Nicht nur anlässlich von großen Messen wie der stattgefundenen neuen Cebit ist das Thema KI in aller Munde. Es gibt kaum einen Bereich, der nicht von ML- und KI-basierten Technologien entscheidend transformiert wird: Von der Güterproduktion über die Logistik bis zur Medizintechnik. Schon die Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten ist ein Grund für das öffentliche Interesse. Die Debatte ist jedoch oft von Halbwissen, Vermutungen und Mythen geprägt. Aufklärung ist gefragt, denn die gesellschaftliche Akzeptanz ist für die weitere Verbreitung maschinell basierter Lernverfahren von zentraler Bedeutung. Hier setzt die im Kontext eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts erstellte Studie „Maschinelles Lernen – Kompetenzen, Anwendungen und Forschungsbedarf“ an.
Durchgeführt wurde das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, dem Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonmie IMW sowie der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft. Die Studie gibt eine kompakte Einführung in die wichtigsten Konzepte und Methoden des Maschinellen Lernens, einen Überblick über Herausforderungen und neue Forschungsfragen. Darüber hinaus ermöglicht sie eine Übersicht zu Akteuren, Anwendungsfeldern und sozioökonomischen Rahmenbedingungen der Forschung mit Fokus auf den Standort Deutschland.
Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft
Forschung ist die Basis jeder neuen Technologie. Für die weitere Entwicklung neuer ML-Techniken wurde in Deutschland bereits eine solide Grundlage geschaffen. Entscheidend ist aber vor allem der Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen in konkrete Produkte, Prozesse und Dienstleistungen. So sind zum Beispiel Länder wie die USA, China, Südkorea oder Japan, was die Anzahl der Patentfamilien im Bereich ML und KI angeht, Deutschland noch weit voraus. Dementsprechend wichtig ist es, nicht den Anschluss zu verlieren und sowohl in die ML-Forschung zu investieren als auch gezielt den Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft zu fördern.
Hier gilt es vor allem, den Einsatz von ML-Techniken in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu fördern und Eigenentwicklungen anzuregen, um hinsichtlich des Rückstands bei den Patentanmeldungen im internationalen Vergleich aufzuschließen. Dies ist insbesondere eine Frage zielgerichteter Informationsangebote, etwa in Form von Best Practices und konkreten Anwendungsszenarien. So zeigen KMU vielfach Interesse an ML-Techniken, sobald ihnen konkrete Einsatzmöglichkeiten mit unternehmerischem Mehrwert aufgezeigt werden.
Handlungsfelder für die Forschung
Die wissenschaftliche Ausgangslage in Deutschland und Europa ist vielversprechend. Doch im Hinblick auf den Transfer in die Praxis halten die befragten Expertinnen und Experten vor allem folgende Forschungsfelder für relevant, in die Deutschland und Europa verstärkt investieren sollten, um sich langfristig im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu positionieren.
„Erklärbare KI“ für bessere Transparenz und Verlässlichkeit ML-basierter Entscheidungsprozesse
Maschinelles Lernen mit wenigen Daten
„Informed ML“ - Maschinelles Lernen mit zusätzlichem Wissen von Experten
Verbesserung der Betriebs-, Cyber- und Datensicherheit sowie Robustheit von ML-Systemen
Diese Forschungsfelder bieten das Potenzial, Wissen anwendungsorientiert auszubauen, völlig neue Anwendungen zu ermöglichen – von der Industrie 4.0 bis zum Gesundheitssektor – und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Akzeptanz zu stärken. Einer Studie von Infosys zufolge treibt vor allem die Energiebranche intelligente Technik voran. Dafür ausschlaggebend ist vor allem der Vorteil, der direkt am Stromzähler oder im Kundenservice für den Endverbraucher entsteht. Bestätigt wird diese Einschätzung auch vom DigitalverbandBitkom, laut dem bei 36 Prozent der Bundesbürger ein grundsätzliches Interesse daran besteht, einen Smart Meter zu nutzen.
Zentrale Herausforderungen und Rahmenbedingungen
Über den Forschungsbedarf in den zentralen Handlungsfeldern hinaus spielen auch übergeordnete rechtliche, gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit und Akzeptanz von ML und KI geht. Die Studie betont hier vor allem den Fachkräftemangel, denn der Bedarf an Expertinnen und Experten für Datenanalyse in Deutschland ist immens: Aktuell fehlen rund 85 000 Akademikerinnen und Akademiker mit fortgeschrittenen Datenanalysekenntnissen sowie zusätzlich rund 10 000 IT-Spezialfachkräfte in den Bereichen Big Data, Advanced Analytics, Business Intelligence und Data Science.
Handlungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Verfügbarkeit von Daten. Gerade im internationalen Vergleich mangelt es in Deutschland an allgemein zugänglichen, verwertbaren Daten. Um Anreize zu schaffen, entsprechende Daten zu generieren und auszutauschen, ist es jedoch wichtig, dass Urheber die Kontrolle und Souveränität über ihre Daten behalten. Modelle wie der Industrial Data Space, in dem Unternehmen ihre Daten zum gegenseitigen Nutzen teilen und dabei stets die Kontrolle über die Verwendung ihre Daten behalten, sind hier beispielhaft.
Strategische Investitionen in ML-Forschung
Die Fraunhofer-Gesellschaft engagiert sich nicht nur hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung mit einem eigenen Schulungs- und Zertifizierungsprogramm für „Data Scientists“. An vielen Instituten, sowohl am Standort Deutschland als auch im europäischen Kontext, entwickelt Fraunhofer Schlüsseltechnologien der KI und ihrer Anwendungen. Maschinelle Lernverfahren für die Industrie gehören ebenso dazu wie der Einsatz kognitiver Systeme in der Cybersicherheit und die weitere Erforschung künstlicher neuronaler Netze. Darüber hinaus adressiert Fraunhofer zum Beispiel mit dem neuen Forschungszentrum Maschinelles Lernen aktuelle Herausforderungen der Industrie, die es ermöglichen, transparente und belastbare Lösungen der Künstlichen Intelligenz strategisch in Produktions-, Geschäfts- und Vertriebsprozesse zu integrieren.
Doch wenn es um den Einsatz von Machine Learning in Unternehmen geht, zeigt sich oft ein anderes Bild. Die Application-Intelligence-Experten von AppDynamics sehen insgesamt acht Gründe, warum umfangreiche ML-Applikationen im Unternehmensfeld nach wie vor Mangelware sind. Damit sich das ändert müssen weitere Zugangshürden und Vorurteile gegenüber Künstlicher Intelligenz abgebaut werden. Eine Möglichkeit dazu bietet diePlattform Lernende Systeme am Cebit-Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Messebesucher haben hier die Möglichkeit Lernende Systeme aus verschiedenen Anwendungsbereichen selbst auszuprobieren.
Viele Unternehmen haben das Potenzial erkannt
Dabei zeigt eine im Mai diesen Jahres veröffentlichte Studie von IDC: Prinzipiell haben viele Unternehmen in Deutschland das Potenzial erkannt, das Lösungen und Services für künstliche Intelligenz im Hinblick auf die Optimierung von Prozessen haben. Die IDC-Marktforscher befragten im April 2018 in Deutschland IT- und Fachentscheider aus 350 Organisationen mit mehr als 50 Mitarbeitern. 69 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, die Umsetzung eines neuen KI-Projekts in den nächsten 12 Monaten zu planen. Am häufigsten nutzen die von IDC befragten Unternehmen Künstliche Intelligenz demnach für die Extraktion von Wissen aus Daten (37 Prozent), für Spracherkennung (32 Prozent), Überwachtes Lernen (25 Prozent), Bilderkennung/Bild-Klassifikation (23 Prozent) sowie zur automatischen Content-Aggregation (23 Prozent).
Nach Material von Fraunhofer: https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2018/juni/maschinelles-lernen-kompetenzen-forschung-anwendung.html