Das Technologie-Netzwerk it´s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe gilt bundesweit als eine der größten Initiativen für Industrie 4.0 und wurde mehrfach ausgezeichnet. In der Zeit von 2012 bis 2017 haben 200 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in 47 Projekten Lösungen entwickelt, mit denen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen die Zuverlässigkeit, Ressourceneffizienz und Benutzerfreundlichkeit ihrer Maschinen und Anlagen steigern können.
Prof. Dr.-Ing. Roman Dumitrescu, Geschäftsführer it‘s OWL Clustermanagement: „Gemeinsam mit unseren Unternehmen und Forschungseinrichtungen entwickeln wir dafür neue Basistechnologien, wiederverwendbare Lösungsmuster und Softwarebibliotheken, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nutzen können.“ Dazu werden in einem ersten Schritt ab Dezember fünf Leitprojekte mit einem Volumen von 15 Mio. Euro umgesetzt. Insgesamt sollen mit Unterstützung von Land, Bund und EU bis 2022 Projekte im Umfang von 200 Mio. Euro auf den Weg gebracht werden. Die 24 Kernunternehmen von it´s OWL werden dafür 100 Mio. Euro investieren.
Die Weltmarktführer der Automatisierung sind dabei wichtige Treiber und stehen für die Innovationskraft des Spitzenclusters. So ist der Umsatz der sechs Unternehmen Beckhoff Automation, Harting, Lenze, Phoenix Contact, Wago Kontakttechnik und Weidmüller seit dem Start von it´s OWL 2012 um 42 Prozent auf 6,03 Mrd. Euro gestiegen, die Anzahl ihrer Beschäftigten um 33 Prozent auf 41.415. Sie sind in allen fünf Leitprojekten wichtige Impulsgeber für die Technologieentwicklung.
Maschinelle Intelligenz für die Produktion
Lenze erarbeitet beispielsweise in einem Leitprojekt gemeinsam mit Benteler, KEB, Hanning Elektrowerke, Miele, Weidmüller und fünf Forschungseinrichtungen Lösungen für maschinelles Lernen in der Produktion, die auf einer Plattform für weitere Clusterunternehmen verfügbar gemacht werden.
Frank Maier, Vorstand Lenze, erläutert: „Uns beschäftigt schon lange die Frage, wie wir unser umfangreiches Domänen- und Anwendungswissen softwaretechnisch in eine modulare Maschine einbringen. Mit neuen, maschinellen Lernverfahren sind wir in der Lage, Anomalien – die beispielsweise als Folge von Verschleiß oder Schädigungen auftreten – im Verhalten von Maschinen zu erkennen und so frühzeitig eine veränderte Qualität der produzierten Güter oder eine notwendige Wartung vorherzusagen. Das führt zu höherer Verfügbarkeit bei gleichzeitig reduzierten Wartungskosten. Schon heute setzen wir bei Lenze und Encoway Methoden der künstlichen Intelligenz ein. Damit können wir unsere Kunden optimal bei der Produktkonfiguration unterstützen.
Beckhoff Automation ist es in den abgeschlossenen it`s OWL Projekten bereits gelungen, die Intelligenz von vernetzten Maschinen und Anlagen maßgeblich zu erhöhen. Durch den Einsatz von TwinCAT Analytics und TwinCAT IoT können Unternehmen beispielsweise ihre Energieeffizienz um 17 Prozent steigern und ihren Ausschuss um 50 Prozent reduzieren.
Große Datenmengen aufbereiten und neue Services entwickeln
Wie große Datenmengen erfasst und genutzt werden können, ist Schwerpunkt des Leitprojekts „Industrial Automation Plattform für Big Data“. Dazu arbeiten Weidmüller, Lenze, KEB, Benteler und Kannegiesser mit vier Forschungseinrichtungen zusammen. Gemeinsam entwickeln sie Bausteine für IT-Plattformen, die selbstorganisierend Daten sammeln, aufbereiten, transportieren und speichern können.
„In dem Leitprojekt geht es um die Entwicklung von technischen Grundlagen für die Automatisierung und in der Produktion. Diese sind die Enabler für zukünftige Software-Services und daher von zentraler Bedeutung. Wir wollen in dem Projekt die Grundlage für Value Based Services in modularen, wandlungsfähigen Produktionsanlagen schaffen. Wesentliche Anforderungen dafür sind Sicherstellung von IP und Security, Automatisierung der Integration und der Zugriffssteuerung, Unterstützung der relevanten Geschäftsmodelle sowie Integration heterogener Datenquellen. Die Services sollen anhand konkreten Pilotfertigungsanlagen der beteiligten Projektpartner zur Validierung der Datenintegration umgesetzt werden,“ erklärt Jörg Timmermann, Vorstandssprecher Weidmüller Gruppe.
Mit digitalen Zwillingen Inbetriebnahme und Betrieb von Maschinen optimieren
Ziel des Leitprojekts „Technische Infrastruktur für digitale Zwillinge” ist es, eine interoperable Interaktion und Nutzung der digitalen Modelle eines Produkts oder Produktionssystems während dessen Lebenszyklus zu ermöglichen – und das unter Berücksichtigung industrierelevanter Standardisierungsaktivitäten. Besondere Herausforderungen dabei sind die möglichst automatisierbare Erstellung der digitalen Zwillinge sowie deren Erreichbarkeit für Netzwerke, Plattformen und die damit verbundenen Geschäftsmodelle. Projektpartner sind Phoenix Contact, KEB, Lenze, Weidmüller und Bosch Rexroth sowie die Hochschule OWL und Fraunhofer IOSB-INA.
„In dem neuen Leitprojekt werden wir eine Referenzinfrastruktur entwickeln. Damit können wir den hohen Aufwand reduzieren, der beim Einsatz neuer Produktversionen oder Funktionsänderungen im Lebenszyklus von Maschinen und Anlagen anfällt, um deren Verfügbarkeit aufrechtzuerhalten. Durch die Verwendung des digitalen Zwillings sowohl der Maschinen und Anlagen als auch der in ihnen verbauten Produkte werden Einsparpotenziale von über 50 Prozent im Betrieb sowie weitere Einsparungen im Rahmen der Inbetriebnahme und des Service erwartet“, verdeutlicht Hans-Jürgen Koch, Executive Vice President Business Area Industry Management and Automation Phoenix Contact Electronics.
Plattformen bieten neuen Zugang zu Kunden und Märkten
Wie Unternehmen aufbauend auf dem technologischen Fundament neue Services entwickeln und Märkte erschließen können, ist Schwerpunkt des Leitprojekts „Digital Business“. Wago Kontakttechnik, Denios, GEA und Unity erarbeiten dazu gemeinsam mit Fraunhofer IEM und der Universität Paderborn Ansätze, um die Potenziale digitaler Plattformen für kleine und mittlere Unternehmen zu erschließen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und ihre Kundenzugänge zu erhalten, müssen produzierende Unternehmen ihre Produkte immer stärker mit Services verzahnen. Durch digitale Plattformen können sie vom Auftragseingang über Produktion bis zur Logistik eine durchgehende Lösung für den Kunden anbieten.
„Ein zentraler Aspekt im Business 4.0-Umfeld sind für uns neue Plattformen und Ecosysteme, die zunehmend auch Einfluss auf die B2B-Branche nehmen. Deshalb schauen wir bei Wago genau, welche Mehrwerte wir selbst für unsere Kunden durch neue Services und Markleistungen schaffen können. Das erreichen wir schon heute mit unserer Wago-Cloud, die die Datensammlung durch unseren PFC-Controller um die Aufbereitung und Verarbeitung dieser Daten erweitert“, erläutert Jürgen Schäfer, Mitglied der Geschäftsleitung Wago Kontakttechnik. „Mit dem Projekt verfolgen wir das Ziel, gemeinsam mit der Expertise der Hochschulen eine Plattformstrategie mit den für uns relevanten Ecosystemen aufzubauen. Langfristig wollen wir digital vernetzte Wertschöpfungsketten mit neuen Services generieren, deren Bausteine auch kleinere Unternehmen auf ihrem Weg zum Business 4.0 inspirieren können,“ so Schäfer weiter.
Gestaltung digitaler Arbeitswelten im Dialog
In der digitalisierten Fabrik rücken zunehmend die sozialen Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung in den Vordergrund. Um die Arbeitsplätze der Zukunft zu gestalten, müssen Unternehmen bei der Einführung neuer Technologien die konkreten Anwendungsbereiche berücksichtigen und dabei die Beschäftigten aktiv einbinden. In einem weiteren it´s OWL Leitprojekt entwickeln und erproben Unternehmen, Hochschulen und die IG Metall neue Lösungen für die Digitalisierung der Arbeitswelt. Dabei geht es um Lernplattformen, kognitive Assistenzsysteme, partizipative Technologiegestaltung sowie agile Führung und Personalentwicklung.
„Eine digitale Transformation ist nur dann erfolgreich, wenn die Mitarbeitenden im Mittelpunkt dieses technologischen Wandels stehen. Dabei ist es wichtig, Produktivität und Effektivität der Beschäftigten zu erhöhen, sie auf wertaddierende Tätigkeiten auszurichten und sie dafür umfassend aus- und fortzubilden, denn die Komplexität von Industrie 4.0 erfordert qualifizierte Menschen“, verdeutlicht Sonja Roth, Zentralbereichsleiterin Personal Harting Technologiegruppe.