A&D:
Welche Techniktrends bewegen Ihrer Meinung nach zur Zeit den Markt?
Melkus:
Der Markt sucht immer noch nach der Antwort, was Industrie 4.0 und das Industrial Internet of Things konkret sind. Der Kern dieser Entwicklung ist ja, dass verschiedene Disziplinen der Automatisierungs- und Informationstechnik miteinander vernetzt werden und ineinandergreifen. Was am Ende dieser Entwicklung stehen wird, kann man jetzt noch gar nicht sagen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es nicht so schnell gehen wird, wie manche meiner Kollegen glauben. Die tatsächlichen Innovationen sind kleine Schritte in der Industrie, wir haben es schließlich mit Maschinenbau zu tun. Der muss in erster Linie am etablierten Markt bestehen und kann sich Veränderungen nur langsam anpassen. Die Vernetzung auf der untersten Ebene wird ja bereits praktiziert, allerdings gibt es da eine große Vielfalt an Protokollen. Die Herausforderung besteht darin, sich auf Standards zu einigen, um diese Vernetzung über die gesamte Automatisierungspyramide zu ermöglichen.
Was ist denn der größte Stolperstein auf diesem Weg?
Da sehe ich vor allem zwei Punkte. Der erste ist das Thema Safety. Was die Sicherheitsprotokolle betrifft, die über Bussysteme ausgetauscht werden, kenne ich keinerlei Initiativen, diese zu vereinheitlichen. Es gibt einen Trend, statt umfangreicher Verdrahtungen Safety-Inseln zu schaffen und diese mit einem einzigen Kabel zu verbinden, über das die Sicherheitssignale laufen. Die Frage, wie diese Signale dann weiterverteilt werden, haben die Maschinenbauer anscheinend ein wenig ausgeblendet. Dies steht im Widerspruch zum Gedanken der durchgängigen, integrierten Lösung.
Und der zweite Punkt?
Das ist die Frage, wie die Intelligenz, die in die Netze kommen soll, wirtschaftlich realisiert werden kann. Ich sehe da im Moment ein Henne-Ei-Problem: Weil es zu teuer ist, werden entsprechende Sensoren nicht in größeren Stückzahlen verbaut, - oft nur in Bereichen, die nicht so preissensitiv sind. Stand heute ist der Mehrwert eines intelligenten Sensors gegenüber dem günstigen, unintelligenten oft nicht so groß, dass sich die derzeitigen Mehrkosten – die sich ja mit der Zahl der eingesetzten Sensoren multiplizieren – im Serienmaschinenbau wirklich rechnen. Auf der Steuerungsseite verfolgen wir hier den Lösungsansatz verteilter Intelligenzen um die Sensor-/Aktor-Signale dort zu verarbeiten, wo sie entstehen. Miteinander vernetzte autonome Cyber-physische Sub-Systeme in den einzelnen Maschinen und damit in der Fertigung zu schaffen, die die Flexibilität erhöhen und die geforderte Losgröße 1 zu vernünftigen Preisen ermöglichen. Und dieser Trend bestimmt sicherlich die Zukunft im Maschinenbau.
Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Einige der technischen Entwicklungen werden sich eher im Anlagenbau durchsetzen, aber nicht im Maschinenbau, wo bei Standardlösungen ein hoher Preisdruck herrscht und die Margen immer kleiner werden. Diesen Druck geben die Maschinenbauer an uns Lieferanten weiter. Insgesamt ist die Situation bei uns aber sehr gut, wir sind im vergangenen Jahr wieder gut 10 Prozent gewachsen. Das liegt auch daran, dass unser Markt noch nicht gesättigt ist. Dadurch sind wir ein bisschen unabhängig vom Auf und Ab des Marktes, und das wird auch in den kommenden Jahren noch so bleiben.
In welchen Segmenten wachsen Sie denn besonders stark?
Achssteuerung, Servo-Antriebstechnik, wo koordinierte, interpolierende Achsen vorkommen, klassischerweise alles rund um die Robotik, Handlinggeräte, vom Nanoroboter bis zu Industrieroboter mit sechs und mehr Achsen, da liegen unsere Stärken. Wir haben uns 2008 von Fremdprodukten bei der Antriebselektronik verabschiedet und setzen seitdem auf Eigenentwicklungen. Ausschlaggebend war, dass die Kunden eine Lösung suchten, bei der die Steuerungsintelligenz, Antriebsregelung und Safety-Funktionen integriert sind. Es gibt ja nur wenige Komplettanbieter, die Steuerungs- und Sicherheitstechnik, Antriebstechnik, klassische I/Os, IPCs und HMIs aus eigener, europäischer Entwicklung und Produktion liefern können, alles in einem Paket mit eigener Programmiersoftware und Betriebssystem. Aber die haben auch die größten Zuwächse.
Sie haben eine eigene Programmierumgebung und ein eigenes Betriebssystem?
Ja, Salamander ist ein linuxbasiertes, industrietaugliches Echtzeit-Betriebssystem. Zuvor hatten wir ein proprietäres OS, aber Linux bietet den Vorteil, dass für viele Peripheriegeräte und andere Komponenten bereits Treiber vorliegen, auf die man zurückgreifen kann, um sie für Industriezwecke anzupassen. Mit Lasal haben wir bereits seit 2000 eine objektorientierte Programmierumgebung, ebenfalls selbst entwickelt, die wir ständig weiter ausbauen. Auch hier sind alle Bereiche der Automatisierung abgedeckt: Steuerung, I/O, Antriebe, Visualisierung und integrierte Safety. Dazu kommen Schnittstellen zu den darüber liegenden Systemen, für Service, Wartung und vieles mehr.
Eine objektorientierte Programmierumgebung aus dem eigenen Haus statt einer Standardplattform wie Codesys von 3S – wie reagiert da der Markt?
Es kann ein K.O.-Kriterium sein, aber viel öfter ist es eine Chance. Die jungen Programmierer finden sich schnell zurecht, da sie häufig mit objektorientierten Hochsprachen arbeiten. Vorgefertigte Softwarebausteine, also Objekte, und Technikmodule mit Konfigurationsoptionen machen die Programmierung schnell und einfach, was in einem übersichtlichen und wartungsfreundlichen Code resultiert. Auch das ist ein wichtiger Punkt, denn wenn die Maschine 10, 15 Jahre im Einsatz ist, gibt es auch Veränderungen und Erweiterungen, die sich leicht implementieren lassen müssen. Natürlich macht so eine Programmierumgebung erst Sinn, wenn man eine gewisse Komplexität zu bewältigen hat. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Applikationserstellung. Und wenn wir den Kunden die Möglichkeiten der Objektorientierung vorstellen und zeigen, was wir heute schon mit Lasal realisieren können, dann hören wir immer wieder: Das ist genau das, wo wir hinwollen.
Warum stellen Sie das Thema Industrie 4.0 nicht noch stärker heraus, um die Aufmerksamkeit des Marktes zu erhöhen?
ZZum einen sind diese Funktionen, wie sie für Industrie 4.0 gebraucht werden, für uns nichts besonders, da sie eben über Lasal integriert sind. Zum anderen fehlt es uns hier noch an Standards, an denen man sich orientieren könnte. Wir haben in der Vergangenheit bereits die Erfahrung gemacht, dass oft jeder nur sein eigenes Süppchen kochen will. Vielleicht ändert sich das, wenn der Druck von Seiten der Politik groß genug wird. Für viele ist der Begriff ja nach wie vor schwammig, und häufig wird dann als Beispiel Fernwartung genannt – für mich ist das aber noch kein Industrie 4.0. Sondern das wäre eine selbstlernende Fabrik, weitgehend automatisiert, die ihre Produktion nach den Kundenaufträgen selbst organisiert. Dort müssten im Prinzip nur noch Rohstoffe und Vorprodukte hineingebracht und am Ende die fertigen Produkte abtransportiert werden.
Wenn nicht Industrie 4.0 – was ist dann das große Thema von Sigmatek?
Wir trauen uns, auch einmal etwas völlig neu zu konzipieren und gegen den Strom zu schwimmen, wie in der Vergangenheit, als wir als erste die objektorientierte Programmierung in die Automatisierung gebracht haben oder vor 2 Jahren den Mini I/O anstelle des klassischen RJ45 Das gab zuerst ein großes Geschrei, aber als die Kunden gemerkt haben, dass sich Bus- und Kabelprobleme erledigt hatten, war die Zufriedenheit hoch. Was ich damit sagen will: Wir machen uns nicht so viel aus den globalen Themen, sondern haben die täglichen, konkreten Anliegen der Anwender im Visier. Wir sind da ein bodenständiges Unternehmen. Natürlich sind wir auch in den wichtigen Gremien vertreten, aber wir sind auch immer sehr nahe beim Kunden. Sollen andere sich um die Politik kümmern – wir kümmern uns um die Technik!