Interview mit Matthias Fritsche und Rainer Schmidt von Harting „SPE bietet Ethernet vom Sensor bis in die Cloud“

HARTING Technologiegruppe

Matthias Fritsche (links) und Rainer Schmidt von Harting umreißen Technologie, Vorteile und Einsatzmöglichkeiten des SIngle-Pair-Ethernets.

Bild: Harting
06.03.2019

Single Pair Ethernet (SPE) könnte eine der Schlüsseltechnologien für Industrie 4.0 und das Industrial IoT werden. Was SPE zu bieten hat, erklären Matthias Fritsche, Produktmanager Interface bei Harting, und Rainer Schmidt, Business Development Manager Industrieverkabelung bei Harting, im Interview.

E&E:

Wo sehen Sie Single Pair Ethernet besonders im Kommen?

Matthias Fritsche:

Single Pair Ethernet (SPE) hat das Potenzial, heutige analoge Strom- und Spannungs-Einheitssignale nach IEC 60381-1 und 60381-2 sowie viele Feldbusse in der Sensor- und Aktorwelt zu ersetzen. Damit können die zahlreichen Umsetzer und Gateways sowie die vielen Medienbrüche in heutigen Anwendungen eliminiert werden. SPE ist ein wichtiger Treiber und Enabler für die Digitalisierung und die Basis von IIoT und Industrie 4.0.

Sind die geringeren Kosten das entscheidende Merkmal von SPE?

Rainer Schmidt:

Die potenziell geringeren Kosten für die Verkabelung sind sicher wünschenswert, aber nicht das entscheidende Argument. SPE ermöglicht den durchgängigen Einsatz des TCP/IP-Protokolls. Und das treibt die Entwicklung neuer Geräte und Anwendungsfelder gerade in Sensor- und Aktornetzwerken voran. Der Sensor wird intelligent, Teil des Gesamtnetzwerks und reduziert die Zeiten für Parametrierung, Initialisierung und Programmierung.

SPE ermöglicht die gleichzeitige Übertragung von Daten und Spannung. Das ist besonders für das IoT interessant.

Fritsche:

Das ist richtig. Power over Data Lines (PoDL) ist analog zu Power over Ethernet (PoE) ein leistungsfähiger Standard für die Übertragung von Versorgungsspannung und Daten über das gleiche Adernpaar. Das ist einer der entscheidenden Vorteile zu allen drahtlosen Systemen. Nur so können Sensoren und Aktoren bis 50 W über SPE und PoDL betrieben werden. Nebenher sehe ich hier auch einen großen Umwelt- und Kostenaspekt, denn Millionen von Batterien in drahtlosen Sensoren werden dadurch obsolet. Auch die Störsicherheit drahtgebundener Systeme ist weitaus besser, und wenn die Bandbreite von Funksystemen ausgereizt ist, kann man mit SPE einfach ein weiteres Kabel installieren.

Wie wichtig ist die Kombination mit TSN?

Schmidt:

TSN, also Time Sensitive Networking, ist ein Paket von Erweiterungen der IEEE802.1-Ethernet-Standards zur Datenübertragung mit sehr geringer Reaktionszeit und hoher Verfügbarkeit. Mögliche Anwendungsbereiche sind konvergente Netzwerke mit Echtzeit-Audio- oder -Video-Streams sowie insbesondere Echtzeit-Steuerungen (Controllstreams), zum Beispiel für Automobile oder Industrieanlagen. Viele große Automatisierer sprechen sich mittlerweile für TSN und OPC-UA als das kommende Kommunikationssystem aus. SPE in Verbindung mit TSN ist damit die Technologie, um mit Ethernet flächendeckend in die Feldebene vorzudringen.

Über Ethernet ist eine durchgängige Anbindung von der Cloud bis in die Feldebene mit nur einer Technik möglich. Welche Vorteile bietet das?

Fritsche:

Heute herrscht in der Automation mit den vielen Industrial-Ethernet-Dialekten (IE) und den unterschiedlichen Feldbussen ein babylonisches Sprachgewirr. Als um das Jahr 2000 Ethernet erstmals eingesetzt wurde, haben sich viele Anwender das Ende des Feldbuskriegs erhofft. Dieser Wunsch hat sich leider nicht erfüllt. Die Feldbusse sind zu den unterschiedlichen Industrial-Ethernet-Systemen migriert und zwischen allen diesen Systemen sind Gateways als Übersetzer notwendig. Deren Entwicklung, Installation und Wartung ist sehr aufwendig und oftmals fehleranfällig. Mit durchgängigem Industrial Ethernet von der Cloud bis an jeden Sensor kann das entfallen. Dadurch lassen sich Zeit und Kosten einsparen, die Komplexität im Netzwerk nimmt ab und der Aufwand für Betrieb und Wartung reduziert sich.

Das Steckgesicht Ihres Steckverbinders Tw1ster wurde von der IEC zum Industriestandard bei SPE gewählt. Was spricht besonders dafür?

Schmidt:

Der große Vorteil unserer Lösung ist ein einheitliches Steckgesicht, das wir als Datencontainer bezeichnen. Dieser wird in allen Varianten von der IP20-Version bis hin zu den IP65- und IP67-Ausführungen mit den bekannten M8- und M12-Schraubverriegelungen und den Produkten mit PushPull- und SnapIn-Verriegelung verwendet. Damit können beispielsweise Sensoren mit einer IP65- und IP67-Schnittstelle zu Test, Wartung oder Parametrierung einfach auch mit einem IP20-Kabel angeschlossen werden. Wir haben komplett neu begonnen und ein sehr symmetrisches Steckgesicht entwickelt, das auch hinsichtlich höherer Datenraten Luft nach oben hat und somit zukunftsfähig ausgelegt ist. Auf Basis dieses Steckgesichts bereitet Harting ein umfassendes Produktportfolio für die Industrie vor.

Welche Produkte werden Sie 2019 um SPE vorstellen?

Fritsche:

Gemäß dem angesprochenen einheitlichen Steckgesicht beginnen wir bei der Produktrealisierung mit den IP20-Varianten. Zur Hannover Messe im April diesen Jahres starten wir mit der gewinkelten Lötbuchse und dem Steckverbinder mit Crimpanschluss sowie fertigen SPE-Patchkabeln. Als nächster Schritt sind zur SPS die ersten IP65- und IP67-Varianten in M8- und M12-Baugröße geplant. Generell wird das Produktsortiment in den nächsten Jahren kontinuierlich ausgebaut und wir planen ein vollständiges SPE-Ecosystem mit allen notwendigen Verbindungstechnikkomponenten, wie beispielsweise auch feldkonfektionierbaren Steckverbindern.

Mehr zu Hartings Single-Pair-Ethernet-Technologie lesen Sie in der Titelstory der März-Ausgabe der E&E.

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