EOS Imaging zählt zu den großen Pionieren der modernen biplanaren Radiologie und hat sich auf innovative Bildgebungssysteme und Software für die orthopädische und muskuloskelettale Diagnostik spezialisiert. Für die neue Generation des Bildgebungssystems EOSedge entwickelten die französischen Ingenieure einen innovativen Halbleiter-Photonenzähldetektor mit exzellenter Bildauflösung von 100 µm Pixelgröße. Auf der Suche nach einer optimierten Lösung für die Hubsäulen, welche die Röntgenquellen präzise und geräuscharm verfahren sollten, wandten sich die französischen Ingenieure an Schaeffler in Hagenau ganz im Osten der Grande Nation. Die gesamte Entwicklung der Hubsäulen, an der auch französische Ingenieure von Schaeffler mitgewirkt haben, fand im benachbarten Homburg auf deutscher Seite statt, wo auch die Produktion der Hubsäulen beheimatet ist.
Innovativer Vorreiter in der Bildgebung
EOS Imaging wurde als Biospace Instruments 1989 vom französischen Wissenschaftler und Nobelpreisträger für Physik Georges Charpak gegründet. Seine Forschung führte ihn bereits 1968 zur Entwicklung der sogenannten "Vieldraht-Proportionalkammer". Diese Erfindung revolutionierte die Art und Weise, wie Teilchen in der Hochenergiephysik gemessen werden. In den späten 1980er Jahren nutzte er seine wissenschaftlichen Erkenntnisse schließlich für die medizinische Bildgebung. Sein Ziel war es, ein Bildgebungssystem zu entwickeln, welches hochauflösende Röntgenbilder bei einer wesentlich geringeren Strahlendosis als herkömmliche Röntgentechnologien ermöglicht.
Diese Bemühungen resultierten schließlich 2007 in dem ersten EOS-System. Wesentliche Merkmale waren die Verwendung von zwei Röntgenröhren, die jeweils in einem Winkel von 90 Grad zueinander angeordnet sind und die Bildgebung in stehender Position. Diese konnte damit unter natürlicher Belastung und nicht mehr in liegender Position erfolgen. Das EOS-System wird bevorzugt für die Untersuchung von Wirbelsäulen-, Hüft- und Beinpathologien eingesetzt. Abgesehen von der um Faktor 10 geringeren Strahlenbelastung bestand ein großer Fortschritt darin, dass zeitgleich zwei Aufnahmen aus einem Winkel von 90 Grad möglich waren. Mit Hilfe dieser sogenannten biplanaren Radiologie und einer speziell entwickelten Software konnten aus den beiden 2D-Aufnahmen 3D-Aufnahmen generiert werden, welche zum Beispiel bei orthopädischen und muskuloskelettalen Diagnosen und bei der Planung von Behandlungen sehr hilfreich waren. Chirurgen konnten nun zum Beispiel Verformungen der Wirbelsäule in 3D viel besser erfassen.
Neue Generation wieder ein Meilenstein
Um die hohe Auflösung auf den Detektoren abbilden zu können, war das bisherige mechanische System, bestehend aus drei Führungswellen mit Linearkugellager und Kugelumlaufspindeln als Antrieb nicht mehr geeignet. Zudem war das System so aufgebaut, dass die Detektoren nicht einzeln verfahren konnten, was die neue Generation aber bieten sollte. Ein Prototyp eines Sondermaschinenbauers brachte nicht den erhofften Durchbruch und nach Gesprächen mit anderen potentiellen Herstellern fiel die Wahl auf Schaeffler im französischen Hagenau.
Die konstruktive Aufgabe bestand darin, die rund 180 kg schweren Ausleger mit den Röntgenquellen mit einer Abweichung von unter 50 µm über einen Hub von rund 2 Metern sehr laufruhig, vibrationsarm und dynamisch einzeln und synchron verfahren zu können. Der nutzbare Hub sollte im Verhältnis zur Gesamthöhe der Achsen möglichst groß ausfallen, damit die Anlage auch in Praxen mit üblichen Raumhöhen von 2,5m montierbar ist. „Insoweit waren die Rahmendaten nicht ungewöhnlich und dennoch herausfordernd“, sagt der Projektleiter von Schaeffler Arsène Herrmann und fährt fort: „Wir erarbeiteten in Homburg mehrere Konzepte, darunter zunächst ein Linearsystem bestehend aus einer Katalog-Lineareinheit, welche mit Kugelgewindespindel angetrieben war und seitlich durch Aluminiumplatten verstärkt wurde um die Durchbiegung zu minimieren . Diese Variante realisierten wir kurzfristig als Prototyp, um die Machbarkeit des Gesamtkonzeptes unter Beweis zu stellen.“
Eine der wichtigen Vorgaben von EOS Imaging bestand darin, die Hubsäulen möglichst leicht zu bauen, um
den Transport zu vereinfachen,
den Aufbau der kompletten Anlage mit nur zwei Personen zu realisieren,
und um die Statik der Decken in den Arztpraxen nicht zu überlasten.
Individuelles Strangpressprofil ohne signifikante Mehrkosten des Linearsystems
Hierzu verfeinerten die Schaeffler-Ingenieure das ursprüngliche Konzept mittels FEM bis alle Anforderungen, speziell die maximale Durchbiegung erfüllt werden konnten. „Eine Kostenanalyse dieser Lösung unter Berücksichtigung der zu erwartenden Stückzahlen veranlasste uns dazu, EOS ein komplett neues und an die Anforderungen der Anwendung (bspw. Durchbiegung, Belastung, Anbindungsmöglichkeiten, etc.) angepasstes Strangpress-Aluminiumprofil vorzuschlagen. Damit konnten außerdem sowohl Bauraum als auch Gewicht noch weiter reduziert werden“, erinnert sich der Projektleiter. Mit der ersten Charge des Sonderprofils wurde sodann für EOS ein weiterer Prototyp in Homburg gefertigt.
Wie kam es nun zur endgültigen Lösung mit Zahnstangenantrieb?
Im Laufe der Konzept-Phase stand die Frage des Kunden im Raum, welcher Antrieb ein besonders angenehmes Laufgeräusch auf niedrigem Niveau unter den gegebenen Bedingungen von Last und Geschwindigkeit bieten würde. Die Homburger Lineartechnik-Spezialisten führten Geräuschmessungen und -bewertungen an einem eigens hierfür gebauten Prüfstand an der Linearachse mit Kugelgewindetrieb und mit Zahnstangenantrieb durch. „Die Option verschiedene Antriebe einzusetzen wurde bereits bei der Entwicklung des Strangpressprofils berücksichtigt. Das Geräuschniveau beider Antriebe war vergleichbar, allerdings das Laufgeräusch des Zahnstangenantriebes für das menschliche Gehör eindeutig angenehmer. Daher fiel die Wahl auf einen Zahnstangenantrieb“, so Arsène Herrmann. Konstruktiv bot die Lösung mit Zahnstange einen weiteren Vorteil: Der Getriebemotor befand sich nicht mehr am Ende der Achse und ein größerer nutzbarer Hub ließ sich realisieren. In dem Bauraum, den der Kugelgewindetrieb zuvor beanspruchte, fand die elektromechanische Zusatzbremse ihren Platz.
Die Achsen können einzeln für 2D-Aufnahmen und synchron für 3D-Aufnahmen bewegt werden. Der Antriebsmotor verfügt über einen Resolver. Aus Sicherheitsgründen erhielten die beiden Hubsäulen auch je ein Wegmesssystem. Zum Lieferumfang von Schaeffler zählen die komplett vormontierten beiden Hubsäulen mit Getriebe, Zahnstange, Zusatzbremse, Profilschienenführungen, Wegmesssystem, automatischem Schmiersystem und Endschalter. Vor Auslieferung wird jede Hubsäule in Homburg noch auf Funktionstauglichkeit geprüft.
Ungewöhnliche Anforderungen an die Linearachsen
Während Linearachsen üblicherweise auf präzisen, ebenen Maschinengestellen aufgeschraubt werden, sollten die Hubsäulen des EOSedge auf einem normalen Betonestrich zu befestigen sein. Hierzu haben die Schaeffler-Ingenieure Nivellierplattformen entwickelt. Diese dienen für den Ausgleich von Bodenunebenheiten und eine effiziente Montage. Damit die Hubsäulen im korrekten Abstand und Winkel zueinanderstehen, werden die beiden Nivellierplattformen bei der Montage mit einem von Schaeffler selbst entwickelten Ausrichtwerkzeug positioniert. Dies erspart ein zeitaufwendiges Ausrichten der Plattformen zueinander.
Um für EOS Imaging den weltweiten Einsatz ihres Systems zu ermöglichen, wurde auch eine erdbebensichere Ausführung der Nivellierplattformen realisiert. In Homburg konzipierte man außerdem eine spezielle Verpackungsbox für den Transport der waagerecht liegenden Hubsäulen. „Bleibt die Frage, wie die 250 kg schweren Hubsäulen an den Aufstellort gelangen und aufgestellt werden können?“, fragt Arsène Herrmann und spricht damit den Aufstellwagen an, den seine Mitarbeiter konstruierten.
Aufstellwagen und Transport inklusive
Der Aufstellwagen ermöglicht den problemlosen und sicheren Transport der Hubsäulen innerhalb von Gebäuden, sowohl waagrecht und senkrecht als auch schräg in einem beliebigen Winkel. Dies nutzen die Monteure vor allem in Aufzügen und engen Gängen, um unter den Türsturz zu fahren. Für die Verstellung wird lediglich ein einfacher Akkuschrauber als Antrieb benötigt! Im Röntgenraum angekommen, fahren die Monteure die Hubsäule mit dem Aufstellwagen über die Nivellierplattform und senken sie dort ab.
Der Kunde hat das letzte Wort
„Die von Schaeffler vorgeschlagene technische Lösung hat uns durch ihre Vielseitigkeit und ihre Fähigkeit, unser Lastenheft auf spezifische Weise zu erfüllen, überzeugt“, erzählt Pascal Désauté von EOS Imaging. „Neben der Präzision der Führungen war eines der Schlüsselelemente die Möglichkeit, ein besseres Verhältnis zwischen Nutzhub und Platzbedarf zu erreichen als die Konkurrenz. Uns war auch wichtig, dass andere Hersteller von medizinischen Geräten, wie Siemens, Schaeffler ihr Vertrauen schenkten.“