Die Isabellenhütte stellt ihren (New-Space-)Kunden hierfür zum einen ausführliche Qualifikationsdaten bereit und ermöglicht zum anderen kundenindividuelle Nachqualifizierungen der Widerstände. Seit September 2020 hat die Firma dafür eigene Produktionslinien für die sogenannten EEE-Komponenten (elektrische, elektronische und elektromechanische Bauteile für den Raumfahrtsektor) in Betrieb genommen.
Zu den ESCC-qualifizierten Bauteilen des Unternehmens gehören Widerstände aus den SMx-Serien, also SMP, SMS und SMT als die klassischen Vertreter der Chip-Widerstände, sowie SMV-Widerstände. Mögliche Anwendungen dieser Bauelemente sind zum Beispiel DC-/DC-Wandler oder Batteriemanagement-Systeme in Satelliten oder Zentralsteuerungen in Trägerraketen.
Die Aufgaben der Widerstände unterscheiden sich nicht wesentlich von denen auf der Erde – beispielsweise im Automotive-Sektor –, das Herausfordernde sind die Umgebungsbedingungen wie beispielsweise die erhöhte Strahlung im Weltall. Davon mehr betroffen sind allerdings aktive Komponenten oder Halbleiterelemente, die stärker in Mitleidenschaft gezogen werden können als passive Bauelemente.
Präzision und Langzeitstabilität
Was die besonderen Widerstände für Raumfahrtanwendungen auszeichnet, sind die Präzision, die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der Bauteile und ihre hohe Langzeitstabilität; schließlich können Bauteile im Weltraum nicht einfach ausgetauscht werden. Wenn Trägerraketen beim Start starke Vibrationen erzeugen, halten die Widerstände dies aufgrund ihrer großen Lötpads und der bleiverzinnten Kontakte sehr gut aus. Dies wirkt sich auch günstig auf mögliches Whiskerwachstum aus, das durch die Blei-Zinn-Beschichtung vermieden wird.
Eignung von Automotive-Komponenten
Neben den genannten Widerständen, die nach den ESA-Spezifikationen qualifiziert und somit in der Qualified Parts List (QPL) der ESA aufgeführt sind, können durchaus auch weitere Widerstände geeignet sein, die die Spezifikationen des Automotive-Sektors erfüllen. Für die Hersteller in Raumfahrtprojekten beginnt hier die Abwägung zwischen Kostenreduzierung durch niedriger qualifizierte Bauteile und der Erhöhung des Ausfallrisikos beim Einsatz dieser Komponenten.
Bei anspruchsvolleren Anwendungen, die langfristig verfügbar sein müssen, wie der Telekommunikation, Navigationssystemen oder Wettersatelliten, ist ein höherwertiges Bauteil von Vorteil. Bei kurzfristigeren Missionen, bei denen Satelliten nur wenige Monate im All genutzt werden, oder bei Trägerraketen, die nur einen einzigen Einsatz haben, rechnen sich diese Bauteile oft nicht, und die Anwender suchen nach kostengünstigeren Alternativen.
Kundenindividuelle Nachqualifizierungen
Daniel Theis, Industry Manager Aerospace im Vertrieb Bauelemente der Isabellenhütte, hat hier ein klares Informationsbedürfnis der Raumfahrtingenieure festgestellt, dem das Unternehmen nachkommen möchte: „Wir haben seit dem letzten Jahr verstärkt Anfragen nach Qualifikationsdaten unserer Bauteile – was können die Bauteile leisten? Wie präzise verhalten sie sich in Anwendungen nach den ESCC-Spezifikationen? Diese Daten und Qualifizierungen bieten wir gerne als Dienstleistung an, das heißt wir können einerseits umfangreiche Daten zu bereits gelaufenen Qualifizierungen weitergeben als auch kundenindividuelle Nachqualifizierungen von Bauteilen durchführen, zum Beispiel nach Spezifikationen der ESA, der NASA oder auch nach kundenspezifischen Anforderungen.“
Unabhängige Produktion für EEE-Komponenten
Um noch schneller und individueller auf (New-)Space-Anfragen reagieren zu können, trennte das Unternehmen seine EEE-Komponenten-Fertigung von der Produktion der Automotive-Bauteile. Seit September 2020 stehen eigene Produktionslinien ausschließlich für die EEE-Bauteile zur Verfügung, sodass zeitliche Engpässe bei der Lieferung vermieden werden und auftragsgemäß gefertigt und geliefert werden kann.
ISA-WELD-Widerstand BVR für die QPL
Aktuell arbeiten die Experten der Isabellenhütte daran, einen ISA-Weld-Widerstand (BVR) nach ESCC-Spezifikation zu qualifizieren und so in der QPL zu etablieren. Dieser könnte als Erweiterung der Widerstandswerte im unteren Bereich eingesetzt werden (für 0,2 bis 2 mΩ), für den es derzeit auf dem Markt noch kein qualifiziertes Bauteil gibt.
Daneben ist ein wichtiges Aufgabengebiet für das Unternehmen die Nachqualifizierung besonders günstigerer Automotive-Komponenten für mögliche New-Space-Projekte und eine komplementäre Ergänzung zum Vertrieb der gelisteten Bauteile.
Kurzinterview mit Daniel Theis von Isabellenhütte
Was bewegt Raumfahrtingenieure, auf geringer qualifizierte Bauteile statt der ESCC-qualifizierten Komponenten auszuweichen?
Wir stellen in der Luft- und Raumfahrtbranche verschiedene Strömungen fest: Einerseits gibt es die festen Vorgaben und Spezifikationen der Raumfahrtagenturen, nach denen sich viele Hersteller richten, um ein sicheres Produkt zu erzielen. Andererseits steigt im Zuge der Kommerzialisierung der Raumfahrt aufgrund der Vielzahl von New-Space-Projekten die Nachfrage nach günstigeren Bauteilen, die ebenso funktionstüchtig sind.
Welche Hürden sehen Sie dabei?
Zum einen besteht in der Branche eine große Unsicherheit darüber, ob Bauteile abseits der QLP den Anforderungen genügen können und sicher genug für den Einsatz im Weltraum sind. Viele Ingenieure möchten sich hier nicht auf Experimente einlassen und bevorzugen daher zertifizierte EEE-Komponenten. Jedoch werden oft die tatsächlichen Anforderungen außer Acht gelassen, die an die Bauteile bei der jeweiligen Mission gestellt werden – die durchaus deutlich geringer ausfallen können, wenn es zum Beispiel nur um eine kurze Verweildauer im All geht. Wenn Ingenieure dann auf Automotive-Komponenten zurückgreifen möchten, fehlen ihnen oft aussagekräftige Informationen über die Leistungsfähigkeit der Bauteile.
Welche Empfehlungen können Sie als Experte für Präzisionswiderstände geben?
Raumfahrtingenieure tun gut daran, einmal „out of the box“ zu denken und die Anforderungen an die nötigen Bauteile aufgrund der Art der Mission zu hinterfragen. Wenn diese nämlich geringer sind als bei langfristigen und anspruchsvollen Projekten wie Navigations- und Wettersatelliten, lohnt es sich, seinen Blick für geringer qualifizierte Teile zum Beispiel aus dem Automotive-Bereich zu öffnen. Die Isabellenhütte hilft gerne dabei, Qualifizierungsdaten bereitzustellen und zu prüfen, aber auch Nachqualifizierungen gemäß zum Beispiel ESA-Vorgaben durchzuführen. So sinkt das Risiko für die Verwendung von Automotive-Bauteilen bei gleichzeitiger Kostenersparnis.