Internetprotokoll Zuverlässiges WLAN

PRP über zwei WLAN-Funkstrecken: Die redundante Übertragung kompensiert Paketverluste und gleicht last- und störungsbedingte Laufzeitunterschiede aus.

Bild: Belden
07.09.2015

Der Frage der Zuverlässigkeit von Netzwerken kommt speziell in industriellen Anwendungen eine hohe Bedeutung zu. Insbesondere beim Einsatz von drahtlosen Kommunikationslösungen standen Planer und Anwender den Zuverlässigkeitsproblemen der Funkkommunikation oft machtlos gegenüber. Die Anwendung des Parallel Redundancy Protocols kann dies ändern.

Im Vergleich zur kabelgebundenen Kommunikation bietet der Einsatz von WLAN in industriellen Anlagen vielfältige Vorteile bei der Flexibilität und Kosteneffizienz. Auch im Kontext der Initiative Industrie 4.0 kommt der drahtlosen Kommunikation auf der Feldebene eine immer stärkere Bedeutung zu, da sich durch sie neue und mit kabelgebundenen Lösungen nicht realisierbare Anwendungen schaffen lassen. Jedoch stellt insbesondere die Zuverlässigkeit und die Dienstgüte der drahtlosen Verbindungen ein Problem für Anwendungen mit hohen Anforderungen bezüglich Zuverlässigkeit und Latenz dar. Besonders wenn sicherheitskritische Anwendungen über eine drahtlose Verbindung als Black Channel geführt werden oder eine hohe Verfügbarkeit trotz widriger Umstände gefordert wird, stößt die Technik an ihre Grenzen.

Redundanz durch Paketverdopplung

Im Ethernet-Umfeld haben sich eine Vielzahl an Redundanztechniken etabliert, die auch beim Ausfall einzelner Kommunikationsverbindungen für einen reibungslosen Betrieb des Netzwerkes sorgen. Eine dieser Lösungen ist das standardisierte Parallel Redundancy Protocol (PRP) nach IEC 62439. Es ermöglicht ein verlustfreies Umschalten ohne jegliche Verzögerung beim Ausfall einer Netzwerkstrecke. Um dies zu erreichen, werden alle Netzwerkpakete dupliziert und parallel auf zwei unterschiedlichen Pfaden übertragen. Vor der Auslieferung der verdoppelten Pakete werden diese an einem Punkt wieder zusammengeführt und die Duplikate entfernt. Sollte ein Pfad ausfallen, kommen die Pakete des anderen Pfades weiterhin an. Die Anwendung kann so auch bei Störungen im Netzwerk fehlerfrei weiter arbeiten.

Im drahtlosen Umfeld lässt sich PRP ebenso einsetzen, jedoch stellt sich die Wirkung trotz gleicher Methode auf ganz andere Weise dar. Hier kann die parallele Redundanz dazu verwendet werden, um die prinzipbedingten Störungen – zum Beispiel einzelne Paketverluste durch Interferenz – in einem drahtlosen Netzwerk auszugleichen. Um dies zu erreichen, werden die Pakete mit PRP auf zwei unterschiedlichen Funkstrecken zeitgleich übertragen. Dadurch lässt sich eine Störung der Übertragung auf einer Strecke durch die parallele Übertragung auf einer anderen kompensieren.

In der Theorie ist die Betrachtung der Leistungsfähigkeit von PRP über eine Funkstrecke einfach. Unter der Annahme, dass die Verlustwahrscheinlichkeiten auf beiden Funkstrecken P(A) und P(B) gleichverteilt und statistisch unabhängig sind berechnet sich die Verlustwahrscheinlichkeit von PRP wie folgt: P(PRP) = P(A) * P(B). Ein Rechenbeispiel zeigt schnell den enormen theoretischen Effekt: Angenommen die Verlust­rate beziehungsweise Verlustwahrscheinlichkeit auf beiden Strecken wäre identisch und läge bei 0,1 Prozent, so liegt die Verlustrate des PRP-Gesamtsystems bei nur 0,0001 Prozent (0,001 * 0,001 = 0,000001) – ein 1000-fach besserer Wert.

Einflussfaktoren und Anpassung

Der Haupteinflussfaktor auf die Effizienz von PRP ist die Verlustwahrscheinlichkeit der einzelnen drahtlosen Verbindungen P(A) und P(B). Die einfache theoretische Berechnung oben geht dabei davon aus, dass Verluste auf beiden Funkstrecken gleichmäßig verteilt und unkorreliert sind. Um dies in der Praxis zu erreichen, ist es notwendig, Einflussfaktoren auszuschließen, die beide Funkkanäle gleichermaßen betreffen beziehungsweise die Gleichverteilung der Verluste zerstören. Solche Faktoren sind in der Regel systembedingt, können jedoch eliminiert werden.

Ein erster Einflussfaktor ist die Interferenz zwischen den beiden Funkstrecken beziehungsweise zwischen weiteren Funkstrecken. Sollte ein Störer in der Lage sein beide Strecken gleichzeitig zu beeinflussen, würde dies unmittelbar zum Aushebeln des PRP-Effekts führen. Um dies zu verhindern können beide WLAN-Strecken auf überlappungsfreien Funkkanälen, zum Beispiel Kanal 1 und 6 beziehungsweise 11, betrieben werden. Noch besser wirkt der Effekt, wenn beide Strecken in verschiedenen Frequenzbändern wie etwa 2,4 GHz und 5 GHz betrieben werden. Eine gemeinsame zeitgleiche Störung durch ein anderes Funksystem kann somit ausgeschlossen werden.

Ein zweiter Einflussfaktor ist die Last im Netzwerk. Sollte es zu einer Blockade beider Funkstrecken durch eine zu hohe Vermittlungslast kommen, kann es geschehen, dass sich die Paketpuffer im WLAN-PRP-Gerät füllen. Bei anhaltender Überlast werden dann in der Regel Pakete verworfen. Dies geschieht auf beiden Funkstrecken zeitgleich für beide Funkkanäle, was zu einem korrelierten (und damit unbehebbaren) Verlust führt. Dies kann durch Quality-of-Service-Maßnahmen oder durch den Einsatz eines hochwertigen und durchsatzstarken WLAN-Systems verhindert werden.

PRP in der Praxis

Auch in praktischen Anwendungen lassen sich die drastischen Verbesserungen der Theorie weitgehend realisieren. In praktischen Testaufbauten konnte der für die Anwendung wahrnehmbare Paketverlust mit PRP von 0,105 Prozent und 0,101 Prozent für die Einzelverbindungen auf 0,00021 Prozent mit einer parallel redundanten PRP-Verbindung reduziert werden – eine etwa 500-fache Verbesserung.

Ein weiterer positiver Effekt beim Einsatz von PRP ist, dass die Netzwerklatenz und die Laufzeitunterschiede, also der Jitter, im Netzwerk deutlich zurückgehen. In der Praxis lässt sich in dem oben genannten Beispiel ein Rückgang der durchschnittlichen Latenz von 3,1 ms oder 2,8 ms auf 1,7 ms beobachten. Ebenso verringert sich der Jitter-Wert von 0,45 ms auf 0,23 ms. Der Grund für die Verbesserung dieser Messwerte ist, dass durch PRP stets das schnellere der beiden Pakete weitergeleitet wird. Ausreißerpakete mit langen Übertragungszeiten, wie sie bei WLAN durch das geteilte Medium und den nicht-deterministischen Kanalzugriff die Regel sind, lassen sich so weitgehend eliminieren.

Redundanz jenseits von WLAN

Auch bei komplexeren Netzwerkstrukturen, die drahtlose und drahtgebundene Kommunikation verbinden, zeigt PRP seine Stärken. Zwar bieten auch proprietäre WLAN-Redundanzlösungen Leistungsverbesserungen bei der Übertragung, jedoch sind diese stets auf die Funkstrecken beschränkt. PRP hingegen ermöglicht es, komplexere Szenarien aus Funk- und Ethernet-Verbindungen zu realisieren. Zum Beispiel sind Szenarien möglich, in denen PRP über eine kabelgebundene und eine drahtlose Strecke verwendet wird. In Anwendungen mit schwierigen Rahmenbedingungen – zum Beispiel beweglichen Teilen oder hohen Temperaturen – kann so die Funkstrecke als umschaltfreie Backup-Verbindung zur Kabelstrecke verwendet werden.

Höhere Zuverlässigkeit

PRP erlaubt es unter Beibehaltung der bestehenden und standardisierten WLAN-Technik deren Zuverlässigkeit drastisch zu erhöhen. Darüber hinaus ermöglicht PRP vielfältige Netzwerktopologien aus drahtlosen und drahtgebundenen Verbindungen und deren Absicherung. So können neue Anlagen mit höherer Zuverlässigkeit geplant und bestehende Anlagen einfach um hochzuverlässiges WLAN erweitert werden.

Bildergalerie

  • PRP erlaubt es sowohl drahtlose wie auch drahtgebundene Strecken als redundante Pfade zu verwenden.

    PRP erlaubt es sowohl drahtlose wie auch drahtgebundene Strecken als redundante Pfade zu verwenden.

    Bild: Belden

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