Dr. Christophe Bianchi, Ansys Simulation, das Herzstück nachhaltiger Produktentwicklung

ANSYS Germany GmbH

Dr. Christophe Bianchi ist als Chief Technologist – Office of the CTO bei Ansys, dem Spezialisten für technische Simulationssoftware, tätig. Mit einem Master of Science und seinem Doktortitel in Electronics sowie einem MBA in Economics und Entrepreneurship vom Imperial College London kombiniert Dr. Bianchi in seiner 35-jährigen Karriere technischen und geschäftlichen Scharfsinn und konnte seine Erfahrung bereits in mehreren internationalen Softwareunternehmen einbringen. 2019 kam Dr. Bianchi zu Ansys und widmet sich der Aufgabe, die Präsenz und die strategische Entwicklung des Simulationsunternehmens auf dem europäischen Markt zu stärken.

Bild: Ansys
27.10.2022

Die ultimative Herausforderung für Ingenieure besteht heute darin, bereits in einem sehr frühen Stadium des Designprozesses den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu berücksichtigen, einschließlich Konstruktion, Produktion, Nutzung und Entsorgung, inklusive Verpackung und Logistik. Und was ist mit der Nachhaltigkeit? Kann die Simulation auch hier bei allen Aspekten helfen?

Die Simulation ist ein Prozess, bei dem die Auswirkungen der Naturgesetze auf Ihr zukünftiges Produkt modelliert werden. Dies geschieht, ohne dass ein physischer Prototyp erstellt werden muss. Dadurch wird der Bedarf an Prototypen reduziert und somit eine gewisse Nachhaltigkeit gefördert. Unsere Kunden, die Entwicklungsingenieure, sind äußerst effizient geworden und beherrschen diese Methoden, um die besten Lösungen in diesem dreidimensionalen Simulationsraum zu finden.

Allerdings hatten die Nachhaltigkeit und die Auswirkungen auf die Umweltressourcen selten eine hohe Priorität. Und wenn wir jetzt die Dimension der Nachhaltigkeit und die wachsende Sorge, um den Schutz des Ökosystems, in dem wir leben, hinzufügen, wird das herkömmliche Muster der Simulation völlig durchbrochen. Es gibt jetzt viel mehr Parameter zu berücksichtigen, und die technischen Methoden, die Prozesse, die wir im Laufe der Zeit aufgebaut und perfektioniert haben, schränken nun unser Potenzial ein. Wir müssen neu ansetzen und neu beginnen, indem wir diese vierte Dimension mit der gleichen oder sogar einer höheren Priorität, als nur in Bezug auf Kosten, Leistung oder Qualität berücksichtigen. Dies führt zu komplexeren Problemen, die es mit neuen Arten der Simulation zu lösen gilt.

Diese Form der Simulationen ermöglichen radikal neue Wege des Design-Thinkings. Das beginnt bereits mit einer gründlichen Analyse, wo und wie Energie verbraucht wird oder wie sich Verschwendung vermeiden lässt. So können zum Beispiel digitale Zwillinge Echtzeit-Untersuchungen während des gesamten Produktionslebenszyklus nachstellen und begleiten. Unabhängig davon, ob wir uns nun auf Treibhausgasemissionen, Energie, Materialien oder die Auswirkungen auf Umwelt und Mensch konzentrieren, sparen Simulationslösungen Rohstoffe und reduzieren letztendlich den CO2-Fußabdruck. Denn digitale Tests machen Prototypen in einer großen Anzahl überflüssig. Langfristig lässt sich dadurch Zeit einsparen, die eine schnellere Markteinführung ermöglicht. Zudem spart es Geld, das an anderer Stelle besser investiert wäre. So können effektivere und optimierte Produkte entwickelt werden, die den Anforderungen an die Nachhaltigkeit entsprechen.

Jeden Monat werden etwa 130 Milliarden Gesichtsmasken weltweit verwendet und entsorgt. Nimmt man also nur die leichteste davon, die OP-Maske, so wiegt sie etwa dreieinhalb Gramm. Das sind also etwa 450.000 Tonnen Masken im Monat. Also sollen fünf Millionen Tonnen Masken jedes Jahr recycelt werden. Das sind im Vergleich mehr als 65.000 voll beladene Airbus A320. In diesem speziellen Fall ist Materialintelligenz ein wesentliches Element für nachhaltiges Design. Und das gilt für alle Produkte.

So hängt in der frühen Phase des Entwurfs eines neuen Produkts die Wahl der Materialien im Wesentlichen von den genauen Materialeigenschaften ab. Die Bewertung der Nachhaltigkeit der Materialien während ihrer Verwendung und auch bei ihrer Entsorgung ermöglicht es Ihnen dann, die Materialinformationen während der gesamten Produktentwicklung und des Lebenszyklus zuzuordnen und zu verfolgen.

Materialintelligenz ist ein Prozess, bei dem wir alle Materialinformationen an einem Ort kombinieren, um die Verwaltung von Lieferantenerklärungen und Arbeitsabläufen sowie den Vergleich mehrerer Materialien zu erleichtern. So möchten wir Kompromisse visualisieren und nachhaltige Alternativen aufzeigen. Aber die Materialintelligenz umfasst auch eine Herstellungs- und Verarbeitungsdatenbank, um die Kompatibilität mit den Materialverarbeitungsbedingungen etwa nach Industriestandards oder ISO-Eigenschaften zu bestimmen.

Sie müssen zwischen verschiedenen Materialeigenschaften, seien es die technischen, wirtschaftlichen oder nachhaltigen, abwägen. Aber die Materialintelligenz umfasst auch eine Herstellungs- und Verarbeitungsdatenbank, um die Kompatibilität mit den Materialverarbeitungsbedingungen zu bestimmen. Und Eigenschaften nach Industriestandard, ISO-Eigenschaften, machen all dies zuverlässiger und einfacher zu handhaben.

Der Vorteil der Simulation von Materialeigenschaften und Herstellungsprozessen ermöglicht hier, Materialien auszuschließen, die zum Beispiel mit dem Schmelz- und Formgebungsverfahren nicht kompatibel sind sowie Materialien mit medizinischer Eignung herauszufiltern. Im Falle des Beispiels der Gesichtsmasken konnten wir aufzeigen, dass man die Recyclingfähigkeit deutlich erhöhen kann und damit den CO2-Fußabdruck des Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus um das 2- bis 3-fache verringert.

Ein weiteres Beispiel: In Industrieanlagen werden Fackelkamine in erster Linie zur Verbrennung von entzündlichen Gasen verwendet, die durch Sicherheitsventile bei ungeplantem oder geplantem Überdruck in der Anlage freigesetzt werden. Aber auch beim An- und Herunterfahren von Anlagen und Anlagenteilen werden die Kamine häufig für die geplante Verbrennung von Gasen für einen relativ kurzen Zeitraum genutzt.

Beim Abfackeln von Gasen werden Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide und Stickstoffdioxide (NOx) freigesetzt, die für die Umwelt schädlich sind. Deshalb ist die Verringerung der Emissionen und die Kontrolle der Ausbreitung der Abgase über den Fackelkamin eine zwingende Notwendigkeit, um die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einzuhalten und die schädlichen Auswirkungen der von der Fackel ausgehenden Emissionen auf die umliegenden Gebäude, Anlagen und Arbeiter zu minimieren.

Die Simulation kann hier nicht nur mit hochpräzisen 3D-Modellen das Abfackeln und die Ausbreitung der schädlichen Abgase vorhersagen, sondern bietet mit der Möglichkeit, die Brennstoffzusammensetzung anhand von Simulationen zu ändern auch eine schnelle Emissionsvorhersage auf der Grundlage verschiedener Reaktionsmodellle zu treffen.

Zudem lassen sich anhand dieser Echtzeitmodelle digitale Zwillinge erstellen, die zusätzlich mit Sensoren und vernetzten Industriesystemen gekoppelt werden können, um so eine vorausschauende Wartung und dynamische Steuerung des Fackelsystems zu ermöglichen. Das führt zu einem sichereren Betrieb und einer signifikanten und nachhaltigen Minimierung der Schadstoffemissionen vor Ort.

Die technische Simulation ist nicht nur ein Konstruktionswerkzeug, das hilft, die Markteinführungszeit zu verkürzen, die Qualität zu verbessern und die Kosten zu senken, sondern auch ein wesentliches Werkzeug, das uns unterstützt, die ökologischen Probleme zu bewältigen sowie sparsamere und recycelbare Produkte zu entwickeln. Zudem ist Simulation in Verbindung mit maschinellem Lernen ein Instrument, mit dem Sie neue Möglichkeiten des Design Thinkings erkunden können. Es bietet die Chance, aktuellen Umweltherausforderungen entgegenzutreten und bessere Produkte in Hinblick auf Nachhaltigkeit zu entwickeln, um so den Schutz der Erde, als eines der wichtigsten Leitprinzipien unseres technischen Fortschritts, zu untermauern.

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