Komplexes vereinfachen Automatisierungsschub bei der Direktvermarktung von Energie

Was früher etwa 14 Tage dauerte, ist heute per Stapellauf an einem Tag erledigt.

Bild: Vattenfall
29.03.2023

Der Geschäftsbereich der Direktvermarktung ist für Energieversorger eine wichtige Säule, die oft die unternehmensweite Nachhaltigkeitsmission stützt. Damit dem Ausbau dieses Tätigkeitsfeldes nichts im Wege steht, ist eine Anpassung der zugrundeliegenden IT-Architektur der Abrechnung zwingend notwendig. Der Anwenderbericht zeigt am Fall von Vattenfall, wie das funktioniert.

Das Ziel des Unternehmens ist klar formuliert: Vattenfall will bis 2040, innerhalb einer Generation, ein fossilfreies Leben ermöglichen und damit einen Beitrag zur Energiewende leisten.

Für diese Initiative wurde der Konzern, dessen Muttergesellschaft zu 100 Prozent im Besitz des schwedischen Staates ist, dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge mit dem höchsten EcoVadis-Siegel für Nachhaltigkeit ausgezeichnet, welches unter anderem eine verantwortungsvolle Beschaffung würdigt.

Erneuerbaren Energien und dem Thema Direktvermarktung kommt im Zuge dessen entscheidende Aufmerksamkeit zu. Seit zehn Jahren bietet die Vattenfall Energy Trading den Betreibern von Wind-, Solar- und Biomasseanlagen die Möglichkeit, den erzeugten Strom über das Marktprämienmodell an der Strombörse zu vermarkten. Über die Zeit wurde das Angebot sukzessive um weitere Formen der Direktvermarktung ergänzt, insbesondere PPA (Power Purchase Agreements) nehmen inzwischen verstärkt an Fahrt auf. Mit etwa 400 abgeschlossenen Verträgen gehört das Unternehmen zu den größeren Direktvermarktern in Deutschland.

Neue IT-Strukturen

Damit dies so bleibt, wurde 2020 damit begonnen, die der Direktvermarktung zugrundeliegenden IT-Strukturen der Abrechnung zukunftsfähig zu formen.

„Bis dato basierte die Abrechnung auf einem internen System, das vor 20 Jahren entwickelt wurde und damals vor allem der Abrechnung von Vollstromverträgen im Liefermodell diente. Für unsere täglichen Arbeitsroutinen rund um die Abrechnung der Direktvermarktungsverträge war das einfach nicht mehr zeitgemäß“, erklärt Seemin Nasimzada von der Vattenfall Energy Trading. „Die Anwendung war sehr zeitaufwendig mit vielen manuellen Prozessen. Allein die Neuanlage eines Kunden dauerte über zwanzig Minuten. Sobald es individuelle Aspekte zu berücksichtigen gab, potenzierte sich der Aufwand zusätzlich.“

Die Fachabteilung hatte aufgrund des Lowcode-Konstrukts zwar die Möglichkeit, gewisse Anpassungen selbst vorzunehmen – ohne jedes Mal die IT-Abteilung ins Boot holen zu müssen, aber dies bremste die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Tagesgeschäft dann immer wieder aus. „Da wir bei Vattenfall die Direktvermarktung als strategische Komponente sehen, die künftig immer weiter an Bedeutung gewinnen wird, waren die Mankos der ‚alten‘ Prozessstrecken einfach nicht mehr tolerierbar. Etwas Neues musste her“, wie Daniel Cordts unterstreicht. In der Position des Renewables Administration Managers hat er gemeinsam mit Nasimzada auf Seiten des Unternehmens das Projekt zur Ablösung der bestehenden Abrechnungssoftware begleitet.

An der entsprechenden Ausschreibung nahmen verschiedene Anbieter teil. Am Ende setzte sich die AKTIF Unternehmensgruppe durch. „Vor allem die energiewirtschaftliche Expertise hat uns überzeugt. Die Abstimmung erfolgte von Anfang an auf Augenhöhe. Wichtige Punkte auf unserer Anforderungsliste waren die Schnittstellen zum System für die Marktkommunikation und dem ERP sowie ein stichhaltiges Konzept für die Datenmigration aus dem Altsystem. Hier hat AKTIF in jederlei Hinsicht sowohl technisch als auch fachlich gepunktet“, so Nasimzada.

Doppelte Datenpflege ade

Im Rahmen des Projektes wurde als allererstes der doppelten Datenhaltung der Garaus gemacht, wie Nasimzada präzisiert: „Früher mussten wir die Stammdaten aufgrund fehlender Schnittstelle in zwei Welten parallel pflegen – sowohl in unserem Marktkommunikations- als auch im Abrechnungssystem. Mit der neu eingeführten AKTIF-Software, die im SaaS-Modell (Software-as-a-Service) zur Verfügung steht, erfolgt der Austausch heute automatisch, was uns deutlich entlastet.“

Führend ist dabei das EDM-System. Die darin hinterlegten Informationen zu allen kaufmännischen Aspekten und Anlagendetails werden für die Abrechnung passgenau abgerufen. Insofern kam insbesondere den Vorarbeiten im EDM entscheidende Bedeutung zu. Belege des aktuellen Jahres wurden aus dem Altsystem in die AKTIF-Lösung umgezogen, ältere Dokumente wanderten in einen zusätzlichen Archivordner, auf den sich jederzeit bei Rückfragen zugreifen lässt.

Automatisierung, Flexibilität und Skalierbarkeit

Nicht nur beim Stammdatenaufbau wurde viel Wert auf Automatisierung gelegt, auch bei der Ausgestaltung der Abrechnungslogik selbst lag der Fokus auf maximaler Arbeitserleichterung, wie Nasimzada betont. „Bei der Direktvermarktung gilt es, schnell auf sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren und unterschiedlichste, individuelle Vertragskonstrukte abzubilden. Denn nicht immer steht hinter einer Anlage auch genau ein Kunde. Manchmal besitzt ein Kunde mehrere Anlagen und wünscht sich eine Sammelrechnung. Oder es gibt bestimmte Beteiligungsverhältnisse bei einer Anlage oder mehrere gesonderte Zahlungsempfänger zu berücksichtigen.“

Nasimzada erklärt weiter: „Auch die Höhe des in Rechnung zu stellenden Dienstleistungsentgeltes für die Direktvermarktung und darunter summierte Services (wie die Rollenübernahme als Einsatzverantwortlicher und Betreiber der technischen Ressource im Rahmen von Redispatch-2.0-Datenverpflichtungen) ist nicht bei allen Verträgen gleich. Die Anforderungen sind äußerst facettenreich, daher haben wir bei der Auswahl der neuen Abrechnungssoftware genau darauf geachtet, dass uns auch künftig keinerlei Grenzen gesetzt sind. Mit AKTIF können wir jederzeit flexibel und ohne viel Aufwand auf neue Bedürfnisse sofort reagieren.“

Das Schöne für das Team von Vattenfall Energy: Die AKTIF-Lösung erkennt anhand der zugrundeliegenden Parameter automatisch, was wie gegenüber wem entsprechend welcher Sonderwünsche abgerechnet werden muss und ruft die dafür erforderlichen Informationen über Schnittstellen zu verschiedensten externen Systemen lückenlos ab.

Der Rechnungslauf unter Berücksichtigung aller jeweils relevanten Daten – von den monatlichen Lastgängen (MSCONS) je Marktlokation über die aktuellen Referenzmarktwerte für Onshore Wind, Offshore Wind, Solar oder den Details zu Abregelungen je Marktlokation und Ausfallvergütungen im Zuge von Redispatch 2.0 bis hin zu den EPEX-Spotpreisen im relevanten Monat – ist jetzt per Mausklick möglich. Die buchhalterischen Details fließen anschließend direkt und ohne weiteres Zutun seitens der Fachabteilung ans ERP-System.

Vorher-Nachher-Vergleich

„Inzwischen sind nicht mehr vier bis fünf Leute mit der Abrechnung von Einspeisern beschäftigt, sondern nur noch zwei bis drei Mitarbeiter. Was früher etwa 14 Tage dauerte, ist heute per Stapellauf an einem Tag erledigt. Das liegt vor allem daran, dass der Löwenanteil der manuellen Tätigkeiten dank weitreichender Automatisierung wegfällt“, erklärt Cordts.

Statt selbst Hand anlegen zu müssen, kommt dem Team mittlerweile vor allem eine Kontrollfunktion zu. „Daten müssen nicht mehr mühevoll zusammengetragen und eingegeben werden. Ein Eingreifen ist eigentlich nur dann nötig, wenn wirklich mal ein Wert fehlt oder es sonstige Auffälligkeiten gibt. Dann kann der Fokus darauf gelegt werden, die Ursache zu finden“, so Cordts. Die Einführung des neuen Systems hat den Arbeitsalltag maßgeblich verändert und Freiräume für andere Projekte geschaffen.

Die Veränderung merken auch die Kunden: Denn der Wechsel wurde nicht zuletzt dafür genutzt, Abrechnungsdokumente mit Unterstützung von AKTIF zu optimieren und zu vereinheitlichen. „Die Rückmeldungen zu unserem neuen ‚aufgeräumten‘ und modernen Rechnungslayout waren durch die Bank weg positiv“, freut sich Nasimzada. Extra hinzugekommen ist zudem das sogenannte „Renewables-Portal“ als Self-Service-Plattform auf Basis der AKTIF-Software. Hier werden den Vertragspartnern alle Rechnungen und weiteren wichtigen Informationen gebündelt zur Verfügung gestellt und können jederzeit eingesehen werden. Die Funktionalität des Kundenportals soll künftig weiter ausgebaut werden.

„Für uns war das Projekt ein voller Erfolg. Kickoff war am 13. Mai 2020, die erste Anwenderschulung im Oktober. Live ging das neue System im Februar 2021, gefolgt vom Portal im Juni 2021. Die Umstellung verlief reibungslos und keiner von uns möchte die neuen Prozesse der Einspeiseabrechnung mehr missen. Gerade im Zuge von Redispatch 2.0 und unserer damit zusammenhängenden Angebotserweiterung wären wir ohne die AKTIF-Lösung wahrscheinlich deutlich weniger entspannt gewesen“, zeigt sich Nasimzada zufrieden.

Für die Zukunft der Direktvermarktung sieht sich die Vattenfall Energy Trading nun optimal aufgestellt. „Derzeit wickeln wir etwa 400 Einspeiseverträge ab, wobei 95 Prozent davon noch auf dem Marktprämienmodell basieren. Aber künftig rechnen wir neben einem generellen Aufschwung der Direktvermarktung auch mit immer mehr PPA-Konstrukten – sei es, weil Anlagen aus der EEG-Förderung auslaufen oder das Interesse an langfristig fixierten Liefervereinbarungen insgesamt steigt“, erklärt Cordts. Da durch solche individuellen Verträge die Komplexität der Abrechnung weiter zunimmt, kam das IT-Projekt, das hohe Flexibilität und Skalierbarkeit sicherstellt, für ihn genau zur rechten Zeit.

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  • Die Direktvermarktung von Erneuerbaren Energien aus Wind-, Solar- oder Biomasseanlagen wird in Zukunft immer wichtiger.

    Die Direktvermarktung von Erneuerbaren Energien aus Wind-, Solar- oder Biomasseanlagen wird in Zukunft immer wichtiger.

    Bild: Vattenfall

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