Fachbeitrag Von der weissen zur schlauen Ware

02.11.2012

Haushaltsgeräte sind das Paradebeispiel für den Einsatz von Embedded-Systemen. Durch sie werden Innovationen für jedermann „begreifbar“. Durch die eingebettete Elektronik wurden die Elektro-Groß- und Kleingeräte immer schlauer, noch ehe jemand vom „Smart Home“ sprach.

In diesem attraktiven Markt -Deutschland steht mit 40 Millionen Haushalten wert- und mengenmäßig in Europa an der Spitze - lohnt sich jeder Aufwand. Der inländische Gesamtumsatz des relativ stabilen Segments lag im Vorjahr bei 7,4 Milliarden Euro (Großgeräte 4,9 Mrd), wobei die Abnehmer verstärkt zu energieeffizienten und gut ausgestatteten Geräten griffen. Zusatzimpulse kamen aus dem Komfortbereich wie raffinierten Automatikprogrammen und vielfältigen Einstellmöglichkeiten. Das meiste, was im häuslichen Umfeld mit Komfortgewinn, Sicherheit und Zuverlässigkeit zu tun hat, beruht auf Entwicklungen und Steuerungen der Elektronik. Die moderne Technik fördert nicht nur die Verkaufszahlen, sondern trägt auch erheblich zur dringend erforderlichen Einsparung von Energie, Wasser und Ressourcen sowie zur Einhaltung von Umweltstandards und Energielabeln bei, ohne aber Langlebigkeit, Zuverlässigkeit sowie letztlich auch die Entsorgung außer Acht zu lassen. Mittlerweile kommt Waschmaschine & Co. sogar eine Vorreiterrolle zu: Sie sind „Smart-Grid-fähig“ (sie würden also erst dann anspringen, wenn der Strom billig ist) und warten nun ungeduldig auf einheitliche Interoperabilitätsstandards, lastabhängige Tarife und Smart Meter, kurz: auf das intelligente Stromnetz von morgen. Gesteuert werden sie vermutlich in Zukunft per Handy und Internet, und sie sind dann fast alle mit Screens und Apps ausgestattet. Deutsche Gerätehersteller setzen traditionell stark auf Automatisierung des häuslichen Arsenals - Home Automation -, im Gegensatz zu den Japanern, die schon seit Jahrzehnten dem Roboter als Haushaltsgehilfen nachjagen. Zu deren neuester Meisterleistung zählt der Humanoide „Twenty-One“, der in mehrjähriger Arbeit an der Universität Tokio entstand - mit Kameraaugen, Sprach- und Gesichtserkennung, 47 Bewegungsachsen, 134 Berührungssensoren im Körper sowie 241 in den Händen. Ein kostspieliger Test für mehrere Millionen US-Dollar. Bereits der Vorgänger, Wendy, konnte fachgerecht ein Ei aufschlagen. Wobei dem Markterfolg solcher Universalgenies die Robotisierung von Haushaltsgeräten entgegensteht, zum Beispiel millionenfach verkaufte Roboterstaubsauger, die ihr Spezialgebiet perfekter beherrschen.

Die schlaue Küche

Dagegen ist das gestengesteuerte Gourmet-Küchenstudio für Technik-Genießer, wie es dem Sternekoch Johann Lafer zur Verfügung steht, voll vernetzt, fast alles ist integriert und fernsteuerbar - bis hin zur per Sprachbefehl aufrufbaren Kerzenlichtstimmung. Das funktioniert schon seit Jahren. Und auf der IFA 2011 war in Berlin ein Kühlschrank zu sehen, der aufs Smartphone funkt, was er noch vorrätig hat. Sein Display schlägt vor, was mit den vorhandenen Zutaten gekocht werden kann, und er erlaubt den Zugriff auf soziale Medien, Musik oder Nachrichten. Doch die „Küche für Dummies“, die ohne menschliches Zutun wohlschmeckende Gerichte hervorzaubert, wird noch auf sich warten lassen. Die Vernetzungsfähigkeit des häuslichen Allerleis, von der Kaffeemaschine über Gesundheits-, Unterhaltungs- und ITK-Elektronik sowie Großgeräte bis hin zum Heimtrainer, ist für den Ingenieur fast eine triviale Aufgabe. Dafür gibt es die entsprechend vorbereiteten Prozessoren, Controller und Bausteine von den Halbleiterherstellern. Doch die Geräte(gruppen) können sich nicht miteinander unterhalten, es fehlen nach wie vor durchgängige Heimvernetzungsstandards. Daran wird heftig gearbeitet; beispielsweise haben zahlreiche Partner aus Industrie und Forschung an der TU Berlin einen Showroom der Initiative Connected Living eingerichtet, deren Ziel die ganzheitliche Betrachtung aller Anwendungsgebiete im Haus ist - über Technologien, Zielgruppen, Branchen und Hersteller hinweg. Als Beispiel steht im Internet: „Dies würde es Ihnen ermöglichen, Ihre Küchengeräte vom TV aus zu steuern, oder auf Ihrem Kühlschrankdisplay Kochsendungen zu sehen - und dann gleich die Rezepte live nachzukochen. Dabei werden dann Backofen, Dunstabzug und Herd passend automatisch gesteuert und noch vom Wohnzimmer aus vorgeheizt.“

Anspruchsvolle Entwicklung

Der Entwickler von eingebetteten Haushaltsgerätesteuerungen muss sich zunächst auf eine fokussierte Funktionalität - zum Beispiel einen verbesserten Anwenderkomfort bei gleichzeitiger Energieeinsparung - konzentrieren. Das Gerät sollte bequem und intuitiv zu bedienen, sofort betriebsbereit und stets fehlersicher sein, außerdem kommunikationsfähig sowie energiesparend. Wünschenswert wäre wohl auch ein höherer Abstraktionspegel, mit individuellen Einstellmöglichkeiten. Dabei müssen die Automatisierungssysteme, Schaltungen, Sensoren und Aktoren platzsparend und unsichtbar im Gerät verborgen sein, sich durch lange Lebensdauer und geringe Kosten auszeichnen, darüber hinaus möglichst Temperatur- und Feuchtigkeitseinflüsse sowie Schocks und Vibrationen aushalten und gleichzeitig den EMV-Vorschriften genügen. Künftig ist bei komplizierteren Geräten vermutlich auch Fernwartung ein Thema - und natürlich wird eine hohe Qualität als selbstverständlich vorausgesetzt. Ein stattlicher Anforderungskatalog für den Entwickler. Ein typisches Haushaltsgerät enthält mehrere Leiterplatten, die ihre Daten austauschen und in der Mehrzahl jeweils mit Mikrocontrollern (MCUs) ausgerüstet sind: Sie sind für die Benutzerschnittstelle, das Systemmanagement oder Motorregelung zuständig. Die unterschiedlichen Anforderungen machen die Auswahl schwierig, und wenn die Bauteile verschiedenen Herstellern entstammen, bedeutet das viel Zeitaufwand für die Auseinandersetzung mit Core-Technologien, Peripherie-Programmierung und Tools. Aus diesem Grunde wurden flexible MCU-Plattformen für ein breites Anwendungsspektrum entwickelt, zum Beispiel die LPC1xxx-Familie von NXP.

Von 8 zu 32 Bit

Waren noch vor wenigen Jahren 8-Bit-Mikrocontroller (MCUs) Kernbestandteil der Embedded-Systeme in Haushaltsgeräten, so haben sowohl die preisgünstigen und leistungsfähigen Angebote mit höheren Taktraten als auch die ständig steigenden Anforderungen und Erwartungen dafür gesorgt, dass mehr und mehr 32-Bit-Kerne in diesen Bereich vordringen. Markantestes Beispiel ist die 32-Bit-ARM-Prozessorreihe Cortex M0, M3 und M4. Diese sind als lizenzierbarer Code in zahlreiche neue Embedded-MCU-Generationen integriert und heben sowohl die Leistung als auch den Wirkungsgrad und die Stromaufnahme sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis auf ein neues Niveau. Nach Untersuchungen von IMS Research werden sich die Umsätze mit in Haushaltsgeräten eingesetzten 16- und 32-Bit-MCUs zwischen 2010 und 2014 mehr als verdoppeln, und wenn die „smarte“ Welt kommt, wird sich dieser Trend auch längerfristig fortsetzen. Mit Hilfe besagter Mikrocontroller entwickelten die Halbleiteranbieter Spezialbausteinfamilien für Haushaltsgeräte, so Software-basierte oder Hardware-programmierbare Motorsteuerungen, die sowohl den Entwicklungszyklus verkürzen als auch die CPU von zeitraubenden Berechnungen entlasten. Beispielsweise übernimmt eine von Toshiba entwickelte PMD-Hardwareplattform (Programmable Motor Drive) die vollständige Ausführung eines sensorlosen, feldorientierten Regelungs-Algorithmus. Das geschieht schneller und verbessert die Drehmomentregelung über den gesamten Drehzahlbereich hinweg; der solcherart entlastete Prozessor kann dafür die Motorparameter anpassen und neue Funktionen für die Endverbraucher ausführen.

Sicherheitsstandards

Alle im Haushalt eingesetzten Elektro- und Elektronikprodukte müssen hohen Sicherheitsstandards genügen, die in der Norm IEC 060730 festgelegt sind. Dadurch kommt der Wahl des besten Mikrocontrollers noch größere Bedeutung zu. Zwar wird die Zertifikation auf Systemebene erteilt, doch wirken sich die MCU-Auswahlkriterien dabei ebenso entscheidend aus wie für das Erreichen einer kurzen Time-to-Market. Kleine, preisgünstige und auf hohe Sicherheit ausgelegte Controller sind deshalb so wichtig für die IEC-60730-Qualifizierung, weil sie unter praktisch allen Voraussetzungen eine Fehlfunktion erkennen und das Gerät abschalten können. Aus diesem Grunde kamen selbstüberwachende MCUs auf den Markt, die Softwarefehler erkennen oder die CPU-Taktung überwachen.

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