Expertenmeinung zum Potenzial von Single-Pair-Ethernet Wird SPE die Vielfalt in der Feldebene reduzieren?

binder

Sorgt Single Pair Ethernet endlich für weniger Vielfalt im Bereich der Feldbusse?

Bild: Dall-E, publish-industry
08.07.2024

Mit Single Pair Ethernet (SPE) steht eine Technologie zur Verfügung, die das Potenzial hat, die klassische Feldbuswelt zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und auf ein vollständig neues Niveau hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Anwenderfreundlichkeit zu heben. Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass SPE nicht gleich SPE ist und unterschiedliche Standards existieren, die teilweise inkompatibel zueinander sind. Gleichzeitig ergeben sich aus den verschiedenen Anwendungen auf der Feldebene stark diverse Anforderungen an die Kommunikation. Wie kann SPE den Spagat schaffen, die eigene Komplexität zu beherrschen und gleichzeitig die Anforderungen der Feldebene zu erfüllen?

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So antowrteten die Experten:

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  • Sascha Doebel, Leitung Produktmanagement, Binder: SPE hat das Potenzial, die Vielfalt in der Feldebene zu reduzieren. Durch die Nutzung des Ethernet-Protokolls bis hin zur Feldebene können proprietäre Protokolle und komplexe Verkabelungen minimiert werden.  SPE ermöglicht eine einheitliche Kommunikationsinfrastruktur, kompaktere Geräte und unterstützt Power over Data Line (PoDL), was die Integration vielfältiger Feldgeräte vereinfacht.  Die Vielzahl an Industriestandards erschwert es aktuell noch, den richtigen Standard für eine Anwendung zu wählen.  Hersteller und Nutzerorganisationen müssen sich auf einheitliche Standards festlegen, um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen.  Dennoch kann SPE Netzwerkinfrastrukturen vereinfachen und Betriebskosten senken.

    Sascha Doebel, Leitung Produktmanagement, Binder: SPE hat das Potenzial, die Vielfalt in der Feldebene zu reduzieren. Durch die Nutzung des Ethernet-Protokolls bis hin zur Feldebene können proprietäre Protokolle und komplexe Verkabelungen minimiert werden.  SPE ermöglicht eine einheitliche Kommunikationsinfrastruktur, kompaktere Geräte und unterstützt Power over Data Line (PoDL), was die Integration vielfältiger Feldgeräte vereinfacht.  Die Vielzahl an Industriestandards erschwert es aktuell noch, den richtigen Standard für eine Anwendung zu wählen.  Hersteller und Nutzerorganisationen müssen sich auf einheitliche Standards festlegen, um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen.  Dennoch kann SPE Netzwerkinfrastrukturen vereinfachen und Betriebskosten senken.

    Bild: Binder

  • Martin Rostan, Executive Director, EtherCAT Technology Group: Single Pair Ethernet (SPE) wird zwar immer wieder als Protokoll oder gar als Feldbus dargestellt. SPE sind aber „nur“ 2-Draht-Übertragungstechnologien für beliebige Protokolle – wobei der SPE-Standard für 100 Mbit/s bislang nur 15 m anstatt der bisher üblichen 100 m Leitungslänge unterstützt. Die Single-Pair-Ethernet-Protagonisten sind durchaus kreativ: SPE sei eine attraktive Alternative zu konventionellen Feldbus-Protokollen, kann man lesen. SPE sei die Voraussetzung für IIoT. Sogar, dass man mit Hilfe von SPE Netto-Null-CO2-Emissionen erreichen könne. Jetzt ernsthaft: Es gibt sicherlich sinnvolle Anwendungen für SPE-Technologien. Aber weil SPE die bewährten Ethernet-Übertragungstechnologien nicht ersetzt, sondern ergänzt, verstärkt es die Vielfalt in der Feldebene. Und erhöht deshalb die Kosten.

    Martin Rostan, Executive Director, EtherCAT Technology Group: Single Pair Ethernet (SPE) wird zwar immer wieder als Protokoll oder gar als Feldbus dargestellt. SPE sind aber „nur“ 2-Draht-Übertragungstechnologien für beliebige Protokolle – wobei der SPE-Standard für 100 Mbit/s bislang nur 15 m anstatt der bisher üblichen 100 m Leitungslänge unterstützt. Die Single-Pair-Ethernet-Protagonisten sind durchaus kreativ: SPE sei eine attraktive Alternative zu konventionellen Feldbus-Protokollen, kann man lesen. SPE sei die Voraussetzung für IIoT. Sogar, dass man mit Hilfe von SPE Netto-Null-CO2-Emissionen erreichen könne. Jetzt ernsthaft: Es gibt sicherlich sinnvolle Anwendungen für SPE-Technologien. Aber weil SPE die bewährten Ethernet-Übertragungstechnologien nicht ersetzt, sondern ergänzt, verstärkt es die Vielfalt in der Feldebene. Und erhöht deshalb die Kosten.

    Bild: EtherCAT Technology Group

  • Peter Wienzek, Business Development Manager Systems IIoT, Ifm: PE hat aktuell gleich mehrere Probleme: Es gibt zwei Konsortien, die verschiedene Stecker durchsetzen wollen. Und ein einheitliches Protokoll ist ebenfalls noch nicht in Sicht. Unabhängig davon stellt sich aber die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, SPE für die Kommunikation bis auf die Sensorebene zu verwenden. Denn IT-Security bis in den Sensor umsetzen zu müssen, würde für die meisten Anwender zu weit gehen. Für uns als Sensorhersteller ist es aus diesen Gründen klar, dass Feldbusse in absehbarer Zeit nicht verschwinden werden. Wir unterstützen mit IO-Link deswegen einen Kommunikationsstandard, der weltweite Akzeptanz hat und für die allermeisten Anwendungen ausreichend Leistungsfähigkeit hat. SPE ist für uns, wenn die oben genannten Probleme gelöst sind, als Ergänzung zu Feldbussen beziehungsweise IIoT auf der Northbound-Seite eine denkbare Möglichkeit.

    Peter Wienzek, Business Development Manager Systems IIoT, Ifm: PE hat aktuell gleich mehrere Probleme: Es gibt zwei Konsortien, die verschiedene Stecker durchsetzen wollen. Und ein einheitliches Protokoll ist ebenfalls noch nicht in Sicht. Unabhängig davon stellt sich aber die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, SPE für die Kommunikation bis auf die Sensorebene zu verwenden. Denn IT-Security bis in den Sensor umsetzen zu müssen, würde für die meisten Anwender zu weit gehen. Für uns als Sensorhersteller ist es aus diesen Gründen klar, dass Feldbusse in absehbarer Zeit nicht verschwinden werden. Wir unterstützen mit IO-Link deswegen einen Kommunikationsstandard, der weltweite Akzeptanz hat und für die allermeisten Anwendungen ausreichend Leistungsfähigkeit hat. SPE ist für uns, wenn die oben genannten Probleme gelöst sind, als Ergänzung zu Feldbussen beziehungsweise IIoT auf der Northbound-Seite eine denkbare Möglichkeit.

    Bild: ifm

  • Ralf Moebus, Leiter Product Management Automation, Lapp: Ein entscheidender Vorteil von SPE ist die durchgängig IP-basierte Kommunikation. Dadurch ist es möglich von der Sensor/Aktor-Ebene bis in die Cloud Daten zu übermitteln, ohne dass eine aufwändige Übersetzung notwendig ist. Bei SPE wurde von Beginn an intensiv an der internationalen Standardisierung gearbeitet. Für Protokolle, Kabel und Steckverbinder sind umfangreiche IEC- und IEEE-Normen für den industriellen Einsatz vorhanden. Dadurch werden die Komplexität und Inkompatibilität, im Vergleich zu den Feldbussen, deutlich reduziert. Für die Anwendungen auf der Feldebene ist im nächsten Schritt vor allem eine Standardisierung durch die Nutzerorganisationen notwendig. Es muss anhand von Use Cases definiert werden, wie SPE in die Systemlandschaft von Profinet, Ethernet/IP und anderen Industrial-Ethernet-Systemen eingebunden wird. LAPP arbeitet aktiv in den jeweiligen Arbeitsgruppen mit, um einen zügigen Einsatz von SPE in den Fabriken zu ermöglichen.

    Ralf Moebus, Leiter Product Management Automation, Lapp: Ein entscheidender Vorteil von SPE ist die durchgängig IP-basierte Kommunikation. Dadurch ist es möglich von der Sensor/Aktor-Ebene bis in die Cloud Daten zu übermitteln, ohne dass eine aufwändige Übersetzung notwendig ist. Bei SPE wurde von Beginn an intensiv an der internationalen Standardisierung gearbeitet. Für Protokolle, Kabel und Steckverbinder sind umfangreiche IEC- und IEEE-Normen für den industriellen Einsatz vorhanden. Dadurch werden die Komplexität und Inkompatibilität, im Vergleich zu den Feldbussen, deutlich reduziert. Für die Anwendungen auf der Feldebene ist im nächsten Schritt vor allem eine Standardisierung durch die Nutzerorganisationen notwendig. Es muss anhand von Use Cases definiert werden, wie SPE in die Systemlandschaft von Profinet, Ethernet/IP und anderen Industrial-Ethernet-Systemen eingebunden wird. LAPP arbeitet aktiv in den jeweiligen Arbeitsgruppen mit, um einen zügigen Einsatz von SPE in den Fabriken zu ermöglichen.

    Bild: Lapp

  • Martin Kandziora, Senior Marketing Manager EMEA: Tatsächlich ist es in den letzten zwei Jahren etwas ruhiger um das Thema Single Pair Ethernet geworden. Doch jetzt scheint die Zeit gereifter zu sein. Das liegt vor allem an der fortschreitenden Digitalisierung von kommerziellen Gebäuden und der Industrie. Der Schlüssel dazu ist die Ethernet-Technologie als Plattform für strukturierte Verkabelung mit protokollunabhängigem Physical-Layer. Hier kommt Single-Pair-Ethernet ins Spiel, sowohl bei Neuinstallationen als auch bei bestehenden Gewerken. Wir empfehlen, bei Neubauten auf jeden Fall die direkte Verlegung von SPE-Kabeln in Betracht zu ziehen. Damit ist man auch für zukünftige Anwendungen gerüstet, selbst wenn man heute noch auf Feld- und Gebäudebussysteme setzt. Wenn man z.B. die IO-Sensoren/Aktoren - soweit möglich - über SPE integriert, erspart man sich den Aufbau von Experten und reduziert die Hardwarebevorratung. Darüber hinaus bleibt bei allen Änderungen die Anwendungsschicht des Feldbussystems erhalten, während die physikalische Verbindungsschicht durch die Konvergenz zu Ethernet verbessert wird. Schließlich vereinfacht die Umstellung aller Systeme auf das Ethernet-Protokoll die Installation und Konfiguration. Darüber hinaus können Synergien zwischen verschiedenen Datenquellen besser genutzt werden. Insgesamt ergeben sich für den Anwender optimierte Steuerungs- und Regelungsmöglichkeiten.

    Martin Kandziora, Senior Marketing Manager EMEA: Tatsächlich ist es in den letzten zwei Jahren etwas ruhiger um das Thema Single Pair Ethernet geworden. Doch jetzt scheint die Zeit gereifter zu sein. Das liegt vor allem an der fortschreitenden Digitalisierung von kommerziellen Gebäuden und der Industrie. Der Schlüssel dazu ist die Ethernet-Technologie als Plattform für strukturierte Verkabelung mit protokollunabhängigem Physical-Layer. Hier kommt Single-Pair-Ethernet ins Spiel, sowohl bei Neuinstallationen als auch bei bestehenden Gewerken. Wir empfehlen, bei Neubauten auf jeden Fall die direkte Verlegung von SPE-Kabeln in Betracht zu ziehen. Damit ist man auch für zukünftige Anwendungen gerüstet, selbst wenn man heute noch auf Feld- und Gebäudebussysteme setzt. Wenn man z.B. die IO-Sensoren/Aktoren - soweit möglich - über SPE integriert, erspart man sich den Aufbau von Experten und reduziert die Hardwarebevorratung. Darüber hinaus bleibt bei allen Änderungen die Anwendungsschicht des Feldbussystems erhalten, während die physikalische Verbindungsschicht durch die Konvergenz zu Ethernet verbessert wird. Schließlich vereinfacht die Umstellung aller Systeme auf das Ethernet-Protokoll die Installation und Konfiguration. Darüber hinaus können Synergien zwischen verschiedenen Datenquellen besser genutzt werden. Insgesamt ergeben sich für den Anwender optimierte Steuerungs- und Regelungsmöglichkeiten.

  • SPE wird die Vielfalt in der Feldebene reduzieren. Es gibt zwei Anforderungsbereiche: Prozessindustrie mit Ex-Bereich und andere Industrien wie Fabrik- und Gebäudeautomatisierung sowie Energieproduktion. Die Prozessindustrie hat Ethernet-APL erfolgreich umgesetzt, technologische Grundlagen sind gelöst und Geräte sowie Systeme stehen bereit. Neue Anlagen werden weltweit geplant. Erweiterungen für PROFIsafe, Security Level 2, und Anwendungen im nicht Ex-Bereich via SPE sind in Entwicklung. Die APL-/SPE-Ethernet-Kooperation arbeitet an protokollunabhängigen Punkten und Erweiterungen. SPE wird in Profinet integriert, Bandbreitenerweiterungen, rückwärtskompatibles AutoNeg, und PROFIsafe Integration werden entwickelt. Ein einheitlicher „Physical Layer“ auf Basis von SPE und Ethernet-APL für alle Industrien wird die Vielfalt in der Feldebene auf jeden Fall weiter reduzieren.

    SPE wird die Vielfalt in der Feldebene reduzieren. Es gibt zwei Anforderungsbereiche: Prozessindustrie mit Ex-Bereich und andere Industrien wie Fabrik- und Gebäudeautomatisierung sowie Energieproduktion. Die Prozessindustrie hat Ethernet-APL erfolgreich umgesetzt, technologische Grundlagen sind gelöst und Geräte sowie Systeme stehen bereit. Neue Anlagen werden weltweit geplant. Erweiterungen für PROFIsafe, Security Level 2, und Anwendungen im nicht Ex-Bereich via SPE sind in Entwicklung. Die APL-/SPE-Ethernet-Kooperation arbeitet an protokollunabhängigen Punkten und Erweiterungen. SPE wird in Profinet integriert, Bandbreitenerweiterungen, rückwärtskompatibles AutoNeg, und PROFIsafe Integration werden entwickelt. Ein einheitlicher „Physical Layer“ auf Basis von SPE und Ethernet-APL für alle Industrien wird die Vielfalt in der Feldebene auf jeden Fall weiter reduzieren.

    Bild: Endress+Hauser Temperature+System Products

  • Simon Seereiner, Business Development Manager, Weidmüller: Die derzeitigen analogen und digitale Feldbus-Architekturen haben im Hinblick auf Netzwerkfähigkeit, den Einsatz universeller IT-Standards, Cybersecurity-Themen sowie für immer höhere Bandbreiten nicht die richtigen Lösungen parat. Die Feldbusse wurden alle für das gebaut, wofür sie explizit genutzt werden sollten, und heute haben wir so viele unterschiedliche Feldbusse, die jeweils nur für eine spezifische Applikation ideal geeignet sind. Single Pair Ethernet bietet jetzt die Möglichkeit, mit einem einheitlichen, standardisierten und für die Infrastruktur von morgen ausgelegtem Ethernet-Protokoll viele der bestehenden Feldbussysteme zu verbessern und somit auf lange Sicht sogar zu ersetzen. Das heißt nicht, dass es morgen nur noch SPE geben wird und alles andere weg ist, aber in vielen Bereichen, wo mehr Bandbreite, höhere Transparenz, Netzwerkfähigkeiten, Cybersecurity und ein Verzicht auf Gateways gefordert sind, bietet SPE extreme Vorteile. Schließlich ergänzt SPE die Feldbusse um zusätzliche Funktionalitäten, die diese bisher nicht bieten.

    Simon Seereiner, Business Development Manager, Weidmüller: Die derzeitigen analogen und digitale Feldbus-Architekturen haben im Hinblick auf Netzwerkfähigkeit, den Einsatz universeller IT-Standards, Cybersecurity-Themen sowie für immer höhere Bandbreiten nicht die richtigen Lösungen parat. Die Feldbusse wurden alle für das gebaut, wofür sie explizit genutzt werden sollten, und heute haben wir so viele unterschiedliche Feldbusse, die jeweils nur für eine spezifische Applikation ideal geeignet sind. Single Pair Ethernet bietet jetzt die Möglichkeit, mit einem einheitlichen, standardisierten und für die Infrastruktur von morgen ausgelegtem Ethernet-Protokoll viele der bestehenden Feldbussysteme zu verbessern und somit auf lange Sicht sogar zu ersetzen. Das heißt nicht, dass es morgen nur noch SPE geben wird und alles andere weg ist, aber in vielen Bereichen, wo mehr Bandbreite, höhere Transparenz, Netzwerkfähigkeiten, Cybersecurity und ein Verzicht auf Gateways gefordert sind, bietet SPE extreme Vorteile. Schließlich ergänzt SPE die Feldbusse um zusätzliche Funktionalitäten, die diese bisher nicht bieten.

    Bild: Weidmüller

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