Der Großanlagenbau konkurriert mit Anbietern aus der OECD und zunehmend mit Anbietern aus Nicht-OECD-Staaten. Die Folgen der fortschreitenden Internationalisierung in den Wertschöpfungsketten, die Änderungen in vielen nationalen förderpolitischen Ansätzen sowie die finanzmarktpolitisch verursachte Zurückhaltung von Banken in der Vergabe von Krediten für Großprojekte verdeutlichen nach Ansicht des VDMA: Die Möglichkeit, attraktive Finanzierungen anzubieten, ist immer mehr zu einem Erfolgsfaktor im Projektgeschäft des Anlagenbaus geworden. In vielen Ländern sei die staatliche Exportkreditversicherung im Hinblick auf die internationale Beschaffung von Leistungsbausteinen flexibler als hierzulande, was zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen führe.
Die radikalen Umbrüche verlangten, so der VDMA, nach einer kritischen Prüfung und daraus folgendem praxisorientierten Wandel des staatlichen Instrumentariums. Besonders wichtig seien dabei die internationale Beschaffung und die Einbindung der Lieferumfänge ausländischer Tochtergesellschaften im Projektland selbst. „Die dritte Stufe des sogenannten Drei-Stufen-Modells muss Auslandsanteile für Großprojekte nicht nur bis 49 Prozent, sondern auch im Regelfall bis zu 75 Prozent ermöglichen“, fordert AGAB-Sprecher Nowicki konkret.
Großaufträge aus Ägypten und Russland – Sinkende Nachfrage aus China und Europa
Die Auslands-Auftragseingänge stiegen im Berichtszeitraum um 6 Prozent auf 16,9 Mrd. Euro (2014: 15,9 Mrd. Euro). Dieser Zuwachs basiert im Wesentlichen auf mehreren Großaufträgen aus Ägypten für Kraftwerke und aus Russland für Chemieanlagen. Von einem allgemeinen Aufschwung kann im Exportgeschäft insofern keine Rede sein. Vielmehr hat sich der Abwärtstrend im Chinageschäft verfestigt und auch aus anderen asiatischen Schwellenländern wie etwa Südkorea und Malaysia gingen 2015 weniger Bestellungen ein als im Vorjahr. Schwach war die Nachfrage ferner in den meisten Ländern Europas.
Steigende Buchungen meldeten die AGAB-Großanlagenbauer 2015 hingegen aus Brasilien, Indien, der Türkei und dem Mittleren Osten. Die Aufträge aus den USA haben sich dank anziehender Bestellungen für Gaskraftwerke auf hohem Niveau stabilisiert. Insgesamt nahm die Auslandsnachfrage nach Kraftwerken um 18 Prozent zu. Mit 7,8 Mrd. Euro erreichte das Ordervolumen in diesem wichtigen Segment den höchsten Wert seit 2009.
Inlandsbestellungen mit Rekordtief
Die inländische Anlagennachfrage ist 2015 um 29 Prozent auf 2,6 Mrd. Euro (2015: 3,7 Milliarden Euro) zurückgegangen. Erstmals seit mehr als 30 Jahren lag das nominale Auftragsvolumen so unter der Marke von 3 Mrd. Euro. Den Hauptgrund für diesen Rückgang sieht der VDMA der Zusammenbruch des deutschen Marktes für den Neubau fossiler Kraftwerke. Doch auch in den Prozess- und Grundstoffindustrien werden aufgrund von Überkapazitäten, hohen Energiepreisen und strengen Regulierungsvorschriften derzeit kaum Großprojekte realisiert.
Die Erwartungen der Kunden an den Großanlagenbau wachsen laut der Studie vor dem Hintergrund des steigenden Wettbewerbsdrucks aus Asien und der stagnierenden Anlagennachfrage kontinuierlich. Neben die klassischen Bewertungskriterien Preis, Zeit und Qualität sind in den letzten Jahren zahlreiche weitere Faktoren wie beispielsweise HSE-Expertise, Anlagenservice und vereinzelt auch der Anlagenbetrieb getreten. Nowicki: „Mitunter sind sogar Eigenkapitalbeteiligungen durch Anlagenbauer aus Risikogesichtspunkten oder zur Schließung temporärer Finanzierungslücken beim Kunden notwendig.“ Ferner haben sich auch die vertraglichen Bedingungen weltweit weiter verschärft.
Für 2016 stabiler Auftragseingang erwartet
Die Markterwartungen im Großanlagenbau sind verhalten optimistisch. Zwar rechnen die AGAB-Mitglieder angesichts der anhaltend schwachen Investitionsneigung in China, der Rezessionen in Russland und Brasilien, der Vielzahl an regionalen Konflikten sowie dem zunehmenden Wettbewerb aus Asien nicht mit einer grundlegenden Trendwende im Auftragseingang. Dennoch scheint immerhin ein leichter Anstieg der Nachfrage möglich zu sein. Insbesondere der Iran, die USA und Südostasien bieten dem Großanlagenbau interessante Perspektiven. „Der von den Unternehmen betriebene Ausbau des Servicegeschäfts, eine wachsende Nachfrage nach Betreibermodellen sowie die Nachrüstung bestehender Fabriken mit Industrie-4.0-Techniken versprechen darüber hinaus weltweit steigende Umsätze“, lautet das Fazit von Nowicki.