Predictive Maintenance sinnvoll nutzen Schluss mit der Wahrsagerei

Um eine verlässliche Aussage über den Zustand einer Maschine treffen zu können, müssen möglichst viele Maschinendaten gesammelt und mit intelligenten Analysealgorithmen ausgewertet werden.

Bild: B&R
27.09.2019

Fällt eine Maschine aufgrund eines Defekts aus oder muss für eine Wartung stillgelegt werden, kostet das doppelt Geld: Es fallen Reparaturkosten an und es entstehen Umsatzeinbußen durch Stillstand der Anlage. Wer ohne Wahrsagerei frühzeitig sich andeutende Schäden erkennen will, benötigt eine Lösung für die vorausschauende Wartung. Das funktioniert inzwischen einfacher als gedacht und eröffnet sogar neue Geschäftsmodelle für Maschinenbauer.

Dieser Beitrag ist Teil der Titelreportage der . Lesen Sie hier das zugehörige Titelinterview mit Martin Staudecker von B&R.

Maschinen mit durchlaufenden Bahnen wie Druck- oder Verpackungsmaschinen können komplexe Bahnführungen mit unzähligen Walzen aufweisen. Tritt an einer Walze ein Schaden zum Beispiel in Form einer mechanischen Unwucht oder einer erhöhten Lagerreibung auf, induziert dies unkontrollierte Schwingungen und beeinträchtigt die Bahnzugkraft der Maschine. Die Produktqualität wird negativ beeinflusst und im schlechtesten Fall kommt es sogar zum Maschinenstillstand.

Um dies zu vermeiden, können Systeme zur vorausschauenden Wartung herangezogen werden. Diese Systeme erkennen mögliche Defekte, bevor sie tatsächlich eintreten. Unwuchten oder abgenutzte Lager werden rechtzeitig bemerkt und die notwendigen Reparaturen können vorgenommen werden. So wird verhindert, dass die Walze ausfällt und somit die ganze Maschine stillsteht.

Stillstände vermeiden

Grundlage für die vorausschauende Wartung ist die Auswertung unterschiedlicher Maschinendaten. Die permanente Zustandsüberwachung, das sogenannte Condition Monitoring, erfasst diese Daten, analysiert und bewertet sie. Anhand dieser Auswertung können vorausschauende Wartungssysteme die Eintrittswahrscheinlichkeit für bestimmte Ereignisse präzise berechnen.

„Mit der vorausschauenden Wartung lässt sich eine anstehende Reparatur nicht nur maximal kosten-, sondern auch leistungseffizient durchführen – also genau rechtzeitig, bevor der Maschine ein Leistungsverlust droht“, erklärt Martin Staudecker, Experte für Softwareentwicklung im Bereich Regelungstechnik bei B&R.

Die vorausschauende Wartung kann aber weit mehr, als das Verhalten einer einzelnen Walze zu überwachen. Vielmehr liefert sie ein Gesamtbild über den Zustand der ganzen Maschine und gibt eine Prognose über Ausfallwahrscheinlichkeiten von Bauteilen ab. So werden Drehzahlen, Geräusche oder Temperaturen von Motoren erfasst und ungewöhnliche Vibrationen frühzeitig erkannt. Ebenso sind exakte Schwingungsanalysen von verschleißgefährdeten Komponenten möglich.

Intelligente Analysealgorithmen

Um eine verlässliche Aussage über den Zustand einer Maschine treffen zu können, müssen möglichst viele Maschinendaten gesammelt und mit intelligenten Analysealgorithmen ausgewertet werden. Je mehr Daten das System heranziehen kann, desto besser kann es Schäden erkennen, bevor sie entstehen.

„Allerdings bedeutet dies, Systeme zu finden, die zum einen diese große Datenmenge speichern können und zum anderen mit deren Analyse fertig werden“, sagt Staudecker. Neben den Zustandsdaten der Maschine selbst, spielen für die vorausschauende Wartung zudem Parameter aus dem Umfeld der Maschine, wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit, eine Rolle. Auch diese Daten müssen in den Analyseprozess eingebunden werden, um eine verlässliche Prognose zu erhalten.

B&R nutzt für die vorausschauende Wartung zum einen I/O-Module für Condition Monitoring und zum anderen ausgefeilte Analysealgorithmen der B&R-Software mapp Technology. Die Condition-Monitoring-Module erkennen mögliche Wartungsfälle präzise und sind sehr einfach zu konfigurieren.

Die Besonderheit der B&R-Module ist die Schwingungsanalyse, die lokal in den Modulen durchgeführt wird. Die Daten der Module lassen sich leicht aufbereiten und ermöglichen so eine effiziente Optimierung bestehender Prozesse. Zudem sind alle Module Teil der X20-Steuerungsfamilie von B&R und damit uneingeschränkt in Steuerungstopologien verwendbar.

Daten ergebnisorientiert verarbeiten

Mit den ausgefeilten Analysealgorithmen aus dem Softwarepaket mapp Control lassen sich die gesammelten Daten auswerten. „Für die Datenanalyse ist es wichtig, die Daten mit hoher Performance ergebnisorientiert zu verarbeiten. Genau das macht mapp Control möglich“, sagt Staudecker. Der Großteil der Analysen kann direkt auf der Steuerung durchgeführt werden. Dadurch wird die Datenmenge erheblich optimiert, da nur die ausgewerteten Ergebnisse übertragen werden müssen.

Fehlervorhersage durch Autotuning

Um Fehler frühzeitig zu erkennen, können auch Tuning-Prozeduren herangezogen werden. „Mit mapp Control stehen modellbasierte Methoden zur Verfügung, die das Systemverhalten identifizieren und darauf aufbauend einen geeigneten Regler entwerfen“, sagt Staudecker.

Besonders bei wiederholtem Tuning in regelmäßigen Abständen werden zum einen die Reglerparameter aktualisiert und zum anderen fallen Veränderungen im Systemverhalten einer Maschine auf. Dies kann zum Beispiel das stationäre Verhalten, die Systemdynamik oder die Resonanzfrequenz betreffen. Anhand dieser Vergleichswerte lassen sich Rückschlüsse auf Vorgänge im Maschinenprozess ziehen und Verschleiß oder Leckagen erkennen.

Mit vorausschauender Wartung lässt sich der optimale Zeitpunkt für den Tausch von Maschinenkomponenten finden und in die laufende Produktion einplanen. Hydraulikventile können zum Beispiel mechanische Verschleißerscheinungen aufweisen und müssen dann getauscht werden. Der Verschleiß tritt zwar langsam auf, wirkt sich aber negativ auf die Regelung hydraulischer Achsen aus.

B&R bietet im Softwarepaket mapp Hydraulics einen geeigneten Baustein für die frühzeitige Erkennung derartiger Verschleißerscheinungen an: „Der Baustein vermisst automatisch und präzise die Ventilkennlinie, welche den Zusammenhang zwischen Ventilöffnung und Öldurchfluss beschreibt. Dadurch wird die tatsächlich vorhandene Kennlinie ermittelt, was nicht nur den Verschleiß sichtbar macht, sondern auch die bestmögliche Regelgüte zur Folge hat“, erklärt Staudecker.

Heizstromüberwachung

Besonders bei komplexen Maschinen, wie sie zum Beispiel in der Kunststoffproduktion zum Einsatz kommen, ist es von großer Bedeutung, dass alle einzelnen Verarbeitungsschritte optimal ausgeführt werden. Nur so entsteht ein qualitativ hochwertiges Endprodukt.

Ein typischer Teilprozess bei der Herstellung von Kunststoff ist die Extrusion. Kommt es bei einem Extruder zu einem defekten Heizelement, kann dies den Stillstand der gesamten Produktionsanlage bedeuten. Der damit einhergehende Produktionsstopp ist mit hohem Ausschuss und immensen Mehrkosten verbunden.

„Mit vorausschauender Wartung und den entsprechenden Softwarebausteinen von B&R werden die einzelnen Komponenten der Maschine immer in einem optimalen Zustand gehalten. Das erhöht langfristig die Produktivität der gesamten Anlage“, sagt Staudecker.

Zum Überwachen von Heizelementen nutzt B&R das Softwarepaket mapp Temperature. Defekte Heizelemente werden damit frühzeitig erkannt. In frei konfigurierbaren Zyklen werden die Heizströme mit den Referenzströmen verglichen. Veränderungen im Heizkreis sind dadurch wahrnehmbar und angehende Schäden im Heizelement oder in Relais fallen auf.

Neue Geschäftsmodelle

Mit der vorausschauenden Wartung lassen sich zusätzliche Geschäftsmodelle für Maschinenbauer erschließen. Vor allem im Servicebereich bieten sich viele Möglichkeiten. Zum Beispiel können mit den gesammelten Maschinendaten über einen längeren Zeitraum hinweg, Wartungszyklen präziser vorhergesagt werden. Der Maschinenbauer kann seinen Kunden einen maßgeschneiderten Wartungsservice anbieten. Die bestehenden Maschinen im Feld werden so immer optimal in Schuss gehalten.

„Die Daten lassen sich auch zur Optimierung der Maschine selbst heranziehen“, sagt Staudecker. Maschinenbauer können mit der vorausschauenden Wartung nicht nur ein umfangreiches Servicepaket anbieten, sondern auch die Entwicklung ihrer Maschinen vorantreiben.

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