Eine klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung ist erklärtes politisches Ziel bei der Umsetzung der Energiewende. Das stellt Stromversorgungssysteme zunehmend auf die Probe, weil der Strom vermehrt zeitlich fluktuierend und dezentral erzeugt wird. Für den volkswirtschaftlichen Nutzen unverzichtbar sind deshalb die Synergie zwischen einzelnen Maßnahmen in den Wertschöpfungsstufen der Energieversorgung, dem netzseitigen Lastmanagement, der Kenntnis der Energieströme und der verbraucherseitigen Energieeffizienz. Aber auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im globalen Wettbewerb besteht ein Anreiz zur Effizienzerhöhung, denn Energiepreise sind stark reguliert und steigen stetig.
Viele Industriebranchen in Deutschland sind durch KMU geprägt. So auch die Kunststoffindustrie, deren Prozesse besonders energieintensiv sind. Die schlanke Organisation der KMU ermöglicht andererseits die Realisierung innovativer Technologiekonzepte zur Steigerung der Energieeffizienz. Bei der Ausschöpfung des Innovationspotenzials spielt die Transparenz der Energieströme und deren Aufschlüsselung nach Art und Verwendung des Energieträgers eine entscheidende Rolle. Für einen Betrieb zur Folienherstellung stellt sich der Gesamtenergiebedarf wie folgt dar: Elektrische Energie hat mit 86 Prozent einen hohen Anteil am Produktionsprozess, der Heizwärmebedarf dagegen ist mit 14 Prozent gering. Ein wesentlicher Anteil der elektrischen Energie wird für weitere Anwendungen in thermische Energie umgewandelt. Der Aufschmelzprozess des Kunststoffgranulats benötigt bis zu 15 Prozent des gesamten Strombedarfs einer Extrusionslinie, weitere 29 Prozent des Gesamtbezugs entfallen auf die Umwandlungstechnologien der technischen Gebäudeausrüstung.
Dezentralisierung der Versorgung
Es lohnt sich deshalb zu klären, inwieweit die Energieeffizienz des Betriebs durch Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) gesteigert werden und wie darauf aufbauend ein flexibilisiertes Versorgungskonzept aussehen kann. Der Schritt zu einer dezentralen Energieversorgung kann aus der Notwendigkeit zum Austausch bestehender, ineffizienter oder alter Anlagen folgen. Dies betrifft etwa Anlagen zur Klimatisierung von Gebäuden oder zur Bereitstellung von Prozesskälte, die bislang mit R22 als Kältemittel betrieben worden sind.
Die dezentrale Energiebereitstellung für ein KMU über Blockheizkraftwerke (BHKW) orientierte sich bislang bei der technischen Auslegung primär am Heizwärmebedarf. Die Folienextrusion im oben genannten Beispielunternehmen ist aufgrund innerer Lasten von 100 W pro m² [1] Teil einer Industrie, die insgesamt einen eher niedrigen oder gar keinen jährlichen Heizanteil hat [2].
Ein wirtschaftlicher Einsatz von BHKW ist damit nur bedingt realisierbar und bildet in dieser Branche zumeist auch den Endpunkt aller weiteren KWKK-Konzeptionierung. Potenzial eröffnet sich jedoch durch die Einbeziehung der Kälteerzeugung in eine ganzheitliche Betrachtung. Die Winterausprägung beim Heizenergiebedarf und die Sommerausprägung beim Kühlenergiebedarf produzierender KMU macht die Kombination mit der Abwärmenutzung für den Einsatz von Absorptionskälteanlagen zur Unterstützung oder vollständigen Substitution bestehender Kälteanlagen interessant [2]. Der damit einhergehende ganzjährige Wärmebedarf führt betriebsabhängig zu positiven ökonomischen Ergebnissen.
Für eine KWKK-gerechte Produktion ist die Einbeziehung der Prozesswärmebereitstellung über Erdgas anstatt Strom notwendig [3]. Mit einem Thermoölsystem wird dazu Wärme auf einem Temperaturniveau von bis zu 300 °C [4] aus dem Abgasstrang des BHKW ausgekoppelt und den Verarbeitungsanlagen zugeführt. In der Blasfolienextrusion ist ein konstanter Grundbedarf für Prozesswärme durch den ganzjährigen, auftragsbezogenen Betrieb vorhanden. Die relative Steigerung des Potenzials für ein ganzheitliches KWKK-Konzept zeigt die kumulierte geordnete Jahresdauerlinie (linke Abbildung).
Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für die Umsetzung des Gesamtkonzepts im Beispielunternehmen ergibt Amortisationszeiten von 4,5 bis 6,5 Jahren bei einer internen Verzinsung zwischen 23 und 14,5 Prozent. Besonders für Energiedienstleister bieten sich solche Investitionsvorhaben als interessante Contracting-Modelle an.
Flexibilisierung des industriellen Verbrauchers
Die dezentrale Energieversorgung eines KMU bietet auch Potenziale im Hinblick auf das Smart Grid. Als Energienetz der Zukunft hängt es entscheidend von der Flexibilisierungsfähigkeit des Bedarfes ab. Grundlegend wird zwischen positiver und negativer Kapazität unterschieden. Liegt die Stromerzeugung unter dem Bedarf, ist die positive Regelrichtung erforderlich. Diese kann entweder mit zusätzlicher Erzeugungsleistung oder mit Abregelung der Ausspeisung erzielt werden. Entgegengesetzt ist der Handlungsbedarf bei zu hoher Einspeisung, die insbesondere an sonnen- und windreichen Tagen auftritt.
Die gezielte Anpassung des Bedarfes kann durch zeitliche Änderung der Prozessfahrpläne erfolgen. Der Kernprozess bei der Folienextrusion ist dafür ungeeignet. Bei einer intelligenten Betriebsführung stellen aber die Granulattrocknung und Regranulierung zwei Prozesse mit einem negativen Reservepotenzial dar. Ein weiterer Flexibilisierungsansatz ist die indirekte Stromspeicherung in Form thermischer Energie oder Druckluft. Die derzeitige Auslegung dieser Speichersysteme sieht jedoch keine netzseitig relevanten Größen vor und ist lediglich als innerbetrieblicher Puffer ausgelegt.
Über eine dezentrale Energieversorgung kann die Flexibilität eines KMU signifikant erhöht werden. Hierfür spielt die Fähigkeit zum Wechsel zwischen den Energieträgern Erdgas und Strom eine entscheidende Rolle. Zukünftig sollte dies deshalb bei der Auslegung technischer Backup-Systeme berücksichtigt werden. Beispielsweise müssen bei der Drosselung oder Abschaltung eines BHKW Prozesswärme, Kälte und Heizenergie alternativ bereitgestellt werden.
Nach heutigem Stand wäre der Strombezug durch das Netz zu kompensieren und das Thermoölsystem durch erdgasbefeuerte Kessel zu erhitzen. Weitere Ansätze zur Erhöhung des Potenzials sind aus technologischer Sicht Elektrodenheizkessel und Tauchsieder. Bis zu 44 Prozent des Energiebedarfes können theoretisch mittels am Markt vorhandener technischer Alternativen flexibilisiert werden. Höhere Speichervolumina für das Kalt- und Warmwasser vergrößern das Potenzial zusätzlich.
Die Herausforderung der volatilen, nicht steuerbaren Erzeugung betrifft speziell die Verteilnetze. Aufgrund aktueller regulatorischer Rahmenbedingungen bleibt das identifizierte Flexibilitätspotenzial eines KMU ungenutzt. Unter dem Gesichtspunkt der Endenergieeffizienz ist eine systemübergreifende Vorgehensweise bei der Erstellung von Energiekonzepten erforderlich.
Die verschiedenen Energieströme sind dabei intelligent zu koppeln und zu steuern. Da die Flexibilität des Endverbrauchers für die Systemstabilität bei volatiler Erzeugung von zentraler Bedeutung ist, ist für ein Gelingen der Energiewende die Integration innovativer Konzepte ein signifikanter Einflussfaktor. Für verschiedene Marktakteure eröffnen sich damit gleichzeitig neue Handlungsfelder für neue Geschäftsmodelle.
Weitere Informationen
[1] VDI 2262 Blatt 3:2011 S. 63 f. nach Mirko Schäfer: Entwicklung eines Regelungskonzepts zur bedarfsgerechten Lüftung von Produktionshallen. Experimentelle Untersuchungen und Simulation, Kassel University Press, 2013, S. 25
[2] Jens Hesselbach et. al.: Energie- und klimaeffiziente Produktion. Grundlagen, Leitlinien und Praxisbeispiele, Vieweg-Teubner Verlag, 2012, S. 269-273
[3] Alexander Schlüter, Jens Hesselbach: Effizienter mit Gas statt Strom, Energy 2.0 Mai 2010, S. 54-57
[4] Benjamin Rommel, Heiko Dunkelberg: Potenziale optimal nutzen Energieeffiziente Blasfolienextrusion, Newsletter zum Projektvorhaben „HIER! Hessen – Innovationen für Energie- und Ressourceneffizienz.“, Ausgabe 11, Januar 2013, S. 3; online unter: www.hier-hessen.de