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Altes Eisen muss flexibel sein Arbeitssuche im Alter – kann es funktionieren?

Erfahrene Arbeitskräfte meistern Herausforderungen beim Jobwechsel, während Unternehmen ihre Einstellung gegenüber älteren Bewerbern überdenken müssen, wie in den Erfahrungen von Jürgen van Santen und den Erkenntnissen von Karriereberaterin Ulrike Luz deutlich wird.

Bild: iStock, Stadtratte
02.08.2023

Mit 58 Jahren einen Neuanfang wagen. Für viele ist das undenkbar, manchen macht es sogar Angst. Doch es kann gelingen und das oft sehr viel besser als man denkt, da immer mehr Personaler die Vorzüge älterer Mitarbeiter erkennen.

Zum Jahreswechsel dachten laut einer repräsentativen Studie von LinkedIn knapp 60 Prozent über einen Jobwechsel nach. Mehr Geld, bessere Work-Life-Balance und bessere Entwicklungsmöglichkeiten spielten die wichtigste Rolle. Naturgemäß war die Wechselbereitschaft bei den Anfang 30-Jährigen mit 69 Prozent deutlich höher als bei den Älteren. Aber immerhin noch ein Viertel der über 55-Jährigen konnte sich vorstellen, einen neuen Job anzunehmen.

Einer davon ist Jürgen van Santen. Sein ehemaliger Arbeitgeber hat den Vertrieb umstrukturiert, Aufgaben neu zugeordnet oder outgesourct. Seine Position gab es dann „so nicht mehr“ und auch keine adäquate Stelle innerhalb der Firma. Deshalb entschied sich der 58-jährige Frankfurter nach 30 Jahre im gleichen Unternehmen für den Wechsel. Mit dem Ergebnis, dass er nun überrascht und erfreut sagt: „Ach, so kann sich Arbeit anfühlen“, obwohl er vorher nicht unzufrieden war.

Erfahrene Arbeitnehmer auf Jobsuche

Während drei Viertel der älteren Mitarbeiter einem späten Jobwechsel in der Regel kritisch gegenüberstehen und Personaler in den Unternehmen lieber nach jüngeren Mitarbeitern Ausschau halten, kann Ulrike Luz diese Haltung nicht so recht verstehen. Sie ist Karriereberaterin bei VBLP, einem Unternehmen, das sämtliche Prozesse der Personalveränderung begleitet, vom Outplacement und Transfer über Coaching bis zum Changemanagement.

Sie stellt immer wieder fest, dass Ältere über wertvolles Know-how verfügen und über die Erfahrung, diverse Unternehmenskrisen durchgestanden zu haben. Außerdem seien ihre Klienten „total offen und flexibel“. Allerdings würden sie im Laufe der Beratung lernen müssen, ihre Ansprüche zurückzunehmen.

„Ältere Mitarbeiter sind oft ein hohes Gehalt gewohnt, sind weniger mobil, weil sie ein Haus oder eine Wohnung besitzen oder die Kinder noch zur Schule gehen“, so Luz. Auch wenn Fachkräfte und Spezialisten so gesucht sind wie nie zuvor, um den passenden Job zu finden, müssten ältere Arbeitssuchende Abstriche machen.

Erfolgsfaktoren bei der Jobsuche für erfahrene Arbeitnehmer

Ingo Zwermann war lange in Personalverantwortung bei einem Konzern und zwei großen Mittelständlern. Aus seiner Sicht mussten ältere Bewerber vor allem drei Faktoren erfüllen. Zum einen mussten sie in das Unternehmen passen. Zum anderen war ihm wichtig, dass sie bereits in mehreren Unternehmen gearbeitet hatten.

„Sonst hätten sie es schwer gehabt, sich an die neue Arbeitskultur zu gewöhnen“, so der inzwischen selbständige Coach. Und schließlich musste es eine klare Perspektive von fünf bis acht Jahren geben. Allerdings sagt er auch, eine Chance auf Neueinstellung haben Ältere nur, wenn sie eine Anstellung im höheren Management suchen oder als Fachkraft über spezielle Kompetenzen verfügen.

Für van Santen war es zunächst wichtig, sich innerlich von seinem Arbeitgeber zu verabschieden: „Man geht nach 30 Jahren nicht einfach so.“ Coaches und Karriereberater, die bei ihm sofort auf eine neue Arbeit gedrängt hatten, hat er schnell ausgeschlossen und sich stattdessen für VBLP und Ulrike Luz als Coach entschieden:

„Mir gefiel, das schrittweise Vorgehen und ihre öffnende Art über diesen Abschied zu reden“. Gerade in dieser ersten Phase hat er sich mit der Bad Homburgerin wöchentlich getroffen. Hilfreich war zudem ein digitales Out- und Newplacement-Tool, das das Unternehmen während Corona entwickelt hat. 30 Jahre Erfahrung mit Personalprozessen sind in das sehr detaillierte Programm eingeflossen, mit dem die Klienten begleitend arbeiten können. Ende 2021 ist es mit dem HR Excellence Award ausgezeichnet worden.

Drei Fähigkeiten entscheidend

„Mir haben die gestellten Aufgaben sehr geholfen, meine Gedanken zu sortieren, wichtige Dinge aufzuschreiben und mir über Meilensteine klar zu werden“, so van Santen. Eigentlich sollte jede Führungskraft diese intensive Reflektion zum besseren Selbstverständnis alle zehn Jahre durchlaufen, resümiert er inzwischen.

Drei Fähigkeiten sind für ihn seitdem besonders markant: „Ich habe gerne Führungsverantwortung, weil ich es mag, mit Menschen zusammenzuarbeiten.“ Viele positive Rückmeldungen hat er dazu von ehemaligen Kollegen und Kunden bekommen. Zum Zweiten geht der Kommunikationsfachmann besonders neue Themen und Situationen strukturiert an und findet schnell „den roten Faden“ – kann dadurch Mitarbeitenden und Kollegen klare Aufgaben geben und Sicherheit vermitteln.

Und schließlich hat er gegenüber gelernten Kommunikations- und Marketingexperten den Vorteil, dass er vom Fach ist: Der neue Teamcoach Corporate Communications bei Bückert Fluid Control Systems ist Elektroingenieur: „Ich bin mit den Fachkolleginnen und -kollegen auf Augenhöhe und bin schnell akzeptiert.“

Der Neustart in der Arbeitswelt

Van Santen konnte sich für den Stellenwechsel Zeit lassen, entsprechend dankbar ist er seinem alten Arbeitgeber für die Unterstützung. Er hat die Auflösung der Arbeitsbeziehung aufgearbeitet, eine ausgedehnte Reise mit seinem Sohn unternommen, sich weitergebildet und viele Anregungen bekommen.

Allerdings investierte er notgedrungen auch viel Zeit in Bewerbungen. Denn obwohl er als Führungskraft in den vergangenen Jahrzehnten an vielen Bewerbungsgesprächen beteiligt war und Personalentscheidungen getroffen hat, merkte er schnell, dass er nun auf der Bewerberseite praktisch Anfänger war: „Der gesamte Prozess hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert, außerdem hatte ich weder einen modernen Lebenslauf noch wusste ich mich adäquat darzustellen.“

Zusammen mit Luz brachte er seine Unterlagen auf Vordermann und übte die Darstellung seiner Fähigkeiten und Eigenschaften. Storytelling ist inzwischen für Kandidaten im Bewerbungsprozess ein A und O: Das eigene Arbeitsleben prägnant und schlüssig in eine Geschichte zu verpacken.

Herausforderungen und Triumphe für eine erfahrene Arbeitskraft

Die ersten Bewerbungsversuche waren für den Frankfurter allerdings „enttäuschend“, auf lediglich ein Fünftel seiner Bewerbungen bekam er überhaupt eine Antwort. Und in den wenigen Gesprächen musste er sich oft beinahe rechtfertigen: Als 58-Jähriger habe er immerhin noch eine Dekade Arbeit vor sich. „In dieser Zeit schwankte meine Stimmung entsprechend und der Kontakt mit meinem Coach, der immer motivierend Worte fand, war sehr wichtig.“

Luz vermutet, dass vor allem bei Online-Bewerbungen das Alter oft automatisch ein KO-Kriterium ist: „Ältere Arbeitssuchende finden eher über ihr Netzwerk oder direkte Ansprache einen neuen Arbeitgeber, weniger über Stellenausschreibungen.“ Letztlich geht es darum, alle drei Chancen zu nutzen, denn Zwermann macht bei seinen Coachees oft die Erfahrung, dass deren Netzwerk für einen Stellenwechsel sehr wenig hergibt.

Es lief bei van Santen dann anders. Eines Tages las er eine Stellenanzeige und dachte: „Die schreiben von mir, Führungs- und Lebenserfahrung, fachliche Breite, Interesse an Technik und Prozessen. Alles da.“ Die Verantwortlichen für die Stellenbesetzung hatten den gleichen Eindruck und van Santen sagt nach drei Monaten im Unternehmen, dass es wirklich sehr gut passt.

Er hat eine neue Herausforderung, arbeitet mit vielen jüngeren Menschen zusammen und hat neue Freude an der Arbeit gefunden. Allerdings ist nicht nur die Arbeitsstelle neu, sondern die ganze Lebenssituation für ihn und seine Familie. Denn sein neuer Arbeitgeber ist in Ingelfingen bei Schwäbisch Hall – zwei Stunden Autofahrt von Frankfurt entfernt. Also pendelt er am Wochenende nach Hause oder die Familie kommt zu ihm, um gemeinsam das neue Umfeld in Baden-Württemberg zu erkunden.

Bildergalerie

  • Ulrike Luz ist eine Karriereberaterin bei VBLP, einem Unternehmen, das sämtliche Prozesse der Personalveränderung begleitet und deren Klienten „total offen und flexibel“ sind, aber im Laufe der Beratung lernen müssen, ihre Ansprüche zurückzunehmen, da ältere Mitarbeiter oft ein hohes Gehalt gewohnt sind und weniger mobil sein können.

    Ulrike Luz ist eine Karriereberaterin bei VBLP, einem Unternehmen, das sämtliche Prozesse der Personalveränderung begleitet und deren Klienten „total offen und flexibel“ sind, aber im Laufe der Beratung lernen müssen, ihre Ansprüche zurückzunehmen, da ältere Mitarbeiter oft ein hohes Gehalt gewohnt sind und weniger mobil sein können.

    Bild: VBLP

  • Der 58-jähriger Frankfurter Jürgen van Santen, entschied sich nach 30 Jahren im gleichen Unternehmen für einen Jobwechsel und fand mit Unterstützung von VBLP und Karriereberaterin Ulrike Luz eine neue Herausforderung in Ingelfingen bei Schwäbisch Hall.

    Der 58-jähriger Frankfurter Jürgen van Santen, entschied sich nach 30 Jahren im gleichen Unternehmen für einen Jobwechsel und fand mit Unterstützung von VBLP und Karriereberaterin Ulrike Luz eine neue Herausforderung in Ingelfingen bei Schwäbisch Hall.

    Bild: VBLP

  • Ingo Zwermann, ehemalige Personalverantwortung bei einem Konzern und zwei großen Mittelständlern, betont die Bedeutung von drei Faktoren für ältere Bewerber und empfiehlt ihnen, eine klare Perspektive sowie passende Unternehmen und bereits gesammelte Erfahrungen vorzuweisen, um ihre Chancen auf einen erfolgreichen Stellenwechsel zu erhöhen.

    Ingo Zwermann, ehemalige Personalverantwortung bei einem Konzern und zwei großen Mittelständlern, betont die Bedeutung von drei Faktoren für ältere Bewerber und empfiehlt ihnen, eine klare Perspektive sowie passende Unternehmen und bereits gesammelte Erfahrungen vorzuweisen, um ihre Chancen auf einen erfolgreichen Stellenwechsel zu erhöhen.

    Bild: VBLP

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