Deutschland plant im Rahmen der Energiewende bis 2045 den gesamten Strombedarf ausschließlich durch erneuerbare Energien wie Wind- und Solarkraft zu decken (Quelle: unter anderem EEG 2023). In deutlich geringerem Maße sollen auch Biomasse- und Laufwasserkraftwerke genutzt werden. In seiner Untersuchung „Energiewende und Versorgungssicherheit - Dunkelflauten erfordern Handeln!“ geht Prof. Markus Löffler auf die damit verbundenen Risiken für die Versorgungssicherheit ein.
„Wenn wir den eingeschlagenen Kurs mit den vorhandenen Lücken bei den Kraftwerkskapazitäten fortsetzen, werden wir schon in wenigen Jahren immer wieder im Dunkeln sitzen“, so der Experte für Hochspannungstechnik. „Wie schon im Positionspapier des Westfälischen Energieinstituts dargestellt, gefährdet Deutschland mit dieser Strategie seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und den sozialen Frieden. Erneuerbare Energien sind womöglich nicht das Allheilmittel für eine versorgungssichernde Energiewende.“ Potenziale ruhen laut Löffler in einer Optimierung von Über- und Unterversorgungsphasen durch steuerbare Kraftwerke.
Von Überversorgung bis Dunkelflaute
Die Energieproduktion durch Wind- und Solarkraft ist nicht gleichbleibend, da sie wetter- und tageszeitbedingten Schwankungen unterliegt. Diese stimmen nicht mit dem tatsächlichen Strombedarf der Verbraucher überein. So entstehen in bestimmten Zeiträumen Über- und Unterversorgungssituationen mit der Folge dauerhafter Blackouts. „Bei einer Überversorgung könnten Lösungen darin bestehen, den überschüssigen Strom zu speichern, PV- oder Wind-Kraftwerke rechtzeitig abzuschalten, auch wenn dies unwirtschaftlich ist, oder ins Ausland zu exportieren, sofern möglich“, erklärt Prof. Löffler.
Eine größere Herausforderung stellt die Sicherstellung der Stromversorgung bei Dunkelflauten dar, also beim gleichzeitigen Auftreten von Dunkelheit und Windflaute. Laut Studiendaten könnten innerhalb eines sechsjährigen Zeitraums zahlreiche Dunkelflauten mit Dauern zwischen einer und 265 Stunden (circa elf Tage) auftreten. Dabei wären durch den Wegfall von Wind- und Solarkraft häufig Leistungsdefizite von über 150 Gigawatt (GW) zu verzeichnen. Kurzfristig geringe Defizite bis zu sechs Stunden ließen sich durch vorhandene Batterie- und Pumpspeicherkraftwerke gut ausgleichen. Mittelfristige Defizite bis zu 18 Stunden wären gemäß der Studienergebnisse unter günstigen Bedingungen auch noch zu kompensieren.
„Um länger anhaltende Defizitphasen von bis zu elf Tagen abzufangen, benötigten wir steuerbare Gas- oder Wasserstoff-Kraftwerke im Inland mit mindestens 150 GW abrufbarer Leistung. Bis zum Jahr 2035 sind derzeit nur 10 GW Wasserstoff-Kraftwerke geplant bei derzeit vorhandenen 35 GW Gas-Kraftwerken. Oder man müsste nötigenfalls auf Stromimporte zurückgreifen, da die vorhandenen Batteriespeicher und ähnliche Technologien nicht ausreichen würden“, so der Gelsenkirchener Energieexperte weiter. Man sei auf zusätzliche, zuverlässige Energiequellen angewiesen, die schnell einspringen könnten, wenn erneuerbare Energien nicht mehr ausreichten.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Steuerbare Kraftwerke würden im Schnitt mit knapp 500 Volllaststunden pro Jahr betrieben werden müssen, mit einer Vielzahl von kurzen bis mittellangen Einsatzzeiten. Das Problem: Aufgrund der seltenen Nutzung, wenn Energie durch erneuerbare Quellen nur unzureichend produziert wird, sind steuerbare Kraftwerke nicht wirtschaftlich. Die Gestehungskosten für eine Megawattstunde elektrischer Energie könnten bis zu 730 Euro betragen. Investitionen in solche Anlagen dürften kaum rentabel sein, da die Betriebszeiten zu gering sind und die Stromproduktion dadurch unverhältnismäßig teuer würde. Dies gälte insbesondere auch dann, wenn es sich um Kraftwerke mit Wasserstoffversorgung noch unbekannter Herkunft, Lieferzuverlässigkeit und Wasserstoff-Handelspreisen handeln sollte.
Derartige Backup-Kraftwerke würden somit unabhängig von ihren Betriebsmitteln (Erdgas, Wasserstoff und gegebenenfalls Kernkraft) so lange nicht gebaut werden, bis sich die Bedingungen für ihren Betrieb ändern. Laufzeiten vergleichbar mit den heutigen, über den Einsatz in Mangelsituationen hinaus, würden zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit führen. Ein Lösungsansatz wäre somit die Kombination steuerbarer Kraftwerke für einen Dauerbetrieb mit weiteren steuerbaren Kraftwerken zum Ausgleich von Last- und Versorgungsschwankungen.
„Auch wenn es in der aktuellen Energie- und Klimawendedebatte widersinnig klingt, müsste zusätzlich der Ausbau der erneuerbaren Energien erheblich reduziert werden“, führt Löffler aus und erklärt: „Dies würde zu geringeren Überschüssen führen und somit eine stärkere Nutzung von zuverlässigeren – steuerbaren – Energiequellen ermöglichen.“ Eine erhebliche Reduzierung erneuerbarer Kraftwerke würde jedoch gleichzeitig die Überproduktionskapazitäten reduzieren, was die Eigenproduktion von Wasserstoff nahezu unmöglich macht. Der fehlende Wasserstoff müsste dann aus europäischen oder anderen ausländischen Quellen bezogen werden. Dies könnte sich als problematisch herausstellen, wenn andere Länder mit ähnlichen Energieversorgungslagen konfrontiert sind.
Neuausrichtung der Strategie für die Energiewende erforderlich
Die derzeitige Planung und Umsetzung der Energiewende hat laut Prof. Löffler noch erhebliche Schwächen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass ohne den Einsatz verlässlicher, steuerbarer Kraftwerke die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet werden kann und die Energiewende in der aktuellen Form als gescheitert betrachtet werden muss. „Die vorliegende Studie fordert daher eine Neuausrichtung der Strategie der Energiewende, um eine nachhaltige und sichere Stromversorgung bis zum Jahr 2045 sicherstellen zu können“, so das Resümee des Spezialisten.
Die Studie ist hier abrufbar.