Boston Dynamics“ – derzeit ist die Anwendung für weitere Robotertypen und auch Drohnen in Arbeit – navigieren dank der Darmstädter Software autonom. Per Laserscanner werden Karten der zu überwachenden Anlagen erstellt. Die Roboter lernen.

Einmal ferngesteuert auf den Überwachungsparcours geschickt, können sie ihn anschließend allein bewältigen. Die forschenden Firmenmitglieder haben eine „Click-and-Inspect-Technik“ entwickelt. „Der Roboter zeichnet alles auf, was er sieht und der Kunde kann ihm Aufgaben geben und bestimmen, was er bei seinem Rundgang kontrollieren soll“, erklärt Dassler. Dafür braucht er nur einen Webbrowser.

„Wir haben eine Art Roboter-Gehirn konstruiert“, sagt der CEO. Mit Hilfe der Kamera sammelt der Roboter Daten, die er an diese Cloud Brain sendet. Dort werden aus den Rohdaten die gewünschten Informationen gezogen – etwa zur Temperatur der Pumpen, zu Manometern, Kugellagern oder Kühlsystemen – die dann wiederum an den Kunden weitergeleitet werden – versehen mit einem speziellen Programm zur Datensicherheit, betont der TU-Alumnus.

Der Markt für die Geschäftsidee der autonomen Überwachung von Industrieanlagen wächst weltweit. Treiber sind die Digitalisierung, aber auch der demographische Wandel und wachsende Fachkräftemangel. Überwachungsroutinen sind zeit- und kostenintensiv. „Unsere Software nimmt niemanden den Arbeitsplatz weg“, sagt Marc Dassler. Unternehmen wollen ihr rares hochqualifiziertes Personal lieber in anderen Bereich einsetzen statt sie auf zeitraubende Kontrollgänge zu schicken.

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